• 27. Juli 2025

Es war eine dieser Geschichten, bei denen man als Journalist zwei Mal hinschauen muss – nicht, weil man den Skandal nicht erkennt. Sondern weil man sich fragt, wie man ihn einordnet, ohne selbst in den Mahlstrom aus Empörung, Projektion und Symbol-Hysterie zu geraten.

Ein Hakenkreuz auf einem Stimmzettel im Landtag von Baden-Württemberg. Das allein hätte gereicht, um die Republik in Aufruhr zu versetzen. Denn wann immer irgendwo ein verfassungsfeindliches Symbol auftaucht, beginnt die automatische Maschinerie: Die AfD wird ins Visier genommen, ein rechtsradikaler Hintergrund wird vermutet, Politiker empören sich öffentlich, Medien greifen zu den vertrauten Reizwörtern.

Doch diesmal ist alles anders.

Denn das Hakenkreuz stammt nicht von einem Rechten, sondern von einem Mann, der sich selbst für einen Kämpfer gegen Rechts hält: SPD-Landtagsvize Daniel Born.

Er kritzelte das Symbol auf den Zettel – offenbar im Affekt. „Die zunehmende Gewöhnung an die AfD lässt mir keine ruhige Minute mehr“, schrieb er später zur Erklärung. Eine „Kurzschlussreaktion“, ein „schwerwiegender Fehler“. Und doch zeigt genau dieser Moment mehr über den Zustand unserer Demokratie als viele große Debatten.

Denn was Born da getan hat, ist nicht einfach ein Vergehen im Sinne des Strafgesetzbuchs (§86a StGB – bis zu drei Jahre Haft). Es ist ein Symptom. Ein erschreckender Ausdruck dessen, was geschieht, wenn politische Überzeugung sich mit moralischer Selbstüberhöhung paart – und dann die Kontrolle verliert.

Da wird aus einem SPD-Funktionär ein Symbolkrieger. Aus einem Stimmzettel ein Tatort. Und aus einem verbotenen Zeichen ein vermeintlich legitimer Akt des Protests. Nur: Gegen wen? Gegen die AfD? Gegen die eigenen Ohnmachtsgefühle? Oder gegen die Demokratie, die es wagt, andersdenkende Parteien überhaupt zuzulassen?

Was dieser Fall außerdem zeigt – und was kaum jemand offen auszusprechen wagt: Immer wieder gibt es den Verdacht, dass linke beziehungsweise rotgrüne Akteure Hakenkreuze nicht nur als Protestmittel missbrauchen, sondern gezielt einsetzen, um die rechte Bedrohung optisch zu verstärken. Eine Art Symbolmanipulation – mit dem doppelten Effekt, medial Empörung zu erzeugen und politisch Kapital daraus zu schlagen. Solche Taten fließen dann regelmäßig in die Statistik „rechtsextremer Straftaten“ ein – selbst wenn der Täter selbst gar nicht von rechts kommt.

Natürlich gibt es eine reale rechtsextreme (wohlgemerkt nicht rechte) Gefahr. Aber dieser Fall wirft die Frage auf, wie oft sie durch genau solche Aktionen strategisch aufgebläht wird – mit Mitteln, die selbst demokratieverachtend sind. Hier sei nur exemplarisch an den grünen Stadtrat Manoj Subramaniam aus Erkelenz erinnert, der eine rechtsextreme Hetzjagd gegen ihn frei erfand und selbst inszenierte – unter anderem eben auch mit Hakenkreuz-Schmierereien (siehe hier).

Der Vorfall aus Stuttgart wirft aber noch weitere Fragen auf, die niemand wirklich stellen will. Zum Beispiel: Wie konnte ein so hochrangiger Parlamentarier glauben, es sei auch nur im Entferntesten vertretbar, ein Hakenkreuz auf einen Stimmzettel zu malen – selbst wenn es als vermeintliches Zeichen „gegen rechts“ gedacht war?

Und warum versuchte die SPD in einer ersten Stellungnahme, das Ganze kleinzureden – mit dem Verweis auf die „geheime Wahl“? Dabei war da längst mehr bekannt.

Was viele Bürger – ich eingeschlossen – nicht wussten: Im baden-württembergischen Landtag werden bei solchen Wahlen zwei getrennte Urnen verwendet. Eine für CDU, FDP und AfD, eine für SPD und Grüne. Wer in welche Urne abstimmt, ist dokumentiert. Auch wenn die Stimmabgabe formal geheim bleibt – das politische Lager, aus dem ein fragwürdiger Zettel stammt, lässt sich auf diese Weise durchaus eingrenzen.

In diesem Fall war nach „Bild“-Informationen bereits am Abend vor dem Geständnis klar: Der beschmierte Stimmzettel konnte nur aus der Urne der SPD- oder Grünen-Fraktion stammen. Zwei Mitglieder der Wahlkommission bestätigten das gegenüber der Zeitung.

Trotzdem hielt man öffentlich an der Fiktion fest, es sei nicht nachvollziehbar, woher der Zettel kam. Eine Nebelkerze. Und ein bezeichnender Umgang mit einem Vorfall, der landesweit für Aufregung sorgte – und bundesweit Schlagzeilen machte.

Darf eine Demokratie so mit ihrer Transparenz umgehen? Und ist ein Wahlsystem, bei dem sich politische Lager über getrennte Urnen faktisch selbst sortieren, überhaupt noch mit dem Ideal der freien, gleichen und wirklich geheimen Wahl vereinbar?

Aber die Frage des Wahlgeheimnisses ist dabei noch zweitrangig. Was sich hier zeigt, ist eine Republik, die den politischen Kompass verloren hat. Eine Gesellschaft, in der selbst verfassungsfeindliche Zeichen zu moralischen Kampfmitteln verklärt werden – solange sie gegen den „richtigen“ Gegner gerichtet sind. In der politische Gegner nicht mehr kritisiert, sondern dämonisiert werden – bis zur Selbstverblendung.

Ein SPD-Abgeordneter, der ein Hakenkreuz malt, um zu zeigen, wie schlimm er die AfD findet. Das ist keine Realsatire mehr – das ist der moralische Kurzschluss einer ganzen Partei.

Und so überrascht es auch nicht, dass viele Medien nur zögerlich beziehungsweise mit angezogener Handbremse und im Kleingedruckten über das Geständnis berichteten – als sei es ein Betriebsunfall, den man nicht zu groß machen dürfe.

Dabei ist dieser Vorfall in Wahrheit ein monumentales Lehrstück: über die Verrohung der Politik, über die moralische Selbstimmunisierung des eigenen Lagers – und über eine Republik, in der der Zweck jedes Mittel heiligt, solange es gegen die AfD gerichtet ist. Und in der politische Überzeugung wichtiger geworden ist als rechtsstaatliche Prinzipien.

Was bleibt, ist ein Satz, den mir einmal ein ausländischer Kollege sagte. Ich bekomme ihn nicht mehr wörtlich zusammen – aber sinngemäß lautete er so: „Ihr Deutschen bekämpft Eure Vergangenheit inzwischen so fanatisch, so verbissen, mit einem solchen Tunnelblick und quasi-religiösem Eifer, dass Ihr dabei nicht nur Euren Kopf, sondern auch Euch selbst verliert – Eure Gegenwart und Eure Zukunft.“

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