In den letzten Monaten ist häufig von den „westlichen Werten“ die Rede, von denen man annehmen muss, dass damit dieselben Werte gemeint sind, die im Grundgesetz als Wertbasis der demokratischen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland formuliert wurden – schon weil alles andere ein Bruch mit der Verfassung wäre.
Um welche Werte handelt es sich dabei?
Wir haben in alten Urteilen des Bundesverfassungsgerichts gekramt und das Urteil des ersten Senats 1BvR 253/56 vom 16. Januar 1957 gefunden, in dem es um die Frage geht, ob Ausreiseeinschränkungen, in diesem Fall die Versagung eines Passes durch die Passbehörde, mit der im Grundgesetz garantierten Würde des Menschen vereinbart ist.
Schon damals haben die Richter des Ersten Senats im Sinne „des Staates“ und gegen die individuelle Freiheit entschieden und im gesamten Urteil einen Duktus genutzt, den man als eingehegten Individualismus bezeichnen kann. Die Einhegung der individuellen Freiheit wird durch die Rechtsordnung, die wiederum, das war für die damaligen Richter selbstverständlich, im Einklang mit der verfassungsmäßigen Ordnung stehen MUSS, sowohl formell als auch materiell, vorgenommen und kommt in Sätzen wie – „soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt“.
Die Rechte anderer sind in Rechtsnormen geregelt, die der verfassungsgemäßen Ordnung entsprechend müssen, und die guten Sitten – für die damaligen Richter wohl etwas Ehernes gewesen, etwas, von dem sie angenommen haben, es habe „ein Wesen“, einen festen unveränderlichen Kern, haben sich irgendwie dazu gemischt. Was Joseph Wintrich, Erna Scheffler, Friedrich August Heiland, Friedrich Heck usw. wohl heute, mit den Kenntnissen, die sie zwischenzeitlich gewonnen haben müss(t)en zu ihrem Urteil von damals sagen würden?
Denn sie hätten sicher wissen können, dass die Anwendung von guten Sitten einer moralischen Basis bedarf, die Berufspolitiker hinlänglich zerstören können, nicht zuletzt sollte sie das Dritte Reich entsprechendes gelehrt haben und sie sollten zudem gewusst haben, dass die Erfindung immer neuer Anderer, denen immer neue Rechte zugeordnet werden können, eines der effizientesten Mittel ist, um individuelle Freiheit zu zerstören, vor allem, wenn die erfundenen neuen Rechte gesellschaftlichen Gruppen zugeweisen werden, Kindern, LSBTIQusw., Frauen aus der Mittelschicht … Abermals mussten sie ihren Blick nur in die tausend vorausgehenden Jahre des Reiches richten, um zu sehen, welche Verheerungen neue Rechte, die bestimmten Gruppen zugewiesen werden oder bestehende Rechte, von deren Nutzung bestimmte Gruppen ausgeschlossen werden, anzurichten im Stande sind.
Aber vermutlich haben Sie sich von einer gewissen Euphorie, die aus der Selbstüberschätzung eigener Relevanz gespeist wird, davontragen lassen und sind nicht einmal im Traum auf die Idee gekommen, dass Polit-Gauner ihre juristische Suprematie durch das Vollstopfen des Verfassungsgerichts mit ideologischen Komparsen untergraben und den Schutz der Verfassung durch Artikel 79, der eine Zweidrittel-Mehrheit für Verfassungsänderung vorsieht, durch Parteien-Kollusion aushebeln.
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Das vorausgeschickt, ist das Urteil in bestimmten Teilen interessant. Wir haben den wichtigsten Passus herausgenommen:
„…hat das Grundgesetz eine wertgebundene Ordnung aufgerichtet, die die öffentliche Gewalt begrenzt. Durch diese Ordnung soll die Eigenständigkeit, die Selbstverantwortlichkeit und die Würde des Menschen in der staatlichen Gemeinschaft gesichert werden (BVerfGE 2, 1 [12 ]; 5, 85 [204 ff.]).
Die obersten Prinzipien dieser Wertordnung sind gegen Verfassungsänderungen geschützt (Art. 1, 20, 79 Abs. 3 GG). Verfassungsdurchbrechungen sind ausgeschlossen; die Verfassungsgerichtsbarkeit überwacht die Bindung des Gesetzgebers an die Maßstäbe der Verfassung. Gesetze sind nicht schon dann „verfassungsmäßig“, wenn sie formell ordnungsmäßig ergangen sind. Sie müssen auch materiell in Einklang mit den obersten Grundwerten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung als der verfassungsrechtlichen Wertordnung stehen, aber auch den ungeschriebenen elementaren Verfassungsgrundsätzen und den Grundentscheidungen des Grundgesetzes entsprechen, vornehmlich dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und dem Sozialstaatsprinzip.
Vor allem dürfen die Gesetze daher die Würde des Menschen nicht verletzen, die im Grundgesetz der oberste Wert ist, aber auch die geistige, politische und wirtschaftliche Freiheit des Menschen nicht so einschränken, daß sie in ihrem Wesensgehalt angetastet würde (Art. 19 Abs. 2, Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 GG).
