von Dennis Riehle
Die Würde des Menschen unantastbar. Und nicht nur vor dem Gesetz sind wir als Individuen gleich. Und nein, selbige Feststellung hat nichts mit Kommunismus zu tun. Sondern es ist der nüchterne Befund, dass wir zwar monetär, wirtschaftlich und sozial in unterschiedlichen Schichten und Klassen leben. Aber jeder von uns kocht nur mit Wasser – und hat auf der morgendlichen Toilette dieselben Erledigungen zu bewältigen. Eine Unterteilung in Prominenz und Pöbel ist für ein Miteinander stets herausfordernd. Denn eine Einstufung in Gute und Bessere geht häufig mit Neid, Missgunst und Ungerechtigkeit einher. Ist also beispielsweise ein Multimilliardär von höherer Güte als ein eifriger Fabrikmitarbeiter? Gilt man allein deshalb als gottgleich, weil man Besitzer von X und Tesla ist? Würde manch Anbeter auch dann in den zugefrorenen See springen, wenn dieses Idol dazu auffordert? Und ist das an Teenie-Geschrei erinnernde Schwärmen für den Bürokratiebeauftragter des künftigen US-Präsidenten Trump tatsächlich tragfähig genug, um damit das Votum einer gepeinigten Gesellschaft abzusichern?
Ich mag an dieser Stelle Anhänger der AfD enttäuschen. Aber genauso, wie ich eine Stilisierung von Robert Habeck ablehne, ist es für mich deutlich zu kurz gegriffen, im aktuellen Ringen um die Fürsprache des Souveräns vor allem eine Debatte darüber zu führen, ob Elon Musk nun seine Meinung äußern darf – und welche Sorte Popcorn man am 9. Januar beim Verfolgen seines Gespräch mit Alice Weidel präferiert. Die Blauen sind zu einem Maskottchen gelangt wie die Jungfrau zum Kinde. Und es mag völlig legitim sein, sich kurzfristig geschmeichelt und geehrt zu fühlen, wenn der vermutlich reichste Mann der Welt seine Liebe zur Alternative für Deutschland entdeckt. Aber ist es nicht doch ein wenig infantil, naiv und profan, sich auf einen vermeintlichen Selbstläufer zu verlassen, mit dem zwar ein öffentlichkeitswirksamer Schachzug gelungen sein mag. Dessen Heiligenverehrung jedoch genauso überflüssig erscheint wie das Anhimmeln einer