Gerade ist in der etablierten Politik und ihren Medien vielfach die Rede davon, die Demokratie sei schwer beschädigt durch die Debatte um eine Verfassungsrichterin. Die neuen Medien seien schuld. Dabei wird einem anderen Fall in dieser Kategorie viel zu wenig Beachtung geschenkt:
Die linksradikale Seenotschlepper-Aktivistin Carola Rackete hat ihr Mandat im EU-Parlament zurückgegeben. Rackete geht damit den Weg des AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah, beide finden nichts dabei, den Wähler auf diese Weise vorzuführen, als wäre das Mandat nichts wert.
In beiden Fällen rücken Kandidaten nach, aber die unbekannteren Nachrücker sind nicht gewählt worden, die Stimmenanzahl zur Europawahl für die Linkspartei und die AfD wurde nämlich zu nicht geringen Anteilen über prominentere Kandidaten wie Rackete und Krah eingefahren. Beide haben schon vor der Halbzeit keine Lust mehr, ihr Mandat wahrzunehmen.
Krah war hier übrigens noch mehr auf dem Abstellgleis angekommen als Rackete. Seinetwegen musste gar Parteichefin Weidel bei Marine Le Pen in Paris in einem Hinterzimmer beim Italiener antreten. Aber vergebens: die französische Rechte brach – heute weiß man, auch aus taktischen Gründen – mit der AfD.
Und Carola Rackete musste erfahren, wie mühsam es ist, von einer vielbeachteten NGO-Aktivistin und Kapitän auf dem Mittelmeer zur Papierkram-Sichterin in einem Parlament zu versauern.
Aber all das wussten Krah und Rackete schon vorher. Und bei beiden fehlt offenbar eine Eigenschaft, die es befördert, das dem Wähler gegebene Versprechen auch einzulösen. Wenn es in der christlich geschlossenen Ehe heißt, „bis dass der Tod uns scheidet“, sind es im EU-Parlament gerade einmal fünf Jahre. Bei einer Ehe weiß man allerdings schon vorher, dass die überwiegende Anzahl nicht lebenslang hält, ein EU-Mandat hingegen hält in den allermeisten Fällen – die hohen Diäten helfen hier maßgeblich.
Nur damit wird man eine Carola Rackete nicht beeindrucken können, die Spendenbereitschaft für linksradikale NGOs ist nach wie vor hoch und echte Ideologen ist Geld nicht wichtig. Maximilian Krah schon, der hat sich einen sicheren AfD-Wahlkreis im Osten gesucht und hat ihn mit 44 Prozent der Stimmen auch gewonnen.
Nicht nötig zu erwähnen, dass Krah es binnen Monaten geschafft hat, wieder jene Deutungshoheit zu erlangen, die ihm im EU-Parlament abhandengekommen war, nicht einmal mehr die EU-AfD-Gruppe wollte ihn in ihren Reihen haben. Aus der AfD-Bundestagsfraktion heraus macht Krah aktuell mehr Schlagzeilen als die Parteichefs zusammengenommen, hinzu kommen noch Privatgeschichten, die öffentlich diskutiert werden.
Das ist die Welt von Maximilian Krah und Carola Rackete. Sie schaffen es beide nicht einmal für fünf Jahre, ihrem Land zu dienen, wie ursprünglich versprochen (Bei Krah als Versprechen erneuert). Aber was sagt das eigentlich über den Charakter dieser Politiker aus? Und was könnten Fürsprecher über die beiden sagen? Krah hat „nur“ gewechselt, es ließe sich behaupten, dass er seinem Land auf neue Weise diene. Und Carola Rackete kann für sich vielleicht in Anspruch nehmen, als Aktivistin mehr erreichen zu können.
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In beiden Fällen bleibt mehr als nur ein bitteres Geschmäckle. Es geht um eine der wichtigsten Tugenden in einer schnelllebigen Zeit: Verlässlichkeit. Das Ende der Verlässlichkeit ist auch das Ende einer Kontinuität des Vertrauens, das Politiker immer wieder neu zu ihren Wählern aufbauen sollten. Beide – Krah wie Rackete – haben diesem Vertrauen schwer geschadet.
Die parteilose Carola Rackete gibt heute offen zu – oder bastelt es sich als Legende – dass sie nur als Zugpferd gegen Sahra Wagenknecht eingesetzt war, damit die Linkspartei insgesamt viele Wählerstimmen bei der EU-Wahl erhält:
„Meine Kandidatur und mein Mandat hatten von Anfang an das Ziel, zur Erneuerung der Partei beizutragen – ein Prozess, der erfolgreich verläuft“, erklärte Rackete. Ihr Team habe den Sitz im Europaparlament „kollektiv“ gestalten wollen. „Dies geschieht nun durch die Abgabe meines Mandats.“
Aber war das im Wahlkampf schon so kommuniziert worden? Rackete wie Krah waren beide Spitzenkandidaten der sie nominierenden Parteien. Nichts deutete darauf hin, wie wenig ernst es am Ende beide Spitzen nehmen sollten. Die Linkspartei hatte noch im März 2024 eine „Erklärung von Carola Rackete zur Vorstellung der Wahlkampagne zur Europawahl“ veröffentlicht. Darin heißt es unter anderem: „Diese Wahl wird entscheidend sein in der Frage, wohin sich die EU entwickelt.“
Charakterliche Gemeinsamkeiten der beiden sind eine Unnachgiebigkeit und ihre kompromisslose Haltung. Beide scheuen keine Konflikte. Womöglich suchen sie diese sogar oder ziehen sie magisch an, weil sie immer auch Aufmerksamkeit bedeuten. Rackete verkauft sich allerdings besser als jemand, der eher – oder vermeintlich – altruistische, kollektive Ziele verfolgt. Krah könnte man eher unterstellen, er sei von persönlicher Macht und Einfluss getrieben – das ist schon in seiner selbstgewählten Rolle angelegt. Opportunismus versus Prinzipien- oder Linientreue?
Die Wahl ist längst gelaufen, Rackete hat als Stimmenbeschafferin ausgedient, sie blieb höflichkeitshalber noch ein paar Monate Diäten-Empfängerin. Für Krah gilt das Gleiche – der AfD-Politiker wechselte nur den Honigtopf.
Beide sind eingefleischte Selbstdarsteller und Ideologen. Wobei Rackete hier im Licht der aktuellen Ereignisse um Krah sicher die überzeugendere Ideologin ist. Krah wechselt seine Ideologie-Inhalte häufiger, als Rackete mutmaßlich ihre Tanktops auf hoher See.
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Author:
Alexander Wallasch