Nun gilt es als wahrscheinlich, dass es am kommenden Dienstag im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit geben wird, die für eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes erforderlich ist. Allerdings muss diese anschließend auch noch im Bundesrat zustande kommen.
Karlsruhe verwirft mehrere Anträge
Das Bundesverfassungsgericht gab zugleich grünes Licht für die Entscheidung noch durch den alten Bundestag. Es verwarf mehrere Anträge unter anderem von AfD und Linke als unbegründet, die dessen Einberufung verhindern wollten. Die Wahlperiode des alten Bundestages ende nach Artikel 39 Grundgesetz erst durch das Zusammentreten des neuen Bundestages. „Bis dahin ist der alte Bundestag in seinen Handlungsmöglichkeiten nicht beschränkt.“ Allerdings sind noch weitere Verfahren in Karlsruhe anhängig.
Verhandlungen der Fraktionsspitzen bis in den Morgen
Die Verhandlungen der Fraktionsspitzen hatten nach Angaben von Teilnehmern am Donnerstagabend begonnen und dauerten bis etwa 5 Uhr morgens. „Es waren anspruchsvolle und anständige Gespräche“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Am Nachmittag wurden die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Grünen informiert. Die Unionsfraktion stimmte nach Angaben ihres Vorsitzenden Friedrich Merz (CDU) einstimmig zu. Am Sonntag wird sich der Haushaltsausschuss des Bundestages abschließend mit dem Gesetzgebungsverfahren befassen.
Merz lobt Ergebnisse der Verhandlungen
Er sei mit dem Ergebnis „sehr zufrieden“, sagte Merz. Mit Blick auf anstehende Entscheidungen in der EU und der Nato betonte er: „Deutschland ist zurück. Deutschland leistet seinen großen Beitrag zur Verteidigung der Freiheit und des Friedens in Europa.“
Klingbeil sieht kraftvollen Anschub für Deutschland
Als „kraftvollen Anschub für Deutschland“ wertete SPD-Partei- und Fraktionschef Lars Klingbeil das enorme schuldenfinanzierte Investitionspaket. „Es hat das Potenzial, unser Land für die nächsten Jahre, vielleicht Jahrzehnte nach vorne zu bringen“, sagte er laut einer Mitteilung der SPD-Fraktion.
„Das macht unser Land stärker“, betonte Klingbeil später in einem Statement. Allerdings entbinde das Union und SPD in den Koalitionsverhandlungen nicht davon zu schauen, wo man Deutschland effektiver machen könne, wo man einsparen könne. „Ich erwarte, dass in den Koalitionsverhandlungen sich niemand zurücklehnt und sagt: Wir müssen nichts mehr machen.“
Grüne begrüßen Milliarden für Klimaschutz
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge begrüßte, dass nun 100 der 500 Milliarden Euro für Infrastruktur-Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen fließen sollen. „Diese 100 Milliarden Euro werden an der Stelle einen Unterschied machen.“ Sie und ihre Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann hätten es in den Verhandlungen mit CDU, CSU und SPD geschafft, „dass das Geld in die richtige Richtung gelenkt wird“.
Merz hatte am Vortag im Bundestag nur 50 Milliarden Euro aus dem Investitionspaket für den Klima- und Transformationsfonds angeboten. „Was wollen Sie noch mehr?“, fragte er in Richtung der Grünen.
So schauen die gefundenen Kompromisse aus:
– Die Schuldenbremse wird gelockert – und zwar nicht nur für Verteidigungsausgaben, sondern auf Druck der Grünen auch für Ausgaben in Cybersicherheit, Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie Nachrichtendienste und die Unterstützung für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten. Alle Ausgaben, die ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigen, können damit aus Krediten finanziert werden. Nach oben hin gibt es keine Grenze.
– Für Investitionen in die Infrastruktur wird ein Sondertopf eingerichtet, der im Grundgesetz von der Schuldenbremse ausgenommen und mit Krediten von bis zu 500 Milliarden Euro gefüttert wird. 100 Milliarden davon gehen an die Länder. Weitere 100 Milliarden werden auf Druck der Grünen fest für Klimaschutz und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft vorgesehen. Der Sondertopf soll für zwölf Jahre zur Verfügung stehen.
– Ebenfalls auf Druck der Grünen wurde laut Merz festgelegt, dass aus den Infrastruktur-Milliarden zusätzliche und nicht bereits geplante Vorhaben finanziert werden. Die Grünen hatten befürchtet, dass Union und SPD das Geld nutzen könnten, um Ausgaben auszulagern und so im Kernhaushalt Platz zu machen für Wahlgeschenke wie die Mütterrente oder geringere Steuern für die Gastronomie.
– Merz sagte, er gehe davon aus, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nun auch die bereits lange geforderten zusätzlichen Rüstungshilfen von drei Milliarden Euro für die von Russland angegriffene Ukraine freigeben werde. Es habe entsprechende Signale aus dem Kanzleramt gegeben. Um dieses Hilfspaket und die Frage, wie es finanziert werden sollte, hatte es vor der Bundestagswahl lange Auseinandersetzungen gegeben.
Die Zeit drängt
Im neuen Parlament, das sich am 25. März konstituiert, haben Union, SPD und Grüne nicht mehr die nötige Zweidrittelmehrheit, die für eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich ist. Deshalb drängt die Zeit, um das Finanzpaket noch mit dem alten Bundestag verabschieden zu können.
Zahlreiche Treffen im Fünfer-Kreis
Immer wieder hatten sich Merz, Dobrindt, Klingbeil sowie Haßelmann und Dröge zu vertraulichen Runden getroffen, um nach Lösungen zu suchen. Der Ärger der Grünen über die Attacken vor allem der CSU wie zuletzt beim politischen Aschermittwoch spielte laut Merz keine Rolle mehr. „Aschermittwoch ist Aschermittwoch. Und ab Donnerstag haben wir wieder alle vernünftig miteinander geredet.“
Merz rechnet mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag
Der mögliche künftige Kanzler Merz rechnet nun fest damit, dass es im Bundestag die nötige Mehrheit für die Änderung des Grundgesetzes geben wird. „Ich gehe mal davon aus, dass wir die Zweidrittelmehrheit gut erreichen“, sagte er. Für die Sitzung des Bundestages am kommenden Dienstag müsse jede Fraktion für Präsenz ihrer Abgeordneten werben, sagte Merz. Er ergänzte mit Blick auf die Union: „Ich gehe fest davon aus, dass wir eine volle Präsenz haben werden.“
Union, SPD und Grüne hätte zusammen 31 Abgeordnete mehr als für die Zweidrittelmehrheit erforderlich sei. „Von daher haben wir auch in bisschen – wenn Sie so wollen – Puffer für Krankheitsfälle.“
Allerdings: Über die Grundgesetzänderung soll ja noch der alte Bundestag entscheiden, aus dem viele Abgeordnete von Union, SPD und Grünen ausscheiden aus dem Bundestag. Sie könnten sich deshalb weniger an die übliche Fraktionsdisziplin gebunden fühlen als sonst.
Zweidrittelmehrheit auch im Bundesrat nötig
Am kommenden Freitag könnte dann auch der Bundesrat entscheiden – hier ist ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit nötig. Auch diese ist noch nicht sicher. Allerdings dürfte der Kompromiss mit der Grünen-Bundestagsfraktion auch den Landesregierungen mit Grünen-Beteiligung in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bremen eine Zustimmung leichter machen.
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Author: [email protected]