• 14. Dezember 2024

Journalismus muss von den Herrschenden gefürchtet werden – Gekuschelt wird nicht!

ByJörg

Okt 17, 2024

Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann ich einmal einen Newsletter des Focus bestellt habe. Habe ich überhaupt? Jedenfalls ist es bequemer und einer Faulheit geschuldet, Meldungen einfach mit einer Fingerbewegung am Handy wegzuwischen, anstatt das Newsletter ein für alle Mal mit den dafür notwendigen Schritten abzubestellen.

Heute bin an so einem „Briefing“, wie es der Focus nennt, hängengeblieben. Konkret an der Überschrift „Findet die Ukraine 2025 Frieden?“

Geschrieben wurde das „ Briefing“ von Thomas Tuma. Sein Porträt wurde ebenfalls veröffentlicht, blaue Augen, modisches fluidales Brillengestell, weißer Dreitagebart, weiße Haut, weiße Glatze. Tuma ist „Chefautor“ des Focus und Mitglied der Chefredaktion. Er ist sogar in meinem Alter und hat als Journalist diverse Redaktionen vom „Stern“ bis zum „Handelsblatt“ durchlaufen, nein, wir kennen uns nicht persönlich.

In besagtem Briefing geht es einleitend nicht um die Ukraine, sondern darum, dass Thomas Tuma offenbar in eine Lebensabschnittsphase eingetreten ist, in der der Wunsch, für das was man tut, auch geliebt zu werden, immer öfter Kontrolle über sein Leben beansprucht.

Tuma beschwert sich leise, dass ihn alles so müde mache: „All das wachsende Gekrittel links wie rechts macht ja sogar mich müde.“ In einem Satz: Der Focus-Journalist sehnt sich nach einer Extraportion Optimismus und hat darüber seine eigentliche Aufgabe als Medienvertreter aus dem Auge verloren.

Journalismus bedeutet nun aber leider, als Vierte Gewalt 24/7 der Stachel im Fleisch der Mächtigen und Herrschenden zu sein. Diese Rolle wird von der Verfassung explizit geschützt.

Journalisten genießen bei der Ausführung ihres Berufes eine Reihe von Sonderechten, welche ihnen garantieren soll, unbehelligt kritisch zu bleiben. Und denen sie im Gegenzug ihrerseits gerecht werden müssen. Gefallsucht ist der Tod dieser Tätigkeit, er geht sogar schlimmstenfalls einher mit Kungelei und Gefälligkeitsschreiberei.

Wer sich mit dem Objekt seiner Beobachtung gemein macht, wer jedermanns Darling sein möchte, der läuft Gefahr, sich als Journalist unkenntlich zu machen.

Aber was ist der Gradmesser? Furcht!

Journalismus muss von den Herrschenden gefürchtet werden. Der freien Presse gegenüber müssen sich die Mächtigen immer wieder aufs Neue rechtfertigen. Wer ungemütlich ist, der eckt an, der ist unbeliebt. Thomas Tuma hat es ein bisschen satt, nicht gemocht zu werden. Er sehnt sich nach Zuneigung.

Journalisten darf man aber nur auf eine einzige Weise zugeneigt sein: Und das betrifft ihre Unbestechlichkeit. Und ihre Klarheit und Eindeutigkeit dort, wo sie Haltung zeigen und einen Meinungsartikel veröffentlichen.

Toma – der hier nur das Pech hatte, beispielhaft vorgestellt zu werden – schreibt, er sei empfindlich, wenn ihm jemand vorwerfe, Narrative der AfD zu bedienen:

„Nein“, rechtfertigt er sich, „tu ich nicht, „Ich versuche dieser Protestpartei eher Themen wegzunehmen, indem ich sie offen dorthin spiele, wo sie hingehören: in die Mitte der Gesellschaft. Egal ob Migration, Islamismus oder Energiewende – wir müssen reden! Die AfD bewirtschaftet erst die Tabus, die wir ihr lassen.“

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Aber für wen hält sich Thomas Tuma, wer will er sein? Erst sehnt er sich widernatürlicher Weise als Journalist danach, gemocht zu werden. Dann wechselt er die Seiten und wird Konkurrenzpartei zur AfD und sieht sich dabei als eine Art vermittelnder Conférencier hinüber zu einer „Mitte der Gesellschaft“.

Der Focus-Mitarbeiter schreibt den Lesern des Blattes: „Wir müssen reden!“ Aber welcher Grund sollte dafür vorliegen? Wenn der Focus keine dramatische Sitcom ist, dann ist er ein Wochenmagazin, dass über die Ereignisse der vergangenen Woche berichten und diese kritisch begleitet. Bestenfalls aufgerüstet mit Interviews der relevanten Personen, die mit der Nachricht in Verbindung stehen.

Thomas Tuma hat sich ein stückweit verheddert. Er möchte geliebt werden. Aber der Schlachter kann keine Lobeshymnen von den Veganern erwarten, sei denn dafür, dass er seinen Beruf an den Nagel hängt. Bekommt er dennoch welches, dann ist etwas in Unwucht geraten, dass es zu überprüfen gilt.

Es ja nicht so, dass Journalismus keine Anerkennung bekäme. Wer Missstände ohne Umwege investigativ und aufmerksam verfolgt, analysiert und veröffentlicht, der macht das gnadenlos. Das werden seine Leser anerkennen. Und nur daraus darf und soll sich der Antrieb für Journalisten ableiten weiterzumachen. Wer kein Blut sehen kann, der wird nicht Chirurg, wer nicht bereit ist, tief in die schmutzige Wäsche der Mächtigen zu fassen, um etwas daraus hervorzuziehen, der wird kein Journalist.

Thomas Tuma will rausgehen und mit klugen Menschen sprechen. Er überschreibt sein „Briefing“ mit den Worten „Auf zur Mission Zuversicht“. Aber so etwas sollten sich seine Leser allenfalls am Sonntag in der Kirche erzählen lassen, vorausgesetzt, sie glauben daran. Einem Journalisten auf Mission ist grundsätzlich zu misstrauen. Und zwar noch deutlicher, als einem Politiker. Denn von einem Journalisten erwartet man exakt das Gegenteil: Niemals auf Mission zu sein, ganz gleich auf welcher.

Tuma will offenbar so etwas, wie Literatur produzieren und keine Nachrichten mehr. Er sehnt sich nach einer Entschleunigung, nach Anerkennung, nach einer Form von gepflegtem Bildungsjournalismus. Nach einer Tasse Kakao und einem klugen Gespräch?

Tuma und der behäbige Focus hin oder her, die Welt dreht sich stur im selben Tempo weiter. Aufmerksamkeit ist die erste Pflicht des Journalisten. Und der unbedingte Wille, an einer Sache dranzubleiben und der Wahrheit auf der Spur zu bleiben, wo und wie auch immer sie sich offenbart. Das schulden wir unseren Lesern. Aufgeben ist dabei keine Option.

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Author:
Alexander Wallasch

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