• 12. Januar 2025

Mit einer Konkretisierung ihrer Steuerpläne und Rückendeckung für den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz ist die SPD in die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs gestartet.

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Jan. 12, 2025

In den Umfragen liegt sie seit der Neuwahlentscheidung Anfang November fast unverändert bei 14 bis 17 Prozent und damit aktuell 13 bis 20 Punkte hinter der Union. Kanzler Scholz gab sich am Samstag auf einem Sonderparteitag in Berlin nach seiner Bestätigung als Kanzlerkandidat trotzdem zuversichtlich, dass er die Trendwende noch schaffen kann: „Wir werden gewinnen.“

Entlastung für 95 Prozent – Spitzenverdiener sollen zahlen

Inhaltlich konkretisierte die SPD auf dem Parteitag ihre Steuerpläne: Die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz soll auf 93.000 Euro angehoben werden, der Steuersatz selbst dafür aber auch – von 42 auf 45 Prozent. Der Reichensteuersatz soll von 45 auf 47 Prozent steigen. Auch der Grundfreibetrag soll bei der Einkommensteuer angehoben werden, um Geringverdiener zu entlasten.

Unter dem Strich sollen 95 Prozent der Steuerzahler davon profitieren und die obersten ein Prozent auf der Einkommensskala dafür zahlen. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch rechnete auf einem Bierdeckel vor, was alle von der SPD geplanten Entlastungen für eine Familie mit zwei Kindern und einem Bruttojahreseinkommen von 75.000 Euro bedeuten würden: 2.917 Euro mehr.

Auf Wunsch der Jusos wurde kurzfristig auch das Versprechen in das Wahlprogramm aufgenommen, dass Zimmer in einer Wohngemeinschaft für Studenten und Auszubildende künftig nicht mehr als 400 Euro kosten dürfen.

Nur fünf Gegenstimmen: „Auftrag zu kämpfen“

In seiner 51-minütigen Parteitagsrede appellierte Scholz an den Kampfeswillen der Delegierten. „Es geht um verdammt viel“, sagte er. „Wir streiten dafür, die Erfolgsmarke „Made in Germany“ zu bewahren und zu erneuern – für die ganz normalen Leute in unserem Land. Also, kämpfen wir.“

Scholz wurde vom Parteitag, an dem 628 stimmberechtigte Delegierte und Vorstandsmitglieder teilnahmen, bei nur fünf Gegenstimmen per Handzeichen als Kanzlerkandidat bestätigt. Er sprach anschließend von einem „sehr überwältigenden Votum“ und einem „Auftrag zu kämpfen dafür, dass es gut weitergeht in unserem Land“.

Keine geheime Abstimmung über Kandidatur

Scholz war Ende November vom Parteivorstand erst nach zäher und kontroverser Debatte als Kanzlerkandidat nominiert worden. Zuvor hatte die Partei zwei Wochen lang öffentlich darüber diskutiert, ob nicht der deutlich beliebtere Verteidigungsminister Boris Pistorius als Ersatzkandidat für den nach dem Scheitern seiner Ampel-Regierung angeschlagenen Scholz eingewechselt werden soll.

Auf dem Parteitag spielte die Diskussion keine Rolle mehr. Bei der Kandidatenkür verzichtete die Parteiführung aber auf eine geheime Abstimmung wie bei vielen früheren Entscheidungen für Kanzlerkandidaten. Sie begründet das damit, dass Scholz als Kanzler und nicht als Herausforderer antritt und dass es in diesen Fällen auch früher keine geheime Abstimmung gegeben habe. Vor der vorangegangenen Bundestagswahl 2021 hatten 96,2 Prozent der Delegierten bei einer Online-Abstimmung während der Corona-Pandemie für Scholz gestimmt.

„Wir stehen in Deutschland tatsächlich an einem Scheideweg“

In seiner Parteitagsrede schwor Scholz die Delegierten auf einen Richtungswahlkampf gegen die Union ein. „Wir stehen in Deutschland tatsächlich an einem Scheideweg“, sagte er. Wenn man am 23. Februar falsch abbiege, „dann werden wir in einem anderen Land aufwachen“.

Der Kanzler hatte schon mehrfach deutlich gemacht, dass er den Wahlkampf auf ein Duell mit dem Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU) zuspitzen möchte. Von dem grenzte er sich in seiner Rede mehrfach ab, ohne ihn beim Namen zu nennen. „Jetzt ist nicht die Zeit für Sprücheklopfer. Jetzt ist nicht die Zeit für die uralten Rezepte. Jetzt ist nicht die Zeit für Politik auf dem Rücken der ganz normalen Leute“, rief Scholz den Delegierten zu. „Oder knapp: Jetzt ist nicht die Zeit für CDU und CSU in Deutschland.“

„Vielleicht hätte ich früher auf den Tisch hauen müssen“

Die Rückschau auf seine dreijährige Regierungszeit als Ampel-Kanzler kam in der Rede nur kurz vor. Der Kanzler räumte aber ein, dass er die Regierung mit Grünen und FDP vielleicht früher hätte beenden müssen. „Vielleicht hätte ich früher auf den Tisch hauen müssen, nicht nur hinter den Kulissen, sondern öffentlich.“

Auf harsche Kritik an dem früheren Koalitionspartner FDP oder an den Grünen verzichtete der Kanzler diesmal weitgehend und arbeitete sich vor allem an der Union ab.

Keine weitere Zuspitzung der Kritik an Trump

Seine Kritik am künftigen US-Präsidenten Donald Trump spitzte Scholz nicht weiter zu. Er wies dessen Gebietsansprüche in Panama, Kanada und Grönland aber erneut indirekt zurück. „Das Prinzip der Unverletzlichkeit von Grenzen gilt für jedes Land – egal ob es im Osten von uns liegt oder im Westen“, wiederholte er. „Kein Land ist der Hinterhof eines anderen.“

Der Ukraine sicherte Scholz weitere Unterstützung zu und versicherte, dass er eine Verwicklung der Nato in den Krieg verhindern werde. Merz warf er erneut vor, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zwischenzeitlich ein Ultimatum gestellt zu haben, das er später wieder zurückgenommen habe. Das zeuge „weder von Standhaftigkeit noch von Verantwortung“. Er selbst werde standfest und besonnen bleiben. „Darauf können sich alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland verlassen.“

In jüngster Umfrage nur noch auch Platz vier

Mit Blick auf die Umfragen machte Scholz sich und den Delegierten mit früheren Erfahrungen in Winterwahlkämpfen Mut. In Hamburg habe er sich zweimal im Februar zur Wahl gestellt und gewonnen, sagte er. „Winterwahlkämpfe können ein gutes Ende haben.“

Kurz vor dem Parteitag gab es aber einen neuen Dämpfer für die SPD. Im ZDF-Politbarometer landete sie zum ersten Mal seit einem Jahr nur noch auf Platz vier hinter Union, AfD und den Grünen. Bei der Frage nach dem Wunsch-Kanzler oder der Wunsch-Kanzlerin schneidet nun selbst die AfD-Kandidatin Alice Weidel besser ab als Scholz.

Inzwischen zieht der Verweis zum Wahlsieg 2021, als die SPD ähnlich aussichtslos in den Wahlkampf startete, nur noch bedingt. Damals hatte die Aufholjagd zum jetzigen Zeitpunkt, also 42 Tage vor dem Wahltermin, längst begonnen. Bereits 33 Tage vor der Wahl überholten die Sozialdemokraten die Union erstmals in einer Umfrage und stabilisierten den Trend anschließend.

Steinbrück äußert von der Seitenlinie Zweifel am Wahlsieg

Mit Peer Steinbrück meldete sich vor diesem Hintergrund am Wochenende ein ehemaliger Kanzlerkandidat von der Seitenlinie zu Wort und bezweifelte, dass die Aufholjagd noch möglich ist. „Die Wahrscheinlichkeit weist darauf hin, dass die SPD mit ihm (Scholz) an der Spitze erkennbar nicht die stärkste Partei wird“, sagte der frühere Finanzminister dem Nachrichtenportal t-online.

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Author: [email protected]

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