Es fängt immer harmlos an. Ein kleiner Satz, eine beiläufige Bemerkung, ein Versuch, das Unerträgliche irgendwie erklärbar zu machen. „Es ist Mode geworden“, sagt der Kriminologe im Interview mit der staatsnahen Plattform „T-Online“. Gemeint sind Messer – genauer gesagt: das Tragen von Messern durch immer mehr junge Männer. Als wäre das die neue Gürteltasche.
Doch wer sich ein bisschen umschaut, weiß: Das hier ist keine Stilfrage. Es ist auch keine zufällige Häufung, kein tragischer Einzelfall. Es ist eine Entwicklung. Und sie ist brandgefährlich.
Denn während die Zahl der Messerangriffe steigt, steigt gleichzeitig auch das Bedürfnis, sie zu relativieren. Die Sprachregelung der Beschwichtigung funktioniert präzise wie ein Uhrwerk. Aus Mördern werden „psychisch Auffällige“, aus Tötungen werden „Zwischenfälle“, aus Messern wird Mode.
Man könnte fast sagen: Auch die Verharmlosung ist Mode geworden.
Beispiel Mannheim. Am 31. Mai 2024 sticht ein Afghane auf einen Polizisten ein. Rouven Laur, 29 Jahre alt, Einsatzbeamter, stirbt zwei Tage später. Doch was bleibt in Erinnerung? Dass er „an den Folgen schwerer Verletzungen“ starb, wie mehrere Medien damals berichteten. Nicht am Messer, nein. An den Folgen.
Das ist in etwa so, als würde man nach tödlichen Schüssen erklären, das Opfer sei nicht durch Kugeln gestorben – sondern an inneren Verblutungen.
Klingt absurd? Ist aber gängige Sprachpraxis. Schon 2019, nach dem tödlichen Angriff auf einen Augsburger Feuerwehrmann durch eine Gruppe junger Männer, hieß es offiziell, er sei „nicht durch den Schlag getötet worden, sondern durch den Sturz“ (siehe hier). Als ob der Boden schuld sei.
Die Methode ist immer dieselbe: Täter möglichst entkoppeln von der Tat. Oder besser: von der Verantwortung. Hauptsache, es entsteht nicht der Eindruck, es gäbe ein Muster. Oder gar ein Problem.
Doch genau das gibt es. Und es geht tiefer als jede Kriminalstatistik.
Denn das Messer ist längst mehr als eine Waffe. Es ist Symbol. Für Macht. Für Kontrolle. Für das Gefühl, ernst genommen zu werden in einer Welt, die keinen Platz mehr lässt für klassische Männlichkeit – zumindest nicht für jene, die sich in der Schule, auf dem Arbeitsmarkt oder in der Gesellschaft als überflüssig fühlen.
Besonders brisant wird es, wenn kulturelle Prägungen dazukommen. Wer aus einem Milieu stammt, in dem Respekt nicht durch Argumente, sondern durch Härte erlangt wird, der trägt kein Taschenmesser zur Zierde. Sondern als Status. Als Drohung. Als Versicherung, ernst genommen zu werden, wo Worte nichts zählen.
Und was tun wir?
Wir reagieren wie Biedermann in Max Frischs berühmtem Theaterstück. Wir lassen die Brandstifter ins Haus. Wir servieren ihnen Tee. Wir machen uns über sie lustig – bis es brennt.
Frisch hat diese Mentalität in den 1950er Jahren beschrieben. Und es liest sich heute wie ein Drehbuch der Gegenwart. Eine Gesellschaft, die die Bedrohung erkennt – und dennoch so lange relativiert, bis sie explodiert.
Man kann über Integration diskutieren. Über Armut. Über Perspektivlosigkeit. Über all das soll gesprochen werden – aber eben ehrlich. Und nicht im Ton einer verklärten Soziologie, die Messerangriffe zu „jugendlicher Sinnsuche“ verklärt.
Denn wer das Problem nicht benennt, wird es nicht lösen. Und wer das Messer zur Mode erklärt, der macht es salonfähig.
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Max Frisch: Biedermann und die Brandstifter. Ein kleines Buch mit großer Sprengkraft. Es liest sich wie eine Beschreibung dessen, was wir heute erleben.
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