Von Kai Rebmann
Statt der vielfach versprochenen Peitsche gibt es vom Sozialstaat jetzt noch mehr Zuckerbrot. Dass Arbeitslose gerade in sehr ländlich geprägten Regionen von den Jobcentern gelegentlich einen Zuschuss zum Führerschein bekommen, ist eine seit Jahren gelebte Praxis und wird bei vielen noch auf so etwas wie Akzeptanz stoßen – wenn diese Maßnahme dann in ein neues und vor allem auf Dauer angelegtes Beschäftigungsverhältnis mündet.
Was beispielhaft aber vom Jobcenter Dortmund angeboten wird, ruft beim fleißigen Steuerzahler nur noch empörtes Kopfschütteln hervor. Seit Mai soll dort auf Grundlage einer sogenannten „ermessenslenkenden Weisung“ auch der Autokauf finanziert bzw. bezuschusst werden und das mit einem Betrag in Höhe von bis zu 5.000 Euro.
Dortmund ist dabei offenbar kein Einzelfall, sondern nur die jetzt öffentlich gewordene Spitze des Eisbergs. Die Bundesagentur für Arbeit bestätigt die Details auf Nachfrage der „Bild“, die zuerst über den Fall berichtet hatte. Demnach könnte das Geld „nach Ermessen“ ausbezahlt werden, „wenn die Ausübung der in Aussicht stehenden Tätigkeit ein eigenes Fahrzeug erforderlich“ mache – zusätzlich zu den 3.000 Euro, die es bisher schon für den Führerschein gibt. Eine volle Kostenübernahme beim Autokauf sei „in der Regel“ nicht vorgesehen, lediglich eine Beteiligung als „Zuschuss“.
Tatsächlich ist ein „Zuschuss“ bis hin zur vollständigen Kostenübernahme aber nicht nur möglich, sondern grundsätzlich sogar vorgesehen. Das ergibt sich ganz unmittelbar aus der „ermessenslenkenden Weisung“ des Jobcenters. Dort heißt es: „Soweit der Kaufpreis des vom eLb [Leistungsbezieher, Anm. d. Autors] gewünschten Pkw/Roller/Pedelec/S-Pedelec/eBike höher ausfallen sollte, obliegt es dem eLb die Mehrkosten selber zu tragen.“
Ferner müssen lediglich drei Vergleichsangebote von gewerblichen Verkäufern und ein unbefristeter Arbeitsvertrag vorgelegt werden. Neben Autos können vom Jobcenter auch Roller (bis zu 3.000 Euro) oder Pedelec, S-Pedelec, eBikes oder Mofas (bis zu 2.000 Euro) bezuschusst bzw. vollfinanziert werden. Nach einer Auszahlung „nur in eng definierten Einzelfällen“ oder einer „absoluten Ausnahmeregel“, wie die Bundesagentur für Arbeit und das Jobcenter Dortmund unisono betonen, hört sich das alles nicht an.
Eigeninitiative? Beim Bürgergeld nicht gefordert!
So sieht das offenbar auch ein Sachbearbeiter im Jobcenter, der seinen Namen „aus beruflichen Gründen“ lieber nicht im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung in den Medien lesen will. Es bestehe die große Gefahr, „einfach abkassiert“ zu werden, so der Insider, der ein einfaches Beispiel aus seinem Alltag formuliert: Ein Pizzabäcker stellt einen Boten ein. Nach sechs Monaten wird das Ausbildungsverhältnis beendet und beide Seiten teilen sich die 8.000 Euro, die es vom Amt für Autokauf und Führerschein gab. Eine in der Tat schon hinlänglich bekannte Masche, die in etwas abgewandelter Form auch schon in Döner-Buden praktiziert wird.
Amtschef Marcus Weichert will davon nichts wissen und rechnet eigenen Angaben zufolge mit „maximal zehn Fällen pro Jahr“, also einem Budget von bis 50.000 Euro – und sieht darin einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen für die Gesellschaft. Der Steuerzahler hingegen wird sich mit einigem Recht fragen, weshalb es beim Thema Bürgergeld immer die bequemste Lösung sein muss. Was spräche zum Beispiel dagegen, einem Leistungsbezieher die Finanzierung eines seiner Situation angemessenen adäquaten Fahrzeugs zuzumuten?
Und wenn Autohändler und/oder Bank dabei nicht mitmachen, dann könnte immer noch das Amt einspringen – und ein womöglich sogar zinsloses, aber in jedem Fall vollständig zurückzuzahlendes Darlehen gewähren. Möglich wäre auch, den Zuschuss bzw. die vollständige Kostenübernahme an eine wirklich langfristige, über mehrere Jahre gehende Berufstätigkeit zu knüpfen, die einen Führerschein und/oder Fahrzeug nötig machen – und andernfalls den Betrag vollständig oder zumindest teilweise zurückzufordern. Aber von solchen „Härten“, die einen echten Leistungsdruck ausüben könnten, ist in der „ermessenslenkenden Weisung“ keine Rede.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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