Von Ekaterina Quehl
Können Sie sich vorstellen, dass in einem Land, das sich dem „Kampf gegen rechts“ hingegeben hat, einer großen Zahl junger Menschen ein grundlegendes Verständnis dessen fehlt, was Nationalsozialismus und Holocaust überhaupt bedeutet? In einem Land, in dem Politik, Medien und gefühlt der Großteil der Bevölkerung mit den Begriffen „Nazi“, „rechtsradikal“ und „FckAfD“ aufwachen und ins Bett gehen, in dem der „Kampf gegen rechts“ und „Nazis“ zur wichtigsten Lebensaufgabe geworden ist, die Mehrheit nicht weiß, was eigentlich dahinter steckt, was es bedeutet und welch einen historischen Maßstab diese Zeit hat?
Eine neue Studie der Claims Conference deckt erschreckende Wissenslücken bei jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren auf. Die Studie untersucht zwar das Wissen in mehreren Ländern, doch ich möchte besonders auf die Ergebnisse in Deutschland eingehen. Denn ausgerechnet in einem Land, das sich selbst aufgrund seiner Geschichte als Vorreiter der Aufklärung über den Holocaust und die Verbrechen des Nationalsozialismus betrachtet, sind die Ergebnisse äußerst beunruhigend.
Laut der Studie wissen 12 Prozent der 18- bis 29-Jährigen in Deutschland nicht, was der Holocaust ist. 40 Prozent der Jugendlichen wissen nicht, dass 6 Millionen Juden ermordet wurden. 18 Prozent der Befragten glauben, dass weniger als 2 Millionen Juden umgebracht wurden. Dabei ist eine umfassende Auseinandersetzung – von Vorlesungen über Workshops bis hin zu Besuchen von KZ-Gedenkstätten – mit den Verbrechen der Nationalsozialisten in Schulen vorgesehen und gehört zum Pflichtprogramm.
Ein 13-jähriger Junge, der mir sehr nah steht, erzählte mir, dass eine russischstämmige Vertretungslehrerin in seiner Klasse einmal fragte, ob die Schüler wissen, wer Hitler war und was er getan hat. Die Mehrheit der Schüler wusste das nicht. Sie wussten zwar, dass Hitler und der „Hitlergruß“ „ganz schlecht“ sind, konnten aber nicht erklären, warum. Dieses Beispiel ist leider kein Einzelfall und steht stellvertretend für einen großen Teil einer Generation. Und die Frage, die dabei entsteht: Wie passt es zusammen, dass in einem Land, in dem der „Kampf gegen Nazis“ allgegenwärtig ist, ein erheblicher Teil der Jugend oft nur ein oberflächliches Verständnis vom Holocaust hat?
Das liegt unter anderem daran, dass die systematische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Verbrechen im Schulunterricht oft erst mit etwa 14 Jahren beginnt. Politische Narrative werden den Schülern jedoch bereits in der Grundschule vermittelt. Sie wissen zwar genau, dass „Nazis“ und „AfD“ „schlecht“ sind, wissen aber nicht, warum. Zudem verwenden sie beide Begriffe oft in einem Satz. Es scheint, als ob in Schulen kein nachhaltiges Wissen über die Verbrechen des Nationalsozialismus vermittelt und stattdessen für den „Kampf gegen rechts“ mobilisiert wird. Dies kann dazu führen, dass der Holocaust nicht mehr als grausames historisches Ereignis wahrgenommen wird, sondern vielmehr in den Hintergrund gerät. Je mehr sich die Politik auf den „Kampf gegen rechts“, Parolen wie „AfD wählen ist so 1933“, Demos gegen Rechtsruck, Lichtermeer gegen rechts und anderen Maßnahmen der Symbolpolitik konzentriert, desto stärker werden die historischen Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert.
Diese Entwicklung wirft die Frage auf, inwiefern die Erinnerungskultur noch ernst gemeint, ja erwünscht ist. Wenn Begriffe wie „Nazi“ oder „rechts“ inflationär gebraucht werden, ohne dass ein tiefes Verständnis des Nationalsozialismus besonders bei jungen Generationen besteht, verliert die Gesellschaft zunehmend die Fähigkeit, die wahre Tragweite dieser Verbrechen zu begreifen. Die Kombination aus fehlendem Wissen und blindem Aktionismus ist toxisch: Sie schafft keine Aufklärung, sondern nur Oberflächlichkeit, moralische Selbstgefälligkeit und Aggression gegen Andersdenkende. Der Begriff „Rechtsruck“ wird häufig instrumentalisiert, um Kritiker zum Schweigen zu bringen. Ja, es gibt reale Probleme mit dem Rechtsextremismus – wie in jeder Gesellschaft. Die Frage ist aber, ob diese wirklich die Dimensionen haben, die der Gesellschaft suggeriert wird. Oder ob das Thema übertrieben aufgebauscht wird, um den Fokus auf den sogenannten „Rechtsruck“ zu richten. Das würde von den Herausforderungen ablenken, die ein ideologischer Linksruck mit sich bringt, wie Polarisierung, gesellschaftliche Spaltung oder die Einschränkung des Diskurses.
Anstatt die Lehren aus der Geschichte zu bewahren, wird die Erinnerung verzerrt und in den Dienst der aktuellen politischen Agenda gestellt.
„Unwissenheit ist Stärke“, schrieb Orwell in seinem Roman 1984. Diesen Ansatz erklärt er durch die gezielte Manipulation der Realität: Indem Wissen verfälscht, ausgelöscht oder ersetzt wird, verlieren Menschen die Fähigkeit, kritisch zu denken und die Wahrheit zu hinterfragen. Wenn Begriffe wie „Nazi“ oder „rechts“ beliebig eingesetzt werden, ohne dass historische Hintergründe vermittelt werden, entsteht ein verzerrtes Bild, das nicht nur die Vergangenheit entwertet, sondern auch die Gegenwart manipuliert. Eine solche Gesellschaft wird anfällig für Manipulationen und Steuerung mit Ideologie, weil sie die Grundlagen, auf denen sie stehen sollte, nicht mehr zu erkennen fähig ist.
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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Ekaterina Quehl ist gebürtige St. Petersburgerin, russische Jüdin und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland. Pioniergruß, Schuluniform und Samisdat-Bücher gehörten zu ihrem Leben wie Perestroika und Lebensmittelmarken. Ihre Affinität zur deutschen Sprache hat sie bereits als Schulkind entwickelt. Aus dieser heraus weigert sie sich hartnäckig, zu gendern. Sie arbeitet für reitschuster.de.
Bild: Ryan Nash Photography / Shutterstock
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