• 13. August 2025

Merz und Selenskyj floppen bei Trump: Telefonstreich statt Friedensfortschritt

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Aug. 13, 2025
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Nach dem Telefonat mit Trump – der ukrainische Präsident wurde extra ins Kanzleramt eingeflogen – treten Merz und Selenskyj vor die Presse. Die etwas mehr als fünf Minuten lange Ansprache von Merz hatte es in sich.

Zwischen den Zeilen konnte man durchaus so etwas wie Enttäuschung vernehmen – noch einmal verstärkt von einem schwer zuzuordnenden Kopfschütteln von Selenskyj zum Ende der kurzen Pressekonferenz.

Die EU und Deutschland ringen um ihre Rolle in dieser Friedensregelung, man weiß schon nicht mehr, ob Selenskyj oder Merz den Schulterschluss gegenüber Trump nötiger haben.

Merz startete seinen Bericht mit einem Vergleich, der mindestens Historiker mit einem Kopfschütteln zurücklassen dürfte: Der Tag des Mauerbaus vor 64 Jahren habe die europäische Teilung überwunden, der Ukrainekrieg soll diese Wunde laut Merz wieder aufgerissen haben.

Warum der Ukrainekrieg Sinnbild einer europäischen Teilung sein soll, weiß nur Merz allein. Man kann es sich immer wieder zusammenfabulieren, aber der Ukrainekrieg (seit 2014, intensiviert 2022) ist hingegen ein regionaler Konflikt, der primär auf die russische Aggression gegen die Ukraine abzielt und nicht die gesamte europäische Ordnung in zwei ideologisch getrennte Blöcke spaltet – unabhängig davon, dass das für manche das Ziel sein mag.

Der Ukrainekrieg ist zudem zu einem Kampf um die Prinzipien der europäischen Ordnung, wie Souveränität und Demokratie, hochstilisiert worden – die Ukraine selbst war und ist dabei alles andere als ein Musterknabe dieser Ordnung.

Merz setzt die Erfolgschancen des US-Präsidenten bewusst in den Konjunktiv, Trump könne erfolgreich sein, jedenfalls dann, wenn er sich in Anchorage auf jene Gleise stellt, welche die Europäer für ihn verlegt haben:

„In Anchorage können wichtige Entscheidungen getroffen werden. Wir Europäer tun deshalb alles in unserer Kraft Stehende, um die Weichen für dieses Treffen in die richtige Richtung zu stellen.“

Diese Ansprache ist so eine typisch lauwarme Merzkritik an Donald Trumps Friedensbemühungen, die sich den Notausgang offenhalten. Klare Worte Fehlanzeige. Trump soll als großer Tollpatsch oder bestenfalls gutmütiger Bernhardiner dastehen, den man auf den richtigen Weg schubsen müsste. Hat Merz vergessen, wie Trump seine Parteifreundin Ursula von der Leyen stellvertretend für die gesamte EU über den Tisch gezogen und verarztet hat? Oder hat er es gerade nicht vergessen und stänkert ein bisschen?

Trump redet allein mit Putin. Die Vertreter der EU haben demgegenüber keine Gelegenheit, ungestört ihre Interessen zu klären. Von Anfang an sitzt Selenskyj als Aufpasser in eigener Sache mit am Tisch, was Merz auch noch positiv hervorhebt: „Wolodymyr Selenskyj von Anfang an einbezogen, was ich sehr begrüße.“

Hintergrund: Die Europäer und hier explizit die Deutschen versuchen nicht einmal, ihre ureigenen Interessen im Rahmen einer Nachkriegsordnung zu formulieren und zu wahren. Sie werden stattdessen den Wiederaufbau bezahlen, während Trump seinen Claim absteckt – der wilde Westen jenseits des Klondike Rivers.

Diese das Unmögliche beschwörenden Worte von Kanzler Merz müssen bei Trump laut als Schenkelklopfer nachgehallt haben:

„In Alaska müssen grundlegende europäische und ukrainische Sicherheitsinteressen gewahrt bleiben. Das war die Botschaft, die wir heute als Europäerinnen und Europäer dem amerikanischen Präsidenten Trump mit auf den Weg gegeben haben.“

Ohne Gebietsabtretungen wird es aber nicht gehen, das deutete bereits Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko an, und sogar Präsident Selenskyj hat sich das eine oder andere Mal in den letzten Tagen undeutlich ausgedrückt, wohl um diese Idee nicht mehr kategorisch abzulehnen.

Merz weicht verbal keinen Zentimeter zurückzuweichen, um die spätere Verhandlungsmasse nicht zu gefährden. Aber von Stärke ist nichts zu spüren, Merz kann einfach nicht kämpferisch, das weiß auch Selenskyj.

Passend dazu macht das russische Militär gerade massiv Druck an mehreren Frontabschnitten – Putin spielt weiter das bekannte Spiel des Raumgewinns als Joker.

Der ungarische Ministerpräsident sieht gar den Krieg für die Ukraine verloren: Viktor Orbán hat nicht Platz genommen in diesem „Kreis der Koalition der Willigen“, wie Merz es nannte. Dass er dabei George W. Bush zitiert, der diesen Begriff auch gegen Deutschland prägte, als Schröder und Fischer den auf Lügen aufgebauten Irakkrieg nicht mitmachen wollten, macht dieses Bush-Zitat von Merz besonders schmuddelig: Mit so einer die USA als „Putinversteher“ ausschließenden Retourkutsche sollte Merz wirklich vorsichtiger sein, bedenkt man, wie sich das deutsch-amerikanische Verhältnis in den vergangenen 25 Jahren entwickelt hat.

Noch etwas ist erstaunlich: Unter Scholz, Habeck und Co. war ja nichts anderes zu erwarten, aber auch Merz verliert offenbar keinen Gedanken daran, dass er gerade mit jenem Präsidenten auf der Bühne steht und das Schicksal Deutschlands mit einem Mann verbindet, der unter dringendem Tatverdacht steht, Nord Stream 2 gesprengt zu haben.

Merz spricht von einer intensiven „Krisendiplomatie“, die man betriebe. Immer neue Waffen- und Milliardenlieferungen können hier aber nicht gemeint sein. Merz nennt „bisher 18 Sanktionspakete“ der EU. Aber seit wann sind Sanktionen Teil einer „Krisendiplomatie“?

Sanktionen eskalieren eine Situation. Statt Deeskalation zu fördern, tragen sie zur Verschärfung bei und untergraben den dialogbasierten Kern diplomatischer Krisenbewältigung. Stattdessen sollte so eine Krisendiplomatie ihrem Wesen nach auf Verhandlungen, Vermittlung und vertrauensbildende Maßnahmen setzen – das jedenfalls ist die Theorie.

Bei Merz mangelt es der Krisendiplomatie bereits am einfachsten Handwerkszeug im Wortbaukasten.

Als Kirsche obendrauf kann sich der Sauerländer nicht einmal den heimischen Prahlhans verkneifen, wenn er vor der versammelten Weltpresse in Gegenwart des ukrainischen Duzfreund-Präsidenten darauf aufmerksam macht, dass die Erklärung der Willigen von ihm persönlich angestoßen worden sei:

„Der Europäische Rat hat sich diese Erklärung mittlerweile zu eigen gemacht.“

Merz vermittelt hier den Eindruck, als habe er das Verlangen, seine Israel-Entscheidung irgendwie auszubügeln. Nicht, dass er selbst schon eine Idee hätte, ob daran etwas falsch war, aber es meckern so viele, und dann drückt auch die Verantwortung wieder so.

Hier die kurze Merz-Ansprache nach dem Telefonat mit Donald Trump im Originalwortlaut:

„Ich heiße zum zweiten Mal innerhalb sehr kurzer Zeit den Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, im Kanzleramt in Berlin herzlich willkommen!
Ich freue mich sehr, Wolodymyr, dass wir das heute hier auch gemeinsam mit den Videokonferenzen durchführen konnten.

Nämlich genau heute ist der 13. August, das ist der Tag des Mauerbaus im Jahre 1961. Heute, 64 Jahre später, wissen wir: Es war das Sinnbild der deutschen und der europäischen Teilung. Und diese Spaltung konnten wir überwinden. Aber seit einiger Zeit wissen wir – seit dreieinhalb Jahren –: Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat die Wunde der europäischen Teilung wieder aufgerissen.

Der Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, will nun Gespräche über Frieden in der Ukraine in Gang bringen. Am Freitag will er sich in Alaska mit dem russischen Präsidenten Putin treffen. In Anchorage können wichtige Entscheidungen getroffen werden.

Wir Europäer tun deshalb alles in unserer Kraft Stehende, um die Weichen für dieses Treffen in die richtige Richtung zu stellen. Wir wollen, dass Präsident Donald Trump am Freitag in Anchorage Erfolg hat.

Vor dem Alaska-Treffen war es mir wichtig, mit den Partnern in der Europäischen Union und unseren Freunden aus der Ukraine und Amerika zusammen die Voraussetzungen für dieses Treffen zu besprechen. Wir haben uns heute zunächst ausführlich mit den Amtskollegen und Kollegen aus Frankreich, Großbritannien, Polen, Italien und Finnland sowie mit Ursula von der Leyen, Antonio Costa und Mark Rutte abgestimmt.

In dieser Abstimmung war Wolodymyr Selenskyj von Anfang an einbezogen, was ich sehr begrüße.

Wir haben sodann gemeinsam mit Präsident Trump gesprochen. Wir werden im Anschluss jetzt gleich unsere Beratungen unter der Leitung von Präsident Macron und Premier Starmer im Kreis der Koalition der Willigen fortsetzen. Das ist Teil eines sehr intensiven Dialogs, den wir in den vergangenen Tagen geführt haben, in vielen Einzelgesprächen und in sehr unterschiedlichen Formaten.

In Alaska müssen grundlegende europäische und ukrainische Sicherheitsinteressen gewahrt bleiben. Das war die Botschaft, die wir heute als Europäerinnen und Europäer dem amerikanischen Präsidenten Trump mit auf den Weg gegeben haben.

Und ich kann sagen: Wir waren uns sowohl in der Bewertung der Ausgangslage als auch in dem erreichbaren Ziel für den kommenden Freitag sehr einig. Wir haben verdeutlicht, wie stark wir in Europa engagiert sind. Deutschland allein hat seit 2022 rund 40 Milliarden Euro an Militärhilfen mobilisiert.

Wir haben in der Europäischen Union bisher 18 Sanktionspakete geschnürt. Wir sind also höchst aktiv in der Krisendiplomatie, denn wir wollen, dass der Friede in Europa wiederhergestellt wird.

Wir haben unsere wichtigsten Punkte im Kreis der Europäerinnen und Europäer bereits am Samstag in einer gemeinsamen Erklärung formuliert, die ich selbst auch angestoßen habe. Der Europäische Rat hat sich diese Erklärung mittlerweile zu eigen gemacht. Unsere Teams haben diese Punkte in den vergangenen Tagen in allen Einzelheiten mit der amerikanischen Seite diskutiert.

Und der amerikanische Präsident weiß: Wenn die Vereinigten Staaten von Amerika nun auf einen Frieden in der Ukraine hinarbeiten, der europäische und ukrainische Interessen wahrt, dann kann er sich dabei auf unsere volle Unterstützung berufen und darauf zählen.

Wir haben verschiedene Punkte deutlich gemacht für die Verhandlungen. Wir haben deutlich gemacht: Die Ukraine muss mit am Tisch sitzen, sobald es dann Folgetreffen gibt. Wir wollen, dass in der richtigen Reihenfolge verhandelt wird.

Ein Waffenstillstand muss am Anfang stehen. Wesentliche Elemente sollten dann anschließend in einem Rahmenabkommen vereinbart werden.

Schließlich drittens: Die Ukraine ist zu Verhandlungen über territoriale Fragen bereit. Dann muss aber die sogenannte Kontaktlinie der Ausgangspunkt sein, und eine rechtliche Anerkennung russischer Besetzungen steht nicht zur Debatte. Der Grundsatz, dass Grenzen nicht gewaltsam verändert werden dürfen, muss fortgelten.

Viertens: Verhandlungen müssen robuste Sicherheitsgarantien für Kiew umfassen. Die ukrainischen Streitkräfte müssen imstande sein und bleiben, die Souveränität ihres Landes wirkungsvoll zu verteidigen. Sie müssen auch langfristig auf westliche Hilfen zählen können.

Fünftens: Verhandlungen müssen Teil einer gemeinsamen transatlantischen Strategie sein. Dann können sie am Ende am ehesten auch gelingen. Diese Strategie muss weiter auf starke Unterstützung für die Ukraine und notwendigen Druck gegen Russland setzen.

Das heißt auch: Gibt es in Alaska keine Bewegung auf der russischen Seite, dann sollten und müssen die Vereinigten Staaten und wir Europäer den Druck erhöhen. Präsident Trump kennt diese Position. Er teilt sie sehr weitgehend.

Und deswegen kann ich sagen: Wir haben ein wirklich ausgesprochen konstruktives und gutes Gespräch miteinander gehabt. Wir haben Präsident Trump das Allerbeste gewünscht. Wir haben verabredet, dass er unmittelbar nach dem Treffen mit Präsident Putin zuerst den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj informiert, anschließend unmittelbar auch die europäischen Staats- und Regierungschefs, die in dieser Initiative zusammengeschlossen sind.

Es gibt Hoffnung auf Bewegung, es gibt Hoffnung auf einen Frieden in der Ukraine. Wir tun aus europäischer – aus gemeinsamer europäischer Sicht – ich tue aber auch aus deutscher Sicht alles, um jede Chance zu nutzen, auch auf diplomatischem Wege nun ein Ende dieses schrecklichen Krieges herbeizuführen. Vielen Dank.“

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Author:
Alexander Wallasch

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