Depressionen werden nicht nur in Deutschland immer häufiger diagnostiziert und medikamentös behandelt. So wird im „Gesundheitsatlas Deutschland“ des wissenschaftlichen Institutes der AOK (WIdO) aus dem Jahr 2024 für den Zeitraum von 2017 bis 2022 berichtet:
„Die Häufigkeit von ärztlich dokumentierten Depressionen in der Bevölkerung Deutschlands ist in den Jahren 2017 bis 2022 angestiegen. Nach Alters- und Geschlechtsstandardisierung lag der Anteil der von Depressionen betroffenen … Einwohner im Jahr 2017 bei 11,8 Prozent und damit im Vergleich zum Jahr 2022 mit 12,5 Prozent niedriger …“ (WIdO 2024: 43).
Im Jahr 2022 wurden, so heißt es im Bericht,
„[b]ei insgesamt 9,49 Millionen Menschen in Deutschland … eine Depression diagnostiziert. Das entspricht einem Anteil (Prävalenz) von 12,5 Prozent in der Bevölkerung bzw. jeder achten Person unter allen … Einwohnern … Die Relevanz der Erkrankungen zeigt sich auch bei den volkswirtschaftlichen Kosten: Nach der letzten vorliegenden Krankheitskostenstatistik entfielen 9,5 Milliarden Euro auf Depressionen. Dies entspricht 2,2 Prozent aller Krankheitskosten. Somit haben Depressionen aus der Kostenperspektive eine größere Bedeutung als Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz oder Asthma“ (WIdO 2024: 7; Hervorhebung d.d.A.).
Dagnostiziert werden Depressionen mit Hilfe standardisierter Tests. Im internationalen Kontext dürfte der am häufigsten verwendete Depressionstest die Hamilton Depression Rating Scale (HAMD) bzw. – in deutscher Sprache – die Hamilton-Depressionsskala sein.
Obwohl man diese Tests als Selbsttest machen kann und es auch Tests gibt, die als Selbsttest konzipiert sind, kann die Selbstdiagnose ggf. nur als Hinweis auf das Vorhandensein einer Depression angesehen werden, wenn es um eine Medikamentierung zur Bekämfung von Depression geht. Für sie, d.h. die Medikamentierung, ist das Mindestkriterium (mindestens) ein Fremdbeobachtungstest unter ärztlicher Aufsicht, wobei der Arzt weitere Indikatoren für eine Depression, wie sie z.B. im Gespräch zwischen Arzt und Patient anfallen können, in Rechnung stellen soll.
Dem Arzneimittelatlas des IGES-Institutes kann man entnehmen, dass im Zeitraum von 2012 bis 2022 die ärztlichen Verordnungen von Mitteln zur Behandlung von Depressionen um über 30 Prozent „auf zuletzt rund 1,7 Milliarden Tagesdosen“ gestiegen sind – eine Zahl, die wohl für sich selbst spricht.
Im Jahr 2023 waren selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), zu denen Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Vilazodon u.a. gehören, die am häufigsten verwendeten Antidepressiva. Die folgenden möglichen Nebenwirkungen werden im MSD Manual (in der Ausgabe für Patienten) angegeben als
„Sexuelle Funktionsstörungen (vor allem verzögerter Orgasmus, aber auch Verlust des Sexualtriebs und erektile Dysfunktion bei manchen Patienten), Übelkeit, Durchfall, Kopfschmerzen, Gewichtsabnahme (kurzfristig), Gewichtszunahme (langfristig), Entzugssyndrom, Vergesslichkeit, Gefühlsabstumpfung und Neigung zu Blutergüssen“.
Nebenwirkungen wie diese, unerfüllte Erwartungen an die Behandlung, das Unwohlsein, das Patienten haben können angesichts der Tatsache, dass medikamentös in ihre Körperfunktionen – in aller Regel betrifft dies eine Erhöhung der intrasynaptischen Serotonin- und/oder Noradrenalin-Konzentration im synaptischen Spalt – eingegriffen wird (s. hierzu du Plessis et al. 2024), können den Wunsch nach einer Absetzung des jeweils verschriebenen Medikamentes hervorrufen und dazu führen, dass es – mit oder ohne Wissen des behandelnden Arztes – zur Absetzung des Medikamentes noch vor Abschluss der sogenannten Erhaltungstherapie kommt, die auf die Akuttherapie, die gewöhnlich vier bis acht Wochen dauert, folgt, und dies bedeutet gemäß des gängigen Therapiekonzeptes bei Depression: noch bevor der Zustand des Patienten so weit stabilisiert ist, dass die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls als, wenn nicht ausgeschlossen, so doch weitgehend minimiert angesehen werden kann.
