Seit Monaten sorgen die massenhaften Anzeigen, die vor allem grüne Politiker wegen angeblicher Beleidigungen wie „Schwachkopf“ gegen harmlose Bürger erstatten, für Fassungslosigkeit. Noch erschütternder als die Überempfindlichkeit unfähiger Politiker, ist jedoch die Bereitschaft der Justiz, sich für die Ahndung solchen Unsinns herzugeben und dafür Zeit und Ressourcen zu verschwenden, die überall sonst dringender gebraucht würden. Eines der neuesten Opfer ist die 74-jährige Rentnerin Dorin van Geul, die vom Amtsgericht Düsseldorf wegen „Volksverhetzung“ zu 150 Tagessätzen á 53 Euro, insgesamt 7950 Euro verurteilt wurde, weil sie die Migrationspolitik der Bundesregierung auf Facebook mit den Worten: „Blablabla. Wir brauchen Fachkräfte und keine Asylanten, die sich hier nur ein schönes Leben machen wollen, ohne unsere Werte und Kultur zu respektieren. Schickt die, die hier sind, mal zum Arbeiten. Wir sind nicht auf Faulenzer und Schmarotzer angewiesen und schon gar nicht auf Messerkünstler und Vergewaltiger“ kritisiert hatte.
Damit reagierte sie auf einen Artikel vom Oktober 2023, in dem Robert Habeck mit der Aussage „Deutschland ist auf Zuwanderung angewiesen, um den Arbeitskräftebedarf zu decken“ zitiert wurde. Die Staatsanwaltschaft vertrat allen Ernstes die Ansicht, van Geuls Kommentar erfülle den Tatbestand der Volksverhetzung, da sie damit in einer Art und Weise, „die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, zum Hass aufgestachelt“ habe. Vor Gericht erschienen gleich zwei Staatsanwälte, die forderten, die „massive Politikkritik“ müsse sich strafschärfend auswirken – als ob -auch massive- „Politikkritik“ nicht eines der elementarsten Grundrechte in einem demokratischen Rechtsstaat wäre. Richter Tobias Kampmann schloss sich der Forderung der Staatsanwaltschaft jedoch an.
Volksverhetzungsparagraph ad absurdum geführt
Der Volksverhetzungsparagraph 130 des Strafgesetzbuches war 1960 eingeführt worden, vor allem, um Juden in Deutschland nach dem Holocaust zu schützen, wie die Richterin Clivia von Dewitz in der „Berliner Zeitung“ in Erinnerung rief. In den 50er-Jahren besaßen Politiker noch die Weisheit, zu erkennen, dass die „innere Bewältigung der unseligen Epoche des Nationalsozialismus“ woanders vor sich gehe als vor dem Strafgericht, etwa in der Erziehung. Damit war es 1960 jedoch vorbei. Um nicht jede Meinungsäußerung als Volksverhetzung zu brandmarken, wurde das einschränkende Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Friedens eingeführt.
Laut von Dewitz wäre im Fall der Rentnerin ergebnisoffen zu prüfen gewesen, ob ihre Aussagen schon geeignet waren, den öffentlichen Frieden zu gefährden. Diese hätten jedoch lediglich die persönliche Meinung van Geuls dargestellt und keinen Aufruf zu Straftaten enthalten. Von Derwitz verweist auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von 2018, wonach das Ziel des Volksverhetzungsparagraphen der Schutz vor Äußerungen sei, „die ihrem Inhalt nach erkennbar auf rechtsgutgefährdende Handlungen hin angelegt sind“. Eine Verurteilung könne nur dann an Meinungsäußerungen anknüpfen, „wenn sie über die Überzeugungsbildung hinaus mittelbar auf Realwirkung angelegt sind und etwa in Form von Appellen zum Rechtsbruch, aggressiver Emotionalisierung oder durch Herabsetzung von Hemmschwellen rechtsgutgefährdende Folgen unmittelbar auslösen können“. Die Meinungsfreiheit finde erst dann ihre Grenzen im Strafrecht, „wenn die Äußerungen in einen unfriedlichen Charakter umschlagen.“
Der Staat genießt keinen Ehrschutz
Und im April 2024 stellte das BVerfG klar, dass der Staat grundsätzlich keinen Ehrschutz genieße und auch scharfe und polemische Kritik aushalten müsse. Öffentliche Kritik gegen den Staat sei vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt. Einer Einschränkung seien enge Grenzen gesetzt.
All das wurde von der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft und dem Amtsgericht einfach ignoriert. Die Verurteilung van Geuls wegen Volksverhetzung ist schlicht lächerlich. Leider ist dies kein Einzelfall. Überall in Deutschland finden sich Behörden und Gerichte, die wegen solcher Nichtigkeiten aktiv werden und Bürger schikanieren, zu horrenden Geldstrafen verurteilen und sie der Tortur langwieriger und teurer gerichtlicher Auseinandersetzungen aussetzen. Deshalb kann man sich von Dewitz` Fazit nur anschließen, die feststellte: „Eine der Lehren, die gerade in Deutschland aus der NS-Vergangenheit gezogen werden müssen, ist doch, keine Menschen mehr strafrechtlich zu verfolgen, die die Regierung kritisieren, und demokratische Werte wie Meinungsfreiheit und die Kontrolle der Exekutive durch die Gerichte und die Medien besonders hochzuhalten – auch und gerade in Krisenzeiten.“ (TPL)
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Author: Kurschatten
Journalistenwatch