Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger
Noch steht nicht fest, welcher Albtraum auf uns zukommt.
Wie man hört, hat die Partei des infantilen Totalitarismus, die man auch als Grüne bezeichnet, die Vorschläge von Union und SPD zum annähernd unbegrenzten Schuldenmachen abgelehnt. Zu wenig solide sollen sie sein, die Regelung zum Verteidigungshaushalt behagt ihnen nicht und vor allem fehlt es ihnen an Mitteln zur Förderung des angeblichen Klimaschutzes. Dass Friedrich Merz im Umgang mit den Grünen ähnlich viel diplomatisches Geschick an den Tag legte wie Annalena Baerbock im Umgang mit dem Rest der Welt, dürfte die Zustimmungsbereitschaft nicht gesteigert haben: Per Sprachnachricht soll er angeboten haben, das Wort „Klima“ irgendwo im Text zum Sondervermögen unterzubringen – Verhandlungsstrategie vom Feinsten!
Nun zieren sich die hauptberuflichen Klimahysteriker und Feinde der Meinungsfreiheit und machen sogar eigene Vorschläge. Und wie nicht anders zu erwarten, bewegt sich die Union in die gewünschte Richtung. Zu behaupten, sie würden ihre Seele für das Kanzleramt verkaufen, wäre übertrieben, denn so etwas wie eine Seele haben die Unionsparteien schon lange nicht mehr. Doch schon am 10. März gab Thorsten Frei, der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, zur Kenntnis, den Christdemokraten sei „bewusst, dass wir uns aufeinander zubewegen müssen“.
Es war nicht anders zu erwarten, und ebenso ist zu erwarten, dass man sich am Ende auf einen noch ruinöseren Pakt einigt als bisher. 100 Milliarden weitere Schulden? Oder gar 200 Milliarden? Was ist das schon, gemessen an der Ewigkeit oder wenigstens an den Forderungen der Klimakatastrophe? Ich wage daher die Prognose, dass die von Merz so sehnlich herbeigewünschte Zwei-Drittel-Mehrheit zustande kommen wird, nur für ein noch schlimmeres Vorhaben als bisher; da die Grünen beteiligt sind, kann es nur schlimmer werden.
Und dann? Der bisherige Bundestag wird endgültig abtreten, nachdem er seine letzte Schuldigkeit zum Untergang Deutschlands getan hat, der neue wird folgen und einen Bundeskanzler zu wählen haben. Ich darf erinnern: Bei diesem Wahlakt wird das Schuldendesaster bereits beschlossene Sache sein, und niemand kann die Abgeordneten zwingen, einen bestimmten Kandidaten zu wählen. So mancher unter den Lesern wird sich an den einen oder anderen Mitschüler aus alter Zeit erinnern, von dem man gerne die Hausaufgaben übernahm oder in den Klassenarbeiten abschrieb, der aber beim Fußballspielen nicht mitmachen durfte, weil man ihn eigentlich nicht ausstehen konnte. Das gibt es nicht nur unter Schülern. Soll man glauben, dass die linken Kräfte im neuen Bundestag – SPD, Grüne und die Linkspartei – ihre Freude an einem Bundeskanzler Merz haben? Für die Klassenarbeit war er gut genug, will sagen: die Schuldenorgie hat man mit seiner und seiner Fraktions-Hilfe beschlossen, aber beim Fußball stört er, beim unbegrenzten Verschwenden der schönen Milliarden könnte er im Weg stehen, und das mögen Linke nicht.
Boris Pistorius hat schon die ersten Weichen gestellt: Nicht nur, dass er im Hinblick auf die Migrationspolitik verkündete, die SPD habe sich inhaltlich durchgesetzt und man habe die Union „nicht eine Sekunde in unseren Vorgarten gelassen“, er bezeichnete auch einige der Verhandlungspartner als „wirklich unangenehm. Sie haben kein Gewissen“. Und die allseits beliebte Saskia Esken betrachtet es als „sehr ungerecht und bitter“, dass jetzt die Union den Kanzler stellen dürfe.
Aber so muss es ja nicht kommen. Für den ersten Wahlgang wird der bekanntermaßen stets überparteilich agierende Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einen Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers vorschlagen. Damit man es nicht gleich so deutlich zeigt, was man wirklich will, steht zu vermuten, dass es sich dabei um Friedrich Merz handeln wird. Doch den will man auf der linken Seite des Spektrums doch gar nicht haben. 316 Stimmen müsste Merz auf sich vereinigen, und das wäre auch problemlos möglich, denn Union und SPD verfügen zusammen über 328 Sitze. Sofern sich die SPD-Abgeordneten auch wirklich für Merz entscheiden. Sollten sie das unterlassen, weil ihnen und ihrer Partei- und Fraktionsführung eine andere Variante viel heimeliger erscheint, bleibt Merz im Regen stehen.
Denn es ist nicht anzunehmen, dass er die Stimmen der AfD erhält, Alice Weidel hat Merz nicht ohne Grund vorgeworfen, er habe sämtliche Wahlversprechen gebrochen, und zog „ihre in Richtung Union ausgestreckte Hand zurück“. Da ist es doch eher unwahrscheinlich, dass ihre Fraktion einem Kanzlerkandidaten Merz viel abgewinnen kann. Sollten sie ihm wider Erwarten doch ins Amt verhelfen, nützt ihm das gar nichts, denn eine Unterstützung der AfD ließe sämtliche Medien Sturm laufen, und so etwas hält die zarte Seele von Merz nicht aus. Er dürfte also in diesem Fall die Wahl ohnehin nicht annehmen.
Falls nun die SPD sich doch nicht für Merz entscheiden mag, gibt es eine zweite Wahlphase, die 14 Tage lang dauern kann. In dieser Zeit kann jeder nach Lust und Laune kandidieren, es bedarf keines Wahlvorschlages von Seiten des Bundespräsidenten mehr, aber noch immer werden zur Wahl 316 Stimmen benötigt. Sicher wird Merz in diesem Fall wieder mit allen und jedem konferieren wollen oder gar Sprachnachrichten verschicken, darin hat er Übung. Doch er ist nun mal der Schüler, von dem man die Hausaufgaben abschreibt und mit dem man sonst nichts zu tun haben will: Wenn die linke Seite ihn nicht will, dann wird sie ihn nicht wählen; er ist ja schon in Vorleistung getreten, was sollen sie noch mit ihm?
So vergeht die zweite Wahlphase ohne Ergebnis. Interessant wird es erst im dritten Teil. Artikel 63 des Grundgesetzes regelt, was danach geschieht: „Kommt eine Wahl innerhalb dieser Frist nicht zustande, so findet unverzüglich ein neuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Vereinigt der Gewählte die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich, so muss der Bundespräsident ihn binnen sieben Tagen nach der Wahl ernennen. Erreicht der Gewählte diese Mehrheit nicht, so hat der Bundespräsident binnen sieben Tagen entweder ihn zu ernennen oder den Bundestag aufzulösen.“
Wie man sieht, genügt jetzt die relative Mehrheit: Gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Doch wer könnte das sein? Hier ergeben sich zwei Möglichkeiten, je nachdem, was man in linken Hinterzimmern ausgemacht hat. SPD, Grüne und Linkspartei verfügen im neuen Bundestag über 269 Stimmen. Sicher, Union und AfD könnten dem 360 Stimmen entgegensetzen, aber noch immer gehe ich davon aus, dass die AfD kein Votum für Merz abgeben wird, und dass er, falls ich mich damit irre, gezwungen wäre, die Wahl nicht anzunehmen. Es wäre daher mehr als wahrscheinlich, dass der linke Block aus 269 Stimmen die relative Mehrheit für seinen Kandidaten erzielen kann, weil der Rest des Hauses keinen gemeinsamen Kandidaten hat. Damit ist der linke Kandidat gewählt.
Und um wen handelt es sich? Ich sehe zwei Möglichkeiten. In den Reihen der SPD wird Boris Pistorius schon lange als Kanzler gehandelt; da er im Verteidigungsministerium die Nachfolge von Christine Lambrecht angetreten hat, konnte er nur positiv auffallen. Doch man sollte die Grünen und ihre Protagonisten in ihrer Machtversessenheit nicht unterschätzen. Wer wäre denn geeigneter als der gefühlte Kanzlerkandidat, der unvergessliche und unvergleichliche Robert Habeck, der sich schon als Bündniskanzler bezeichnet hatte? Zwar hatte er angekündigt, als Konsequenz aus dem eher mageren Wahlergebnis keine herausgehobene Funktion für die Partei mehr anzustreben, doch das Amt des Bundeskanzlers ist kein Parteiamt, davon hat er nicht gesprochen. Und gab es nicht eine Online-Petition, geteilt von mehr als 400.000 politisch Hinterbliebenen, die ihn zum Bleiben aufgefordert hatte? So etwas hat Pistorius nicht vorzuweisen.
Somit kann sich der linke Block darauf verständigen, in der dritten Phase der Kanzlerwahl Robert Habeck mir relativer Mehrheit zu küren. Steinmeier muss ihn dann nach Artikel 63 zwar nicht zwingend ernennen, aber er wird sich hüten, die Alternative der Auflösung des Bundestages auch nur von Ferne ins Auge zu fassen – zu schön wäre doch ein linker Regierungsblock für unseren überparteilichen Präsidenten, und dass er keine wirkliche Mehrheit im Bundestag hat, stört in „unserer Demokratie“ niemanden.
Ob all das geschehen wird, kann ich nicht wissen. Möglich ist es, und wirft man einen Blick auf die beteiligten Charaktere, so ist es auch nicht unwahrscheinlich. Zur Zeit der Hexenverfolgungen pflegte man gerne der Hexerei verdächtige Frauen in einen Teich zu platzieren, um zu sehen, ob sie wohl untergingen. War das der Fall, hielt man sie noch lange nicht für unschuldig, da es sich ja um ein ganz besonders hinterhältiges Hexenzauberstück handeln konnte, und man nahm billigend in Kauf, dass die Verdächtige das Experiment nicht überlebte. Schwamm sie hingegen oben, galt die Hexerei als erwiesen und ihr Leben war verwirkt. In keinem der beiden Fälle standen die Chancen der Verhafteten übermäßig gut. Hierzulande sieht es ähnlich aus. Ruin mit Merz, Zerstörung mit Pistorius, Untergang mit Habeck: Die Deutschen hatten die Wahl.
Nun werden sie die Folgen tragen.
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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.
Bild: Dynamoland / Shutterstock
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