Dies kann zu Rückfällen führen – und sei es „nur“ wegen oder anläßlich der einsetzenden Beschwerden, denen sich jeder Zweite bis Dritte beim Absetzen von Antidepressiva ausgesetzt sieht (Davies & Read 2019). Vor diesem Hintergrund wäre es wünschenswert, alternative Mittel zur Verfügung zu haben, die gegen Depression wirken, aber nicht die – teilweise schwerwiegenden – Nebenwirkungen aufweisen, die Antidepressiva während der Einnahme und während oder nach ihrer Absetzung haben (s. hierzu Davies & Read 2019; Haddad & Anderson 2007).
Hier kommen sogenannte Nutrazeutika, englisch: nutraceuticals, ins Spiel. Der Begriff „nutraceutical“ wurde im Jahr 1989 von dem amerikanischen Arzt (italienischer Abstammung) Stephen L. DeFelice eingeführt, der im Jahr 1976 die „Foundation of Innovative Medicine“ gegründet hatte. Es handelt sich bei dem Begriff „nutraceutical“ um eine Zusammenziehung der beiden Begriffe „nutrition“, d.h. Ernährung, und „pharmaceutical“, d.h. pharmazeutisch bzw. Heil-/Arzneimittel betreffend, womit bereits angezeigt ist, was mit „nutraceutical“ bezeichnet werden soll, nämlich Komponenten in/von Lebensmitteln oder Pflanzen, von denen man sich (ggf. neben einer nährenden) eine therapeutische Wirkung verspricht. Ein Beispiel für ein Nutrazeutikum ist Curcumin, ein Polyphenol aus dem Rhizom der Kurkuma-Pflanze, einer Pflanze aus der Familie der Ingwergewürze, über das wir auf Sciencefiles bereits berichtet haben.
Eine international anerkannte Definition des Begriffes gibt es jedoch bis heute nicht, so dass es schwierig ist, den Begriff von anderen, verwandten Begriffen wie z.B. dem Begriff „funktionelle Lebensmittel“ abzugrenzen. So bezeichnen manche als „Nutrazeutika“ neben Nahrungsergänzungsmitteln traditionell als gesund geltende Lebensmittel wie z.B. Sauerkraut und alle möglichen pflanzlichen Heilmittel, während andere eine so weite Definition nicht nützlich finden und den Begriff (wie oben) enger fassen und auf bestimmte Komponenten von in/von Lebensmitteln oder Pflanzen beschränken. Es macht z.B. offenbar mehr Sinn, statt Bakterien als solche nur bestimmte Bakterien, nämlich solche, die für den menschlichen Körper nützlich sind, wie z.B. lactobacilli, die zu den Probiotika zählen, als Nutrazeutika zu bezeichnen.
Defelice selbst, der den Begriff eingeführt hat, hat ein „nutraceutical“ definiert als
„“… ein Lebensmittel oder Teil eines Lebensmittels, wie z.B. ein Nahrungsergänzungsmittel, das einen medizinischen oder gesundheitlichen Nutzen hat, einschließlich der Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten“ (Defelice 2011, zitiert nach Aronson 2017:13).
Im Original:
“ … a food or part of a food, such as a dietary supplement, that has a medical or health benefit, including the prevention and treatment of disease“ (Defelice 2011, zitiert nach Aronson 2017:13).
Während es in unserer Welt der globalen Verwaltung, organisiert durch supra- oder internationale ebenso wie nationale Organisationen und Aufsichtsbehörden, von zentraler Bedeutung ist, auf der Basis einheitlicher Definitionen zu klassifizieren, steht für real existierende Menschen, die irgendwelche körperlichen oder mentalen Leiden erfahren, aber nicht die Frage im Vordergrund, ob sie Nahrungsergänzungsmittel, funktionelle Lebensmittel oder Nutrazeutika zu sich nehmen sollten, sondern vielmehr die Frage: welche Lebensmittel oder Komponenten von Lebensmitteln können mir – alternativ zu von der Pharmaindustrie entwickelten und mit einer Reihe von negativen Nebenwirkungen oder Gefahren behafteten Arzneimitteln – Linderung meiner Leiden verschaffen?
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Wollte man Defelice folgen, dann wäre die Antwort auf diese Frage mehr oder weniger negativ. Defelice hat auf der Basis seines Wissensstands im Jahr 2016 in einem Vortrag gesagt:
„In den letzten zehn Jahren wurden viele Studien zu Nahrungsergänzungsmitteln und Diäten veröffentlicht … und die meisten von ihnen haben bewiesen, dass diese Dinge nicht funktionieren. … Die Ergebnisse klinischer Studien haben gezeigt, dass sie nicht funktionieren. Vielleicht funktionieren sie. Aber die Studien sind möglicherweise nicht richtig entworfen worden. … Liegt das an schlecht entworfenen klinischen Studien? Vielleicht. Liegt es daran, dass sie nicht funktionieren? Ich habe damit Probleme. Aber ich sage ‚vielleicht‘. Ich muss intellektuell ehrlich sein. Wissen Sie, ich kann nicht für etwas eintreten, an das ich glaube, wenn der Beweis nicht da ist’“ (Defelice 2016, zitiert nach Aronson 2017: 17).
