Ein populistischer Unfug mit leider ernstem Hintergrund: Was Donald Trump mit Grönland veranstaltet und was von Elon Musk via X noch nachhallend beklatscht wird, ist in Wahrheit ein kolossaler Angriff auf die europäische Staatengemeinschaft und auf der Meta-Ebene ein Kampf um die Ressourcen von morgen.
Daran gibt es nun wirklich nichts zu bejubeln: Die Grönländer, die schon länger weitestgehend autonom sind, werden hier von Trump und seiner Entourage vorgestellt, wie Karl May am liebsten seine Lieblingsindianer beschrieben hat: Die stolzen Wilden, die sich nicht unterdrückt lassen.
So, wie die USA die Souveränität der Ukrainer gegen Putin verteidigt haben wollen, bricht Trump dieses amerikanische Eroberungsmodell jetzt auf den Konflikt Grönland-Dänemark herunter. Aber es gibt diesen Konflikt nicht! Jedes Innenverhältnis der Teilnehmer des englischen Commonwealth zur Krone ist fragiler als das im Wesentlichen gute Verhältnis der Grönländer zu Dänemark. Dazu gleich noch mehr.
Bemerkenswert ist, wie die Karawane derjenigen Deutschen, welche die Schnauze voll haben von Merkel bis Ampel und die nun ihr Heil in Weidel, Trump und Musk suchen, bedenkenlos alles schlucken, was aus dieser Ecke angeboten wird, als säßen sie am Trüffel-Schnüffel-Überraschungsbuffet.
Selbst die Berliner Zeitung, die in den vergangenen Jahren gezeigt hat, dass es auch für eine etablierte Zeitung ein Zurück zum wahrhaftigen Journalismus gibt, hat, was Grönland angeht, einen trumpistischen Totalausfall hingelegt.
Das Blatt titelte allen Ernstes: „Mehrheit der Grönländer will sich den USA anschließen“. Die Schlagzeile bleibt hängen, frisst sich fest. Wow! Und das, obwohl sie mindestens so unsinnig ist, wie es folgende Schlagzeile wäre: „Mehrheit der Deutschen wollen Robert Habeck zum Kanzler machen“.
Die Berliner Zeitung schreibt über besagte Umfrage:
„Nach den am Sonntag veröffentlichten Ergebnissen der von Patriot Polling durchgeführten Umfrage befürworten 57,3 Prozent der Befragten einen Beitritt Grönlands zu den USA. Nur 37,4 Prozent lehnten einen möglichen Beitritt ab und 5,3 Prozent gaben an, sie seien unentschlossen.“
Aber ein Nachsatz macht hier die Musik: An der Umfrage teilgenommen haben 416 Grönländer! Und die wurden auch noch vom möglicherweise unseriösesten Umfrage-Institut der USA befragt. Die Zeitung schreibt es ja selbst kleinlaut hintendran: Das Institut seien in Wirklichkeit zwei jugendliche Universitätsstudenten aus den USA.
Aber wozu dann eine Schlagzeile, die letztlich das Gegenteil dessen insinuiert, was tatsächlich ist? Trump und sein Team einschließlich Musk fahren hier eine Kampagne inklusive einer unseriösen Befragung. Trump und Musk sind keine Menschenfreunde. ebenso wenig, wie sie per se Freunde der Deutschen sind.
Hier haben hyperaktive Geschäftsleute nur besonders gut verstanden, wie man ohne Schwert ein Land re-kolonialisieren kann, indem man sich als vermeintlicher Waffenbruder in einen Verwandtschaftsstreit einmischt. Und wenn es diesen Streit gar nicht gibt, dann wird er halt konstruiert!
Oder hat jemand zuvor etwas davon gehört, dass Grönland irgendwelche unlösbaren Probleme mit Dänemark oder der EU gehabt hätte?
Hier erklärt ein galanter Herr der jungen Dame, dass sie ein freier Mensch sei und doch schlafen könne, mit wem sie wolle, um sich – natürlich! – dann selbst als geeigneter Partner anzubieten.
Beschämend, auf welch perfide Weise auch Springer gegenüber Trump gut Wetter machen will und die Bildzeitung berichten lässt, Dänemark habe Grönländerinnen heimlich Spiralen einpflanzen lassen: „So brutal ging Dänemark gegen Einheimische vor.“
Passend dazu ein Stempel auf dem Artikel, der das tatsächliche Anliegen der Bildzeitung kaum besser illustrieren könnte: „Nach Trump-Ansage BILD vor Ort.“ Genau: „Nach Trump-Ansage“.
Springer bemerkt nicht, dass die Bildzeitung damit unfreiwillig bezeugt, was sie fälschlicherweise für das Innenverhältnis zwischen Dänemark und Grönland behaupten: Eine für eine Seite nicht zufriedenstellende Abhängigkeit. Ernsthafte Frage: Wer ist von wem mehr abhängig: Deutschland von den USA oder Grönland von Dänemark?
Der Horror der zwangsweise eingesetzten Spiralen ist tatsächlich wahr: Etwa 4500 Grönländerinnen erhielten sie zwischen 1966 und 1970. Das Polarkreisportal schrieb dazu im Oktober 2023:
„Was für die einen ein Glück war, um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern, wurde für andere zur Qual und zum Hindernis für eine spätere Familiengründung.“
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Aber im Rahmen von Trumps neoimperialistischem Begehren ist das lediglich eine Patrone aus dem Militärmuseum, ein Spielball im Kampf um Rohstoffe. Inzwischen gibt es längst eine Untersuchungskommission, die die Fakten dazu klärt. 67 Frauen fordern zudem Schadensersatz vom dänischen Staat und werden ihn auch bekommen.
Nur um zu verdeutlichen, dass dieser Wahnsinn kein rein dänisch-grönländisches Problem war: Schweden hat noch bis Mitte der 1970er Jahre weit über 60.000 angeblich Asoziale sterilisieren lassen, also eine Unfruchtbarkeit chirurgisch erzwungen und unumkehrbar gemacht: „Die Indikation reichte von ,Alkoholismus‘ bis ,Mischling‘, die Begründung der Debilität – formale Grundlage einer erzwungenen Sterilisation – von ,verwirrt‘ und ,dämlich‘ bis ,religiös verwirrt‘.“
Aber zurück nach Grönland. Es ist eine propagandistische Lüge, es heute so aussehen zu lassen, als seien die Grönländer so etwas wie die versklavten und ausgebeuteten Knechte Dänemarks. Grönland ist weitestgehend eigenständig.
So fand 1982 ein Referendum über den Verbleib in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft statt, in dessen Folge Grönlands Austritt aus der EG beschlossen wurde. Grönland genießt in der EU dennoch weiterhin den zollrechtlichen Status eines „assoziierten überseeischen Landes“.
Schon 1979 wurde Grönland autonome Nation innerhalb des Königreichs Dänemark mit eigenem Parlament und eigener Regierung. Viele Grönländer sollen heute auch dänische Wurzeln haben.
Ende 2023 einigte sich Brüssel auf eine Grundsatzvereinbarung mit der Regierung Grönlands über eine strategische Partnerschaft zur Entwicklung nachhaltiger Rohstoffwertschöpfungsketten. 25 der 34 kritischen Rohstoffe, die von der Kommission als strategisch wichtig für die europäische Industrie und den ökologischen Wandel eingestuft wurden, finden sich in Grönland.
Ist das vielleicht der Grund für das so rüde Vorpreschen von Trump? Oder will Trump hier einen viel zu grellen Scheinwerfer aufstellen, um davon abzulenken, dass es mit dem Ende des Ukrainekrieges doch komplizierter und zeitaufwendiger wird, als angenommen?
Nein, die USA sind auch unter Trump keine Freunde der Deutschen geworden, die nach der Zerstörung von Nord-Stream-2 bereits sieben Prozent ihres Flüssigerdgases aus den USA importieren müssen. Setzt Trump darauf, diese Quote noch zu erhöhen? Hat Trump etwa ein Interesse daran, das Attentat gegen die Pipeline aufzuklären?
Die deutsche Autoindustrie zerstört, die deutsche Chemie im Glyphosat-Skandal lahmgelegt, die deutschen Banken in der Finanzkrise gecrasht, die Waffenindustrie an die Ukraine zerschreddert, die Beziehungen zu Russland zerstört. Da sind die grönländischen Rohstoffe mit Blick auf die EU und Deutschland nur noch die Kirsche auf der MAGA-Torte.
Letztlich hat Trump hier die gleichen restaurativen – bei ihm sind es imperiale Overstretch-Gefühle – Großmachtträume wie Putin. So wie vor etwas mehr als 150 Jahren den Russen Alaska abgeschwätzt wurde, möchte sich der mittlerweile 78-jährige Donald Trump offenbar für ewig in die Geschichtsbücher einschreiben und sich Grönland einverleiben: Make America great(er) again!
Aber stopp, das Ganze läuft im 21. Jahrhundert natürlich viel subtiler: Die USA kommen nicht mit Eroberungsschiffen, Perlen, Alkohol und süßen Zuckerstangen. Der Honig des Rohstoffimperialismus ist ein Freiheitsversprechen, das für die Grönländer bald zum Fluch werden könnte. Denn Grönland ist nicht die Ukraine und Dänemark ist nicht Putin-Russland. Um 2010 herum lagen die dänischen Subventionen für Grönland bei jährlich knapp einer halben Milliarde Euro. Umgerechnet waren das pro Kopf 75.000 Euro.
Die EU und hier insbesondere Dänemark sollten Trump klarmachen, dass die Besiedlung des Mars hier durchaus eine erfolgversprechendere Eroberungsidee wäre. Oder von Kanada oder von einem Kanal in Panama.
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Author:
Alexander Wallasch