• 10. August 2025

Google Earth aus Gaza: Satelliten enthüllen die Zerstörung

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Aug. 10, 2025

Viele kennen aus Gesprächen, die sich mit dem Krieg in Gaza befassen, Aussagen dahingehend, dass die Bilder des Krieges teilweise Fälschungen seien, das Elend der Bevölkerung im Gazastreifen gestellt oder auf eine israelfeindliche Weise manipuliert sei.

Insbesondere Aufnahmen von Kindern bei Essensausgaben sind hier in den Fokus geraten, wo mittlerweile weitere Aufnahmen bekannt geworden sind, die den Eindruck zu bestätigen scheinen, dass der Fotograf die Szene gestellt hat.

Nun gibt es auch hier zwei Lesarten zwischen gestellt und nachgestellt. Beides ist journalistisch verwerflich. Aber „nachgestellt“ bedeutet eben, dass der Fotograf das Geschehens selbst verpasst hat, anschließend vor Ort war und die Protagonisten noch einmal um Aufstellung bat.

Unjournalistisch, betrügerisch, Fake News. Aber eben nicht automatisch der Nachweis, dass die gezeigte Szene deswegen niemals passiert ist. Historische Momente wie etwa das Hissen der roten Fahne über dem Reichstag sind prominente Beispiele. In diesem Fall (Rote Fahne) ist die Aufnahme zudem eine Propagandaarbeit.

Kaum jemand bezweifelt ernsthaft, dass es im Gaza-Krieg Versorgungsengpässe und Verzweiflung unter Zivilisten gibt – nicht einmal die die militärischen Aktionen befehligende israelische Seite.

Die Jüdische Allgemeine etwa zitiert den rechtsgerichteten israelischen Journalisten Amit Segal (Fernsehkanal 12). Der kritisiert zwar, dass gewaltige Lügen über Israels Krieg verbreitet werden, ergänzt aber, dass die Hungersnot real ist: „Sie ist es“.

Internationale Nichtregierungsorganisationen wie die Israel-kritische „Human Rights Watch“ (Co-Friedensnobelpreisträger 1997) schrieb Ende 2023 von der „Aushungerung“ der Zivilbevölkerung in Gaza als israelische „Kriegswaffe“.

Die Frankfurter Allgemeine berichtet aktuell, dass neun von zehn Lastwagen der Hilfslieferungen ihr geplantes Ziel in Gaza nie erreichen. Aber auch das heißt noch nicht, dass die Nahrungsmittel verloren sind, sie werden nur nicht von jenen Organisationen gerecht verteilt, für die sie bestimmt waren.

Was hier zwingend zu erwähnen ist: Die unerträglichen von der Hamas veröffentlichten Bilder schrecklich abgemagerter Geiseln belegen, dass die Hunderte Tonnen Nahrungsmittel hier definitiv nicht bei jenen ankommen, die hier seit Hunderten Tagen auf ihre Befreiung warten.

Demgegenüber erklärte der gegen die Hamas Krieg führende israelische Premierminister Benjamin Netanjahu Ende Juli gegenüber einem evangelikalen Fernsehsender, es gäbe „keinen Hunger in Gaza, keine Politik des Hungers in Gaza“.

Diese Debatte wird auch im 4000 Kilometer entfernten Deutschland geführt. Auch hier ist in Gesprächen immer wieder in etwa davon die Rede, dass das doch alles nur antisemitische Propaganda sei, die Aktionen der israelischen Armee seien zielgerichtet gegen die Hamas, die würden sich allerdings nach wie vor feige hinter Zivilisten und Kindern verstecken.

Was die meisten dieser Stimmen gemeinsam haben, sie waren oder sind nicht vor Ort, sie müssen sich notgedrungen aus den vorhandenen Medieninformationen und solchen aus den sozialen Medien eine Sichtweise formen. Nicht selten wird der Blick zudem von der Blase diktiert, in der man sich gerade bewegt. Das gilt für die Israel-kritischen NGOs ebenso wie für Portale wie „Nius“ und die Springerpresse, die das militärische Vorgehen Israels befürwortet, um den Hamas-Terror gegen Israel ein für alle Mal zu beenden.

Also was bleibt dem Leser, welche Möglichkeiten der unbeeinflussten Information sind vorhanden, wenn man sich schon vor Ort kein eigenes Bild machen kann? Tatsächlich gibt es ein Hilfsmittel, das weitestgehend unbeeinflusst darüber informieren kann, wie die Situation im Gazastreifen grundsätzlich aussieht.

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Dafür reicht es bereits aus, sich die App „Google Earth Pro“ herunterzuladen und sich auf einem Computer-Desktop den Gazastreifen anzuschauen. In dieser App besteht die Möglichkeit über die Menüführung (Uhr mit linksdrehendem grünem Pfeil) auch zurückliegende Ansichten anzuschauen und also zu vergleichen.

Es gibt mittlerweile teilweise flächendeckende Satellitenansichten aus Dezember 2024, welche die Kriegszerstörungen zu diesem Zeitpunkt eingefroren haben. Wer sich eine Weile in diesem Google Earth Pro umschaut, entdeckt auch solche Bildstellen, wo keine Aufnahmen von 2024 existieren:

Schnittstellen des Grauens, wo die begrünten und bewohnten Siedlungen entlang der Aufnahmegrenze abrupt in Mondlandschaften übergehen (Screenshot hier im Anhang).

Die dokumentierten Zerstörungen sind ultimativ und umfassend. Die Bilder sind in einer Qualität aufgenommen worden, dass sogar die vielen Fahrzeugspuren zu erkennen sind, mutmaßlich von Militärfahrzeugen, die über den Zerstörungen noch weitere Runden gedreht haben müssen.

Google Earth Pro bildet nicht ab, was hier nach dem Dezember 2024 militärisch passiert ist. Was man hier sieht, ist demnach eine in der Vergangenheit entstandene Satellitenaufnahmen – Quadratkilometer für Quadratkilometer das Abbild erschütternder Zerstörungen.

Was der Zuschauer via Google Earth Pro (inklusive der Möglichkeit, über ein Werkzeug in den Versionen der Jahre zuvor zurückzublättern) mit den gewonnenen Informationen macht, welche Schlüsse er daraus zieht, ist jedem selbst überlassen.

Auf jeden Fall bietet sich hier ein zusätzlicher Blick, unbeeinflusst von schwer zuzuordnenden oder zu überprüfenden Aufnahmen, seien es solche von nach Essen flehenden Kindern an einem LKW oder von florierenden Wochenmärkten in Gaza, die durch die sozialen Medien geistern.

Die Qualität der Bilder aus der App ist vielfach gestochen scharf, was man nicht über eine Reihe israelischer Siedlungen sagen kann – das zeigt jedenfalls eine Kurzrecherche – die nur verschwommen zu sehen und nicht zoomfähig sind. Übrigens auch jene Siedlungen in denen die Hamas am 7. Oktober 2023 ihre Terrorverbrechen verübt und weit über 1000 Israelis grauenvoll ermordet und viele entführt hat.

Tatsächlich wurde Google hier aus Sicherheitsgründen verpflichtet, diese potenziellen Hamas-Angriffsziele nicht bis ins Detail abzubilden. Diese Verpflichtung geht zurück auf eine US-amerikanische Rechtsvorschrift von 1997 (Kyl-Bingaman Amendment), die es US-Unternehmen verbietet, Satellitenbilder von Israel und den besetzten Gebieten in hoher Auflösung zu verbreiten.

Der Gazastreifen wird demgegenüber heute in voller Auflösung gezeigt, argumentiert wird hier damit, dass Experten die Schäden des Krieges so besser analysieren können, wie es etwa das Portal „ScienceDirect“ umfassend gemacht und im Juni 2025 veröffentlicht hat (übersetzt):

„Bewertung der durch den Krieg verursachten Schäden an landwirtschaftlichen Flächen im Gazastreifen seit Oktober 2023 anhand von PlanetScope- und SkySat-Bildern“.

Wer spekuliert, dass das israelische Militär ebenfalls Vorteile aus der Hochauflösung des Gazastreifens ziehen könne, der muss bedenken, dass Israel selbst über hochentwickelte eigene Satelliten und Drohnen verfügen soll, die mutmaßlich aktuellere, detailliertere und spezifischere Daten liefern können als kommerzielle Bilder. Dennoch mögen diese kommerziellen Bilder eine kostengünstige Zusatzquelle sein, das müssen aber Militärexperten abschließend beurteilen.

(BildQuelle: Google Earth. Imagery © 2025 Airbus. Aufnahmedatum: 01.02.2024. Koordinaten: 31°45′ N, 34°24’23.97″ E)

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Author:
Alexander Wallasch

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