Hieraus ergibt sich, daß dem einzelnen Bürger eine Sphäre privater Lebensgestaltung verfassungskräftig vorbehalten ist, also ein letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit besteht, der der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist. Ein Gesetz, das in ihn eingreifen würde, könnte nie Bestandteil der „verfassungsmäßigen Ordnung“ sein; es müßte durch das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt werden.
Nach dieser Argumentation der damaligen neun Verfassungsrichter, die für das Urteil verantwortlich zeichnen, ein Urteil, das bis heute Gültigkeit hat, wird Bürgern in Deutschland ein unverletztlicher Raum zugesichert, der der Verwirklichung ihrer persönlichen Freiheit dient und in den von Seiten des Staates in keiner Weise eingegriffen werden darf. Um welche Grundrechte, die für die Würde des Menschen unverzichtbar sind, es sich dabei handelt, kann man aufgrund des Hinweises auf Art 1 Abs. 3 sehen. Artikel 1 Absatz 3 lautet:
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung dürfen demnach nicht gegen:
- Die freie Entfaltung der Persönlichkeit (innerhalb von Recht und Sitte) (Art. 2),
- Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3),
- Religions-, Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4),
- Meinungsfreiheit, Pressefreiheit (Art. 5),
- Versammlungsfreiheit (Art. 8),
- Vereinigungsfreiheit (Art. 9),
- Briefgeheimnis (Art. 10),
- Freizügigkeit (Art 11),
- Berufsfreiheit (Art. 12),
- Unverletztlichkeit der Wohnung (Art.13),
- Garantie von Eigentum (Art. 14),
verstoßen. Indes haben die Verfassungsrichter mit einem logischen Fehler schon damals die Grundlagen dafür gelegt, dass nachfolgende Polit-Darsteller-Generationen die verfassungsgemäße Ordnung hintertreiben und in den „unantastbaren“ Raum persönlicher Freiheit eindringen, einfach dadurch, dass sie die folgende Formulierung gewählt haben:
„Vor allem dürfen die Gesetze daher die Würde des Menschen nicht verletzen, die im Grundgesetz der oberste Wert ist, aber auch die geistige, politische und wirtschaftliche Freiheit des Menschen nicht so einschränken, daß sie in ihrem Wesensgehalt angetastet würde„.
Rechte wie Menschenwürde oder Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit sind keine Rechte, die einen Wesensgehalt haben, der genau bestimmbar ist und genutzt werden kann, um die Grenze der zulässigen Einschränkung zu bestimmen, die man diesen Rechten zufügen kann. Wer Menschenwürde einschränkt, der hat damit Menschenwürde beseitigt. Es gibt nur Menschenwürde, nicht ein wenig Menschenwürde oder ein wenig mehr Menschenwürde. Immerhin war das den Vätern des Grundgesetzes klar und sie haben geschrieben:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Und so wie die Menschenwürde keine Einschränkungen zulässt, so lässt auch die Meinungsfreiheit oder die Religionsfreiheit oder die Berufsfreiheit keine Einschränkungen zu: Wer Meinungen in einen Kanon erlaubter und nicht erlaubter Meinungen, Hass und Hetze, einteilt, der hat damit de facto Meinungsfreiheit abgeschafft. Wer Religionsfreiheit unter den Vorbehalt einer Differenzierung nach Religionen, die staatlich gefördert und Religionen, die staatlich bekämpft werden, stellt, der hat Religionsfreiheit beseitigt, und wer per Zulassung zu Schulen und höheren Bildungsgängen, wie das in der DDR der Fall war, kontrolliert und damit bestimmte Berufe dem Zugang bestimmter Schüler entzieht, der hat Berufsfreiheit erledigt.
Die dumme Rede vom Wesen von Freiheitsrechten ist nur notwendig, wenn man staatlichen Einschränkungen eine Legitimationsbasis verschaffen will, weil man individueller Freiheit nicht traut, aber voll des blinden Vertrauens gegenüber staatlichen Organisationen ist, die zu übernehmen für eine organisierte Bande von Polit-Gangstern eher kein Problem darstellen dürfte. Max Weber, einer der Väter der Weimarer Verfassung hat zeitlebens vor der Gefahr, die bürokratische Monster in den Händen ruchloser Polit-Gauner darstellen, gewarnt.
Umsonst, wie sich herausstellt.
Der deutsche demokratische Versuch leidet an dem Geburtsfehler des Misstrauens gegenüber individuellen Freiheitsrechten und der absurden Überzeugung, man könne es ausgerechnet staatlichen Institutionen anvertrauen, über das verträgliche Maß bestimmter Grundrechte im Rahmen einer „verfassungsmäßigen Ordnung“ zu entscheiden. Die Bundesverfassungsrichter aus dem Jahre 1957, sie hatten das Dritte Reich noch in der unmittelbaren Erinnerung, sollten also eine Vorstellung davon gehabt haben, wie einfach es ist, demokratische Institutionen zu kapern und zum Vehikel zu machen, mit dem die eigene Kriminalität ausgelebt werden kann.
Es scheint leider nichts an ihrem Misstrauen gegenüber individueller Freiheit geändert zu haben.
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Author: Michael Klein
Michael Klein