Im Original:
„Within the past decade, the past ten years, many studies now have been published on dietary supplements and diets … and most of them have proven that these things do not work. … The results of clinical studies have shown that they do not work. They may work. But the studies may not have been designed properly. … Now, is it due to poorly designed clinical trials? Perhaps. Is it due to the fact that they don’t work? I have problems with that. But I will say ‚perhaps‘. I have to be intellectually honest. You know, I can’t be an advocate of something I believe in when the proof’s not there’“ (Defelice 2016, zitiert nach Aronson 2017: 17).
Diese Haltung von Defelice ist ehrbar, aber sie basiert auf seinem Wissensstand aus dem Jahr 2016. Und bereits damals war seine Einschätzung in dieser Allgemeinheit formuliert falsch. Aber natürlich ist Wissenschaft ein kumulatives Unterfangen. Das bedeutet, dass ein wissenschaftlich informiertes Urteil auf der Zusammenschau gut gemachter, d.h. methodisch möglichst optimaler Studien basieren muss, die einen bestimmten Zusammenhang untersucht haben und im Studiendesign möglichst miteinander vergleichbar sind. Denn eine Einzelstudie hier und eine Einzelstudie da kann meistens (je nach Fragestellung und Reichweite der getesteten Hypothese) keine verlässliche Antwort auf die Frage nach dem Bestehen eines Zusammenhangs in der Realität geben. Auch heute noch und erst Recht im Jahr 2016 mangelt/-e es häufig an miteinander vergleichbaren randomisierten Kontrollstudien, die als Königsweg der Untersuchung der Wirkungen von pharmazeutischen Eingriffen gelten. Aber die Forschungslage verbessert sich zumindest in bestimmten Bereichen und mit Bezug auf bestimmte Zusammenhänge stetig, und manchmal ist es bereits möglich, eine sinnvolle Zusammenschau vorliegender Studien zu bestimmten Zusammenhängen vorzunehmen, wie sie typischerweise in systematischen Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen geleistet wird.
In einem gerade erschienenen Aufsatz in der Fachzeitschrift „Psychological Medicine“ haben sechs Forscher, die an taiwanesischen Universitäten bzw. Universitätskliniken tätig sind, (Chen et al. 2025) eine solche Arbeit mit Bezug auf die Wirkung einer Reihe von Nutrazeutika zur Reduktion von Depressionen vorgelegt. Dabei haben die Autoren eine relativ weite Definition „Nutrazeutika“ zugrundegelegt:
„Nutrazeutika wurden definiert als jedes Nahrungsergänzungsmittel mit [vermuteten] vorteilhaften Wirkungen auf depressive Symptome, das der Standardpflege hinzugefügt wird, unabhängig von ihrer Dosierung und pharmazeutischen Form, allein oder in Kombination, z. B. Vitamine, Mineralstoffe, Kräuter (z. B. Fettsäuren, Aminosäuren, Probiotika, Johanniskraut (SJW) und Curcumin)“ (Chen et al. 2025: 2).
Im Original:
„Nutraceuticals were defined as any nutritional supplement with beneficial effects on depressive symptoms, being added to standard care, regardless of their dosage and pharmaceutical form, alone or in combination, for example, vitamins, minerals, herbs (i.e. fatty acids, amino acids, probiotics, Saint John’s Wort (SJW) and curcumin)“ (Chen et al. 2025: 2).
Chen et al. haben eine umfassende Literaturrecherche durchgeführt, um randomisierte Kontrollstudien mit erwachsene Patienten zu finden, bei denen Depressionen diagnostiziert wurden und die mit Antidepressiva und/oder mit mindestens einem Nutrazeutikum behandelt wurden. Die interessierende Zielvariable war jeweils eine Veränderung der depressiven Zustände der Patienten. Studien wurden u.a. dann ausgeschlossen, wenn sie sich mit Rückfallprävention beschäftigten oder wenn in ihnen die Wirkungen von Behandungsunterbrechungen untersucht wurden oder wenn die Randomisierung der Untersuchungsgruppen unvollständig war (s. Chen et al. 2025: 2).
Von insgesamt 30.063 im Prinzip für die Untersuchung relevanten Studien verblieben nach Abschluss eines mehrstufigen Sichtungsverfahrens (s. Figure 1 in Chen et al. 2025: 4) 192 randomisierte Kontrollstudien, die in die Analyse eingingen. Diese Studien waren im Zeitraum zwischen 1971 bis 2024 durchgeführt und umfassten insgesamt 17.437 Depressions-Patienten, wobei im Mittel 42,22 Patienten pro Studie (bei einer Standardabweichung von 39,42) teilnahmen, die ein mittleres Alter von 43.68 Jahren hatten. Die 192 ausgewählten Studien involvierten insgesamt 44 verschiedene Nutrazeutika, und in 85 von ihnen war eine Kontrollgruppe enthalten, die ein Placebo erhielt; in den restlichen wurde die Wirkung von Antidepressiva mit der Wirkung von einem oder mehreren Nutrazeutika verglichen, oder es wurden die Wirkungen verschiedener Nutrazeutika miteinander verglichen, oder es wurde die Wikung von Antidepressiva mit und ohne zusätzlicher Gabe von Nutrazeutika verglichen (s. chen et al. 2025: 3).
Ziel der Analyse war es, möglichst alle Mittel, die in diesen Studien verwendet wurden, miteinander zu vergleichen. Ein direkter Vergleich mancher Mittel mit manchen anderen ist aber nicht möglich. Beispielsweise waren unter den 192 ausgewählten Studien solche, die die Wirkung der Gabe von Vitamin C mit derjenigen eines Placebos verglichen, und solche, die die Wirkung der Gabe von echtem Johanniskraut (Hypericum perforatum oder englisch: St. John’s Wort) mit derjenigen eines Placebos verglichen, aber keine Studie, die die Wirkung von Vitamin C im Vergleich zu echtem Johanniskraut untersucht hat. Ein direkter Vergleich von Vitamin C und echtem Johanniskraut auf ihre Wirkungen auf Depressionen hin ist also (bis auf Weiteres) nicht möglich. Es ist aber möglich, einen indirekten Vergleich zwischen Vitamin C und echtem Johanniskraut vorzunehmen, eben weil es Studien gibt, die die Wirkungen von Vitamin C und echtem Johanniskraut mit jeweils anderen Mitteln untersucht haben. Eine Zusammenschau von Studien, die direkte und indirekte Vergleiche ermöglichen, erfolgt durch eine Netzwerk-Metaanalyse, und eine solche haben die Autoren durchgeführt.
Die der Netzwerk-Metanalyse zugrundeliegende Logik ist die der indirekten Schlussfolgerung, die anschaulich von Dias und Caldwell (2019: F8) wie folgt beschrieben wird:
„… Betrachten wir drei Freunde, Anne, Ben und Charles. Wenn wir wissen, dass Ben 7 cm größer ist als Anne und dass Charles 10 cm größer ist als Anne, dann wissen wir, dass Charles 3 cm größer ist als Ben und daher der Größte. Wir können die Freunde auch in Bezug darauf einstufen, wer am größten ist: 1=Charles, 2=Ben, 3= Anne. Indem wir Annes Größe als Referenz nehmen und die Größen der anderen im Vergleich zu ihrer messen, wissen wir also, wie sich die Größen von allen zueinander verhalten und wie man die Freunde nach Größe ordnet. Die einzige Annahme ist, dass die gemessenen Größen ein genaues Spiegelbild der wahren Größen der drei Freunde sind …“.
Im Original:
„… consider three friends, Anne, Ben and Charles. If we know that Ben is 7 cm taller than Anne, and that Charles is 10 cm taller than Anne, then we know that Charles is 3 cm taller than Ben, and is therefore the tallest. We can also rank the friends in terms of who is tallest as 1=Charles, 2=Ben, 3= Anne. So, by taking Anne’s height as reference and measuring the heights of the others compared to hers, we know how everybody’s height compares to each other and how to order the friends by height. The only assumption being made is that the heights we measured are an accurate reflection of the true heights of the three friends …“.
D.h. in unserem Zusammenhang: dass die Wirkungen der verschiedenen Mittel in den verschiedenen Studien hinreichend verlässlich gemessen wurden. Um dies sicherzustellen, führen die Autoren eine Reihe von Tests durch, inklusive Tests auf die Gefahr von Verzerrungseffekten (s. Chen et al. 2025: 2). Es heißt aber auch: dass das Vorhandensein bzw. die Intensität von Depressionen bei den Patienten zuverlässig gemessen wurde, und was das betrifft, so haben 118 der 192 Studien längere oder kürzere Varianten derselben Depressionsskala, nämlich der Hamilton Depressionsskala (HAMD), verwendet, und die verbleibenden Studien haben andere standardisierte Depressionsskalen verwendet, die untereinander und der HAMD hinsichtlich der psychometrischen Eigenschaften gut vergleichbar sind, so dass die Autoren die auf den anderen Skalen erreichten Testwerte in Testwerte auf der Hamilton-Depressionsskala umrechnen konnten.
Man kann sich vorstellen, dass es angesichts der Vielzahl der verschiedenen Mittel, die in den 192 ausgewählten Studien verwendet wurden, eine große Anzahl von Vergleichen zwischen Mitteln gibt, die nicht direkt verfügbar sind, sondern auf der Basis der verfügbaren direkten Vergleiche erschlossen werden müssen wie im obigen Beispiel von den drei Freunden – aber eben aufgrund der vorliegenden Vergleich auch erschlossen werden können.
Das Netzwerk, das sich ergibt, wenn man alle Zusammenhänge zwischen allen Mitteln, die in den Studien verwendet wurden, in einem Diagramm zusammenstellt, ist deshalb nicht vollständig in sich geschlossen, sondern hat eine Reihe von losen Enden oder besser: Größen, die nicht durch einen Strang verbunden sind, so z.B. Vitamin D und echtes Johanniskraut, Vitamin D und Safran und Curcumin und Probiotika. Aber alle Nurtozeutika hatten eine direkte Verbindung zu Antidepressiva oder zu einem Placebo.
Für Größen, die direkt miteinander verbunden werden können, weil es Studien gibt, die ihre Wirkung auf Depressionen direkt miteinander verglichen haben, ist zu berücksichtigen, dass sie unterschiedlich dick sein können, wobei ein Strang umso dicker ist, je mehr Studien die durch ihn verbundenen Größen direkt getestet haben. Ein Strang, der bloß zustandekommt, weil es eine Studie gibt, die die beiden durch ihn verbundenen Größen miteinander verglichen haben, ist weniger belastbar als ein Strang, der zwei Größen miteinander verbindet, die in mehreren Studien miteinander verglichen wurden. Gleichzeitig kann man einem Netzwerk-Diagramm durch die Dicke der Punkte, die für ein bestimmtes Mittel stehen, anzeigen, wie häufig dieses Mitteln in den berücksichtigten Studien insgesamt getestet wurde.
Wie man sieht sind es in der Studie von Chen et al. Antidepressiva, die insgesamt am häufigsten getestet wurde, gefolgt, von Placebos und echtem Johanniskraut. Die dicksten Stränge im Netzwerk-Diagramm sind diejenigen, die Antidepressiva mit echtem Johanniskraut verbinden und Placebos mit echtem Johanniskraut verbindent: jeweils 18 der 192 Studien haben jeweils beides direkt miteinander verglichen. Die Mehrheit der Stränge ist jedoch dünn; die meisten Vergleiche zwischen in den 192 Studien getesteten Mittel können sich nur auf eine einzige Studie stützen.
Diese Informationen sind wichtig, wenn man die Ergebnisse der Zusammenhangsanalyse angemessen interpretieren möchte, die die Stärke der Wirkung, auch Effektstärke genannt, der verschiedenen verwendeten Mittel auf die Zielvariable, hier: die Schwere von Depressionen, abbilden. Sie wird ausgedrückt durch die standardisierte mittlere Veränderung (SMD) in den Testwerten, die auf der Hamilton Depresionsskala durch Verabreichung des jeweiligen Mittels erreicht wird. Die von Chen et al. erzielten Ergebnisse stellen die Autoren in einem sogenannten „forest plot“ oder „Walddiagramm“ dar. Um die Interpretation der Ergebnisse, die in diesem Diagramm zusammengestellt sind, einfacher nachvollziehbar zu machen, betrachten wir zunächst beispielhaft nur das Ergebnis für die Wirkung von Curcumin, und zwar speziell bei schwerer Depression:
Quelle: Chen et al. 2025, Supplementary Material, S. 264, 13.19-B: Forst Plot for only Curcumin)In der linken Spalte der Abbildung sind die Interventionen aufgelistet, deren Wirkung bei schwerer Depression mit derjenigen eines Placebos – das in der ersten Zeile der ersten Spalte genannt ist – verglichen werden; das sind Antidepressiva (ADT), Curcumin, Curcumin zusammen mit Safran und einem Antidepressivum und Curcumin zusammen mit Antidepressivum.
In der Spalte, die mit „SMD“ überschrieben ist, sind – wie oben schon gesagt – die Werte abgebildet, die die standardisierte mittlere Veränderung in den Testwerten abbilden, die auf der Hamilton Depresionsskala durch Verabreichung des jeweiligen Mittels erreicht wird, wobei positive Werte eine Verbesserung der Symptome bei schwerer Depression gegenüber der Gabe eines Placebos abbilden, negative eine Verschlechterung. Dementsprechend kann man der Abbildung entnehmen, dass keine der Interventionen, die in der ersten Spalte genannt sind, schlechter abschneidet als die Gabe eines Placebos, denn keine der Interventionen weist einen negativen Wert auf. Weiterhin kann man der Abbildung entnehmen, dass die Gabe von Curcumin zusammen mit einem Antidepressivum (mit SMD = 1.02) die besten Ergebnisse aller Interventionen, die hier zusammengestellt sind, zeigt: Die Gabe von Curcumin zusammen mit einem Antidepressivum erzielt eine höhere Wirkung als die Gabe von Curcumin zusammen mit Safran und einem Antidepressivum, die wieder eine bessere Wirkung erzielt als die Gabe von Curcumin allein, die ihrerseits eine bessere Wirkung erzielt als die Gabe eines Antidepressivums allein, die aber immer noch eine moderate Verbesserung (mit SMD = 0,48) der Symptome im Vergleich zur Gabe eines Placebos bringt.
Allerdings kann man die ausgewiesenen SMD-Werte nur angemessen würdigen, wenn man sie im Zusammenhang mit ihrem jeweiligen 95%-Vertrauensintervall betrachtet, denn die ausgewiesenen SMD-Werte sind zwar die beste Schätzung für Stärke und Richtung der Wirkung der Interventionen im Vergleich zur Gabe eines Placebos, aber jeder Schätzung wohnt eine Unsicherheit inne. Konfidenzintervalle tragen dem Rechnung, indem sie den Wertebereich angeben, innerhalb dessen der tatsächliche Effekt der Intervention mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit liegt. In der Abbildung sind in der letzten Spalte unter der Überschrift „95%-CI“ die Wertebereiche angegeben, in denen der tatsächliche Effekt der jeweiligen Intervention mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% liegt. Je enger dieser Wertebereich ist, desto besser, denn in diesem Fall kann man sagen, dass der geschätzte SMD-Wert eine ziemlich präzise Schätzung ist. Ein breites Konfidenzintervall läßt hingegen einigen Spielraum für die Ausprägung des tatsächlichen Effektes, und wenn die Null im Vertrauensbereich enthalten ist, sagt einem das, dass der geschätzte SMD-Wert nicht statistisch signifikant ist bzw. eine vergleichsweise unzuverlässige Schätzung darstellt und der tatsächliche Effekt positive oder negativ sein kann, weshalb man auf ein solches Ergebnis besser keine Intervention an Patienten gründen sollte.
Darüber hinaus sind die im Diagramm dargestellten Interventionen nicht alle gleichermaßen gut durch Studien geprüft: Sieben Studien haben Interventionen allein mit Antidepressiva mit Interventionen verglichen, in denen Antidepressiva und Curcumin gegeben wurden, aber jeweils nur eine Studie hat die Gabe von Antidepressiva (allein) mit der Gabe von Curcumin (allein) verglichen, und Gleiches gilt für die anderen Interventionen in der Abbildung (s. Chen et al. 2025, Supplementary Materials, S. 263, 13.19-A. Network plot for only curcumin).
Man muss daher sagen, dass schwere Depressionen weder durch Antidepressiva allein noch durch Curcumin allein oder in Kombination mit Antidepressiva – mit oder ohne zusätzliche Gabe von Safran – erfolgreich und zuverlässig behandelt werden können.
Die Linien und Quadrate in der Mitte der Abbildung sind lediglich die graphische Darstellung dessen, was durch die SMD-Werte und die Konfidenzintervalle ausgedrückt wird: Die Quadrate bilden die SMD-Werte ab, die Linien, die durch sie hindurchgehen, die Konfidenzintervalle. Manche Menschen ziehen die graphische Darstellung der Durchsicht der gedruckten Werte vor, weil sie leichter erfassbar sind: es ist auf einen Blick zu sehen, ob die SMD-Werte positive oder negative Werte sind und wo sie im Verhältnis zueinander liegen, und wie breit die Konfidenzintervalle für diese Werte sind und ob diese Konfidenzintervalle die Null enthalten oder nicht.
Wir sollten nunmehr gerüstet sein, das Walddiagramm zu betrachten, in dem Chen et al. ihre Ergebnisse (für Depressionen gleich welcher Schwere) zusammenstellen:
Man kann dieser Abbildung sehr Vieles entnehmen, aber die wichtigsten Ergebnisse dürften die Folgenden sein:
- Mit Bezug auf die pharmazeutische Wirkung von sogenannten Nutrazeutika auf Depressionen kann festgehalten werden, dass etwa zwei Drittel von ihnen eine im Vergleich zur Gabe eines Placebos positive Wirkung auf Depressionen, gleich, welchen Schweregrades, zeigen – entweder als allein gegebenes Mittel oder in Konbination mit Antidepressiva. Sie sind also keineswegs wirkungslos.
- Dreizehn Nutrazeutika haben sich, wenn sie allein gegeben wurden, als effektiver erwiesen als Antidepressiva, wenn diese allein gegeben wurden, darunter Curcumin (was wir schon aus unserer oben durchgeführten Interpretation der Ergebnisse für Curcmin wissen), Safran, Eisen, Zink, Omega3-Fettsäuren (genau: Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure, gemeinsam gegeben) und Vitamin D.
- Acht dieser dreizehn Nutrazeutika erzielen, wenn sie gemeinsam mit Antidepressiva gegeben werden, eine bessere Wirkung auf Depression als wenn sie allein gegeben werden (und umgekehrt: Antidepressiva, gemeinsam mit diesen Nutrazeutika gegeben, erzielen eine bessere Wirkung als allein gegeben). Die beste Wirkung auf Depression erzielt die Kombination der Gabe von Safran und Antidepressiva, die zweitbeste die Kombination von L-Theanin (einer Aminosäure) mit Antidepressiva. Diese beiden Kombinationen weisen die höchsten aller SMD-Werte auf (3,79 bzw. 3,64), und in beiden Fällen ist der untere Grenzwert des Vertrauensintervalls für den SMD-Wert höher als der obere Grenzwert für das Vertrauensintervall der SMD-Werte fast aller anderer Interventionen (mit sechs Ausnahmen), was die Überlegenheit dieser beiden Kombinatinen gegenüber den alternativen Interventionen deutlich macht.
Das zuletzt genannte Ergebnis fällt noch deutlicher aus, wenn man die Ergebnisse aus der Metaanalyse speziell für Patienten mit schwerer Depression betrachtet:
Die Ergebnisse für Interventionen bei Patienten mit schweren Depressionen zeigen darüber hinaus, dass die Mehrzahl der Behandlungen mit Antidepressiva oder Nutrazeutika (gemeinsam oder allein gegeben) keinen statistisch gesicherten Effekt erzielt, denn lediglich fünf der Interventionen, die im Walddiagramm für schwere Depressionen zusammengestellt sind, weisen ein Vertrauensintervall auf, in dem die Null nicht enthalten ist.
Schließlich zeigen die Ergebnisse für Interventionen bei Patienten mit schweren Depressionen, dass für eine Erfolg versprechende Behandlung schwerlich auf die Gabe von Antidepressiva verzichtet werden kann. Als beste der Interventionen, bei denen nur ein Nutrazeutikum, aber kein Antidepressivum gegeben wird, erweist sich die Behandlung mit Carnitin (eine natürlich vorkommende Ammoniumverbindung); aber das Vertrauensintervall für ihre Effektstärke bzw. den SMD-Wert beinhaltet die Null, so dass sie ihrer Wirkung nicht als statistisch zuverlässig angesehen werden kann.
Festgehalten werden kann auch, dass die alleinige Gabe von Antidepressiva bei schwerer Depression in ihrer Wirkung noch hinter der Wirkung der alleinigen Gabe von S-Adenosylmethionin (im Englischen abgekürzt mit SAMe; es handelt sich um eine körpereigene Substanz, nämlich die physiologisch aktive Form von L-Methionin, einer schwefelhaltigen Verbindung) und der alleinigen Gabe von Johanniskraut (SJW für „St. John’s wort“) zurückbleibt (erstere weist einen niedrigeren SMD-Wert bei etwa gleich breitem Vertrauensintervall wie bei SAMe und SJW auf).
Bei mittelschwerer Depression hat die Analyse von Chen et al. den höchsten SMD-Wert, nämlich den Wert von 1,97, für die alleinige Gabe von Rosenwurz bzw. Rhodolia rosea (R_rosea) ergeben; zum Vergleich: der SMD-Wert der alleinigen Gabe eines Antidepressivums zur Behandlung dieser Patienten ist 0,41. Zwar ist das Konfidenzintervall – anders als im Fall von Rosenwurz – dieses Wertes sehr eng, womit der Effekt als sehr zuverlässig gelten kann, aber die Obergrenze des Vertrauensintervalls für diesen Wert (0,68) liegt noch unterhalb der Untergrenze des Vertrauensintervalls (0.85) für den SMD-Wert, den die Behandlung mit Rosenwurz erzielt (s. Chen et al. 2025, Supplementary Materials, S. 117: 11.2.B Forest Plot for moderate depression). Die alleinige Behandlung von mittelschwerer Depression mit Rosenwurz ist also der alleinigen Behandlung mit einem Antidepressivum deutlich vorzuziehen.
Patienten mit leichter Depression, die keine Antidepressiva nehmen wollen, profitieren von der alleinigen Einnahme von Safran, der mit einem SMD-Wert von 0,74 die gleiche Effektstärke erreicht wie Antidepressiva (mit einem Wert von 0,73), und dies bei fast identischem Vertrauensintervall. Noch besser schneidet die Gabe von Vitamin D ab: sie erreicht eine Effektstärke von 0,82 bei einem Vertrauensintervall, das in etwa so breit ist wie diejenigen der Werte für Safran und Antidepressiva.
Wer mit einem geringeren, aber noch etwas zuverlässigerem Effekt des Mittels seiner Wahl gegen leichte Depression zufrieden ist, kann auf die Einnahme der beiden Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure zurückgreifen. Abgesehen von den bereits erwähnten Nutrazeutika profitieren Patienten mit leichter Depression außerdem von der jeweils alleinigen Einnahme von Probiotika, von Eisen, Zink und von Nepta, einem pflanzlichen Mittel, das im Iran als traditionelles Heilmittel Verwendung findet, wobei die Vertrauensintervalle für deren Effektstärken jedoch ziemlich breit sind und im Fall der Werte für Probiotika und für Eisen die Null einschließen, so dass deren Wirkung eher unsicher ist.
Die Tatsache, dass die Effekte von Nutrazeutika je nach Schwere der Depression variieren, mag, so die Spekulation der Autoren (Chen et al. 2025: 8), damit zusammenhängen, dass der Schwere von Depression verschiedene biochemische Fehlfunktionen zugrunde liegen können, darunter Ungleichgewicht von Neurotransmittern oder verstärkte Reaktionen auf Entzündungen.
Ohnehin liegt der Wert der Studie von Chen et al. weniger darin, konkrete Behandlungsempfehlungen zu geben als vielmehr darin, die Effektivität von Nutrazeutika zur Behandlung von Depression zu testen, und zwar deshalb, weil für eine ganze Reihe spezifischer Interventionen nur die Daten aus einer einzigen Studie verfügbar waren, wie das oben stehende Netzwerkdiagramm schnell erkennen lässt. Man muss in Rechnung stellen, dass die diesbezüglichen Ergebnisse dann, wenn weitere Studien zu den entsprechenden Zusammenhängen durchgeführt werden, andere sein können als die in dieser Studie erzielten. Zukünftig vielleicht verfügbare Daten werden aber schwerlich etwas daran ändern, dass mit der Arbeit von Chen et al. belegt ist, dass Nutrazeutika gegen Depressionen wirken, teilweise besser gegen Depressionen wirken als Antidepressiva und besonders die Kombination von Antidepressiva und Nutrazeutika gegen Depressionen hilft:
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass bestimmte Nutrazeutika, ob als unterstützende Therapie oder Monotherapie verwendet, helfen können, depressive Symptome zu verbessern und sogar bei der Rückentwicklung und Remission von Depressionen helfen“ (Chen et al. 2025: 8).
Im Original:
„Our results demonstrate that certain nutraceuticals whether used as adjunctive therapy or monotherapy, can help improve depressive symptoms and even aid in response rates and remission of depression“ (Chen et al. 2025: 8).
(Ergebnisse für die Rückentwicklungs- und Remissionsraten werden im Text berichtet, wurden hier aber nicht im vorgestellt.)
Und weiteres wichtiges Ergebnis, von dem nicht zu erwarten steht, dass es sich aufgrund zukünftiger Forschung ändern wird, bleibt festzuhalten:
„Was die Verträglichkeit betrifft hatten die meisten Nutrazeutika eine ähnliche Abbruchrate und eine ähnliche Rate Nebenwirkungen wie Placebos“ (Chen et al. 2025: 8).
Im Original:
„For tolerability, most nutraceuticals had a similar all-cause discontinuation rate and adverse effect rate compared with placebo“ (Chen et al. 2025: 8).
Das ist ein großer Vorteil, den Nutrazeutika gegenüber Antidepressiva haben und der gewürdigt werden muss, wenn es darum geht, zu entscheiden, wie eine Depression am besten zu behandeln ist, denn
„von allen nutrazeutischen Monotherapien und ergänzenden Nutrazeutika(-Therapien) waren nur ADT [Antidepressiva] mit mehr unerwünschten Reaktionen assoziiert… [Therapien mit] [n]utrazeutische[n] Ergänzungen zu ADT können ebenfalls zu unerwünschten Reaktionen führen, aber diese Reaktionen sind wahrscheinlich in erster Linie auf die ADT selbst zurückzuführen “ (Chen et al. 2025: 9).
Im Original:
„[a]mong all nutraceutical monotherapies and adjunctive nutraceuticals, only ADT were associated with more adverse reactions …. Nutraceutical adjuncts to ADT might still lead to adverse reactions, but these reactions are likely to be primarily due to ADT itself“ (Chen et al. 2025: 9).
Behandlungsmittel, die über Kurz oder Lang nicht mehr eingenommen werden, werden schwerlich eine Wirkung erzielen können. Insofern ist es bedeutsam, dass die Studie von Chen et al. eine Reihe von Nutrazeutika identifizieren konnte, die als Monotherapien gegen Depressionen eingesetzt werden können, wie das z.B. für Vitamin D und Safran mit Bezug auf leichte Depressionen gilt.
Das Instrument der Netzwerk-Metaanalyse hat dies möglich gemacht, und auch, wenn ihre Qualität letztlich nur so gut sein kann wie die Anzahl und Qualität der Einzelstudien, die in sie eingehen, weist sie den Weg in die methodische Zukunft und trägt dem Umstand Rechnung, dass Wissenschaft ein kumulatives Unternehmen ist, das nicht funktionieren kann, wenn Studien nicht systematisch auf vorhergehenden Studien aufbauen und/oder speziell konzipiert werden, um bestehende Forschungslücken auf systematische Weise zu füllen.
Das setzt voraus, dass sich Forscher den Bedingungen in ihrem Forschungsfeld und der erforderlichen Forschungslogik unterwerfen statt sozusagen „ins Blaue hinein“ zu forschen oder die eigenen „Steckenpferde“ zu beforschen oder sich von persönlicher Ideologie oder von Vorgaben des Sponsors der Forschung leiten zu lassen. Kurz: es setzt Integrität und echtes Wissen-Wollen voraus. Die meisten Fachdisziplinen haben diesbezüglich noch einen sehr weiten Weg zu gehen, aber manche einen sehr viel weiteren als andere ….
Literatur
Aronson, Jeffrey K., 2017: Defining ‚Nutraceuticals‘: Neither Nutritious Nor Pharmaceutical. British Journal of Clinical Pharmacology 83(1): 8-19
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Author: Dr. habil. Heike Diefenbach
Michael Klein