Um gleich mal alle Historiker auf die Palme zu bringen, eine Polemik: Die Amerikaner sind deshalb religiös so durchgeknallt, weil sich in ihrer DNA jene christlich-religiösen Radikalen festgesetzt haben, die ein aufgeklärtes Europa eben deshalb vertrieben hat.
Netflix hat ebenfalls gerade alles dafür getan, diese Verkürzung zu verstärken. In der überaus populären Kurzserie „American Primeval“ wird der Fokus auf jenen brutalen Teil der Geschichte der Besiedlung Amerikas gelegt, den Mormonen zu verantworten haben, die ganz Amerika in einen düsteren Gottesstaat verwandeln wollten.
Bei der Amtsübernahme von Trump fiel einmal mehr die tief verankerte oder ritualisierte – je nach Blickwinkel – Religiosität auf. In Deutschland und weiten Teilen Nordeuropas wäre so etwas undenkbar. Hier verzichten Politiker vielfach auf den Schwuranteil, „So wahr mir Gott helfe“. Und es wundert weniger, dass sie darauf verzichten, als dass man sich fragt, warum dieser Teil überhaupt noch Teil eines Schwurs von deutschen Regierungsmitgliedern sein soll.
Gleich drei Geistliche segneten gestern den Amtsantritt des 47. Präsidenten der USA. Dass ging sogar soweit, das einer der drei auf die Eltern von Donald Trump verwies und dass sie diesen amerikanischen Superhelden geboren haben.
Trump sprach später in seiner Antrittsrede davon, dass ihn die Vorsehung – also Gottes Wille – ins Amt getragen habe. In Deutschland wäre auch das undenkbar gewesen, zuletzt hatte ein deutsches Regierungsoberhaupt von Vorsehung gesprochen, als Stauffenbergs Bombe ihr Ziel verfehlte. Gott will es, sagte Trump voller Selbstbewusstsein – deus vult.
Der Ausruf „deus vult“ wird Papst Urban zugesprochen, als dieser 1095 zum Kreuzzug aufrief. Der Schriftzug soll als Tätowierung auch den Arm des designierten neuen US-Verteidigungsministers zieren. Was gärt da in den Katakomben?
Bei der Vereidigung von Donald Trump sprachen gleich drei Geistliche dem neuen Präsidenten ihren Segen aus: Ein Jude, ein evangelischer und ein katholischer Geistlicher.
Dabei war Rabbiner Ari Berman. Er ist der orthodox-jüdische Präsident der Yeshiva University. Ebenfalls dabei waren der evangelische Pastor Lorenzo Sewell und der katholische Pater Frank Mann.
Was irritiert an diesem bunten Mix? Es fehlt der obligatorische Imam, ein Oberhaupt der muslimischen Bevölkerung der USA – immerhin ein paar Millionen Gläubige. Nach einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center aus dem Jahre 2017 leben in den USA knapp 3,5 Millionen Muslime, die etwas mehr als ein Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Zum Vergleich: Juden machen etwa einen Anteil von knapp zwei Prozent aus.
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Ein Imam – und damit ein Vertreter der Religion der amerikanischen Boxerlegende Muhammad Ali – war also nicht anwesend. Aber es war offiziell einer eingeplant. Noch wenige Tage vor der Zeremonie sprach noch nichts dagegen, dass er auch auftreten wird.
Tatsächlich war der schiitische Imam Husham Al-Hussainy aus Dearborn, Michigan, gebeten worden, ein paar Worte zu sprechen. Er ist der Gründer des „Karbala Islamic Education Center“. Aber seine Teilnahme wurde wenige Tage vor der Zeremonie abgesagt. Angeblich soll seine Einladung aufgrund seiner früheren Unterstützung für die Hisbollah, eine als terroristisch eingestufte Organisation, zurückgezogen worden sein.
Aber warum wurde an so einem sensiblen Punkt der öffentlichen Wahrnehmung kein Ersatzmann bestellt? Wollte Donald Trump ganz bewusst keinen Imam dabeihaben? Die Kritik an der Auswahl von Husham Al-Hussainy kam jedenfalls schnell.
Noch am 19. Januar 2025 gab Imam Husham Al-Hussainy ein Interview mit Bezügen zu seiner Einladung. Erstaunlicherweise ist das Interesse der Medien in Deutschland, aber auch weltweit, sehr gering, zu erfahren, warum Husham Al-Hussainy kurzfristig ausgeladen wurde.
Einige Gründe, wie eine Nähe zum Iran, waren längst bekannt. Es ist kaum vorstellbar, dass bei der Auswahl den persönlichen Hintergründen eine so geringe Beachtung geschenkt wurde. Man kann nur spekulieren, ob sich Trumps Team absichtsvoll einen radikaleren Kollegen ausgesucht hatte, von dem man sich kurz vor der Veranstaltung trennen kann, ohne dass man eine Möglichkeit hat, noch einen Ersatz zu finden.
Wollte Trump gar keinen muslimischen Segen? Ein wichtiger Fokus der Veranstaltung lag auch auf dem Krieg im Gaza und den jüngsten Geiselaustausch. War das ein Grund für die Absage?
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Author:
Alexander Wallasch