Ein guter Freund von mir, selbst homosexuell, beklagt sich seit Jahren, wie sehr ihn die ständige Aufmerksamkeit auf das Thema ärgert. Sinngemäß sagt er: „Ich möchte einfach leben. Gleichberechtigt. Ohne Angst. Das kann ich. Aber ich will nicht auf jedem CSD-Plakat auftauchen, nicht in jeder zweiten Serie zum Thema gemacht werden. Ich will keine Projektionsfläche für Genderstudien, Dragshows und Aufklärungskampagnen sein.“
Seine sexuelle Orientierung sei Privatsache, sagt er. Natürlich sei es wichtig, dass Homosexuelle nicht mehr verfolgt oder ausgegrenzt werden. Aber das, was heute geschehe, fühle sich nicht mehr nach Gleichberechtigung an – sondern nach Zurschaustellung. Nach einer Instrumentalisierung, die bei vielen Menschen das Gegenteil von Akzeptanz bewirke: Ablehnung.
In der Psychologie nennt man das Reaktanz: Wenn Menschen sich bevormundet fühlen, schlagen sie in die entgegengesetzte Richtung aus. Sie lehnen ab, was man ihnen aufzwingen will. Bei dieser Thematik bedeutet das: Statt mehr Toleranz entsteht Widerstand – nicht trotz, sondern wegen der Dauerbelehrung.
Genau in diese Richtung ging auch ein Leserbrief, der mich kürzlich erreichte – und meinen Freund in seiner Einschätzung auf bemerkenswerte Weise bestätigte. Der Absender ist selbst nicht betroffen, verweist aber auf ein öffentliches Statement des schwulen Künstlers David Domjahn, das ihn nachdenklich gestimmt hat.
Domjahns zentrale These: Das Vertrauen in die öffentlich-rechtlichen Medien ist irreparabel beschädigt – auch und gerade bei denen, die sie eigentlich vertreten wollen. Der öffentlich inszenierte Regenbogenzirkus schade nicht nur dem Journalismus, sondern auch der Sache selbst.
Hallo @quarkswdr – als Schwuler wünsche ich mir, dass euer gegenderter Regenbogenzirkus endlich aufhört. Denn Dank euch wird eine ehemals bereits liberale Gesellschaft systematisch in die Reaktanz getrieben und damit auch gegen „Betroffene“ wie mich.
Meine Mitstreiter und ich… pic.twitter.com/82Pe0fe5kG
— David Domjahn (@domjahn) July 5, 2025
Er wirft den Sendern sogar Vorsatz vor. Sie wüssten ganz genau, dass ihre ideologische Dauerbeschallung Ablehnung provoziere – und täten es trotzdem. Weil sie sich im Besitz der Wahrheit wähnten. Weil sie sich für wichtiger hielten als jene, für die sie eigentlich senden sollten.
Wenn Propaganda den Widerstand organisiert
Es ist ein harter Vorwurf. Aber einer, der Wirkung zeigt. Denn Domjahn steht nicht allein. Sein Tweet wird tausendfach geteilt, selbst konservative Homosexuelle und viele Unbeteiligte nicken zustimmend. Sie fühlen sich nicht vertreten, sondern benutzt.
In seinem Ton liegt Wut. Aber keine blinde. Sondern eine, die aus Enttäuschung geboren wurde. Aus dem Gefühl, dass eine berechtigte Forderung – nach Anerkennung und Gleichberechtigung – gekapert wurde von Funktionären, Ideologen und Medienakteuren, die keinen Widerspruch dulden.
Domjahn wurde nach seinem Statement im Netz angegriffen und von Aktivisten beschimpft. Das ist leider kein Einzelfall. Wer sich nicht bedingungslos der Regenbogen-Agenda unterordnet, gilt schnell als Verräter – gerade dann, wenn er selbst zur „Zielgruppe“ gehört.
Diese Angriffe sagen viel über den Zustand unserer Debatten. Wer heute keine Pronomen angibt, gilt als Feind. Wer die Dauerpräsenz kritisiert, wird als reaktionär diffamiert – selbst wenn er genau der Gruppe angehört, in deren Namen heute alle sprechen – außer ihr selbst.
Reaktanz – nicht wegen der Sache, sondern wegen der Verpackung
Vielleicht ist das die bittere Ironie: Ausgerechnet jene, die einst für Freiheit und Gleichbehandlung gekämpft haben, werden heute von ihren selbsternannten Verbündeten entmündigt.
Weil sie nicht mitjubeln. Weil sie nicht jede Parole übernehmen.
Dabei gibt es einen Unterschied – einen gewaltigen – zwischen Aufklärung und Umerziehung. Zwischen Repräsentation und Zwang. Zwischen Diversität und Ideologie.
Domjahn hat das verstanden. Und spricht aus, was viele nur noch denken. Dass ausgerechnet die lautesten Fürsprecher einer Sache zu ihren wirksamsten Gegnern werden.
Ein Warnruf, der nicht von den üblichen Verdächtigen wie uns hier kommt. Sondern aus der Mitte. Von jemandem, der weiß, wovon er spricht. Und der sich nicht länger missbrauchen lassen will – für eine Show, die längst niemandem mehr nützt.
Domjahn wollte nur gleichbehandelt werden. Kein Plakat. Kein Podium. Kein Pronomen. Jetzt ist er ein Problem. Für genau jene, die behaupten, ihn zu schützen.
Was als Befreiung begann, endet als Dressur. Und wer sich nicht führen lässt, wird aussortiert – ganz gleich, wen er liebt.
Merz taumelt ins Kanzleramt – aber um welchen Preis? Das wahre Drama hinter dem zweiten Wahlgang
Geheim-Urteil gegen die AfD: Der Staat brandmarkt – aber die Begründung dafür verrät er uns nicht
CDU unterschreibt ihr Ende – Koalitionsvertrag macht sie endgültig zu rot-grünem Erfüllungsgehilfen
Bild: Screenshot X
Bitte beachten Sie die aktualisierten Kommentar-Regeln – nachzulesen hier. Insbesondere bitte ich darum, sachlich und zum jeweiligen Thema zu schreiben, und die Kommentarfunktion nicht für Pöbeleien gegen die Kommentar-Regeln zu missbrauchen. Solche Kommentare müssen wir leider löschen – um die Kommentarfunktion für die 99,9 Prozent konstruktiven Kommentatoren offen zu halten.
Mehr zum Thema auf reitschuster.de
Politik der Absurditäten: Von Karate-Kanzlern und Queer-Partnern
Ein verdutzter Blick in einen irren Politikbetrieb: Der Verfassungsschutz tanzt zur Queer-Bewegung, Habeck will soziale Netzwerke zügeln, Polen verspottet uns. Berlin im Stresstest – und die Woche verspricht neue Absurditäten.
Queer-Beauftragter der Regierung hetzt gegen besorgte Mutter
Stefanie Moers berichtete in einem offenen Brief von ihrer Lebenswirklichkeit als Mutter einer 18-jährigen Tochter. So viel Wahrheit auf einmal verträgt nicht jeder, am allerwenigsten der von der Ampel installierte Queer-Beauftragte Sven Lehmann. Von Kai Rebmann.
Kruder Kampf gegen rechts: Queerer Bestatter wirbt mit Antifa-Logo
Die von Politik, Medien und selbst von der Kirche befeuerten Proteste gegen die AfD finden immer mehr Anhänger. Besonders abstrus: Ein Berliner Bestattungsunternehmer bekennt sich offen zur linksextremistischen Szene. Von Daniel Weinmann.