Ein Gastbeitrag von Beate Strehlitz und Dieter Korbely
Am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wird am 1. Oktober 2025 die mündliche Verhandlung im Revisionsverfahren um die Rundfunkbeitragspflicht für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beginnen. Das Verfahren geht auf die Klage einer anonymen bayrischen Klägerin am Verwaltungsgericht München zurück. Die Frau aus Rosenheim hatte gegen die Zahlung des Rundfunkbeitrags geklagt. Sie rügte ein generelles strukturelles Versagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR), insbesondere die mangelnde Programm- und Meinungsvielfalt, und argumentierte, dass sie daher von der Rundfunkbeitragspflicht zu entbinden sei.
Das Verwaltungsgericht München wies die Klage ab. Die Gerichte seien nicht befugt, die Programmgestaltung oder Vielfalt des ÖRR zu prüfen; dies sei Aufgabe der plural besetzten Aufsichtsgremien (zum Beispiel Rundfunkräte), nicht der Gerichte. Eine subjektive Unzufriedenheit oder Programm‐Kritik allein rechtfertige keine Befreiung von der Beitragspflicht.
Die Klägerin ging in die Berufung vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Dieser bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung, der Rundfunkbeitrag diene als Gegenleistung für die Möglichkeit, öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu empfangen, unabhängig von dessen Qualität oder Vielfalt des Programms. Der Artikel im Grundgesetz, der die Programmfreiheit garantiert, setze institutionelle Unabhängigkeit voraus. Die Inhalte dürften nicht gerichtlich überprüft werden, sondern ausschließlich über die zuständigen Gremien.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat die Revision überraschend zugelassen. Es vertritt die Ansicht, dass die Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung habe. Insbesondere steht infrage, ob ein Bürger gegen die Beitragspflicht Einwände erheben kann, wenn der ÖRR seinem gesetzlichen Vielfaltauftrag strukturell nicht gerecht wird. Könnte es sein, dass das BVerwG damit auf den zunehmenden gesellschaftlichen Druck der unzufriedenen Bürger mit der Beitragspflicht und der Arbeitsweise des ÖRR reagiert?
Programmbeschwerde statt Klage
Die anonyme Klägerin folgte dem Rat der Bürgerinitiative „Leuchtturm ARD“, den Weg durch alle Instanzen zu gehen. Die Initiative betreut bereits seit zwei Jahren bundesweit rund 200 Kläger gegen die Rundfunkbeitragspflicht. Bislang waren jedoch sämtliche Versuche unzufriedener Beitragszahler, die Beitragspflicht für ARD, ZDF und Deutschlandradio auf juristischem Wege infrage zu stellen, gerichtlich abgeschmettert worden. Wenn ein Beitragszahler Zweifel an der Vielfalt, Objektivität und Unparteilichkeit der Programme hege, so stehe ihm der Weg einer Programmbeschwerde bei den Aufsichtsgremien frei, so der allgemeine Tenor der Gerichte.
Die ehemaligen NDR-Mitarbeiter Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer haben seit 2014 mehr als 400 Programmbeschwerden eingereicht, die insbesondere die Berichterstattung der „Tagesschau“ betrafen. Alle wurden abgelehnt. Auch der Verein Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien unter Leitung von Maren Müller führt auf seiner Webseite die eigenen sowie eine Sammlung von Beschwerden externer Beschwerdeführer auf. Es ist die absolute Ausnahme, wenn einer Programmbeschwerde recht gegeben wird. Und selbst dann erfolgt nicht zwangsläufig eine Korrektur im Programm.
Das Problem mit dem Parteibuch
Wir haben selbst eine Programmbeschwerde beim MDR-Rundfunkrat eingereicht. In seinem Antwortschreiben auf unsere Beschwerde führte der Rundfunkrat aus, dass er nicht in die operative Führung der Rundfunkanstalt eingreifen könne, indem er eine Anordnung zur Wiederveröffentlichung eines Beitrages treffe. Wenn der Rundfunkrat als Kontrollorgan nur beratende Funktion, aber keine Weisungsbefugnisse hat, liegt dann ein struktureller Fehler vor?
Wir haben über mehrere Jahre die Rundfunkratssitzungen des MDR besucht und uns ein Bild von seiner Arbeit gemacht. Bezeichnend fanden wir die Mahnung des im März 2024 scheidenden Rundfunkratsvorsitzenden Dietrich Bauer in seinen Abschiedsworten, die Rundfunkratsmitglieder benötigten eine medienpolitische Fortbildung. Er verwies auf die bescheidenen Mittel des Rundfunkrates, dessen Gremienbüro nur drei Mitarbeiter hat. Dagegen verfügt die Führungsetage des MDR über acht Direktoren nebst Referenten. Die magere Ausstattung des Kontrollgremiums Rundfunkrat könnte die Prüfung von Programmgestaltung und Vielfalt, die die Gerichte einfordern, unmöglich machen.
Wir hatten den Eindruck, dass einige wenige der 50 Rundfunkratsmitglieder sehr gute medienpolitische Kenntnisse hatten. Die Diskussionen im Rundfunkrat wurden hauptsächlich von ihnen getragen. Eine ganze Reihe der Rundfunkräte meldete sich nie zu Wort.
Unklar ist auch die Parteizugehörigkeit der Rundfunkräte, die auf der Webseite nicht vermerkt ist. Denn aus Recherchen ist bekannt, dass einige von ihnen zwar für Verbände und Organisationen im Rundfunkrat sitzen, aber ebenfalls ein Parteibuch haben. Hier fehlt Transparenz. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits in einem Urteil zum Gebot der Staatsferne im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gefordert, dass in den Aufsichtsgremien nur 30 Prozent der Mitglieder eine Parteizugehörigkeit haben dürfen. Dem interessierten Rundfunkbeitragszahler wird es schwer gemacht, das zu überprüfen.
Einseitige Berichterstattung, mangelnde Transparenz
Fehlende Transparenz hat der MDR-Rundfunkrat auch selbst zu verantworten, als er mehrheitlich gegen die Live-Übertragung der Sitzungen stimmte. Für weiter weg wohnende Gebührenzahler wäre es wesentlich einfacher, wenn sie die Sitzungen über einen Livestream verfolgen könnten. Warum möchte der Rundfunkrat sich nicht den interessierten Bürgern öffnen?
Die Zahl der unzufriedenen Gebührenzahler wächst stetig. Bemängelt werden vor allem die Einseitigkeit der Berichterstattung, mangelnde Transparenz und Kontrolle, Gebührenverschwendung und der Zwang zur Zahlung des Rundfunkbeitrages. Ein anhaltender gesellschaftlicher Dialog über die Legitimität der Gebühren lässt sich nicht mehr übersehen.
Das Verfahren vor dem BVerwG könnte eine rechtliche Neuerung in die Wege leiten, die Einzelpersonen den Klageweg über strukturelle Mängel im ÖRR eröffnet, die in einer Nichteinhaltung des Medienstaatsvertrages resultieren. Es steht nichts weniger als die Frage im Raum, ob zwischen Bürger und Anstalt ein Vertrag oder Leistungspflicht-Verhältnis besteht. Dass diese Frage erstmals rechtlich betrachtet wird, ist ein sehr großer Schritt vorwärts – nach den unzähligen Klage-Abweisungen.
Zur Verhandlung am 1. Oktober 2025 werden in Leipzig viele Besucher erwartet, denn es könnte Geschichte geschrieben werden. Das Verfahren könnte der erste Schritt auf dem Weg zu einem neuen ÖRR sein. Parallel muss eine breite gesellschaftliche Debatte über den ÖRR der Zukunft, wie ihn sich die Bürger und Beitragszahler wünschen, zu grundsätzlichen Veränderungen führen.
Das ist ein Beitrag, der im Rahmen unserer Open-Source-Initiative eingereicht wurde. Er erschien zuerst auf www.berliner-zeitung.de
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Dieter Korbely ist Diplomingenieur in Rente und hat lange Jahre bei einem großen Automobilhersteller gearbeitet. Beate Strehlitz ist promovierte Diplomingenieurin in Rente und hat 33 Jahre als Wissenschaftlerin in einem Forschungszentrum gearbeitet. Beide setzen sich seit 2019 für die Reform der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ein.
Bild: nitpicker / Shutterstock.com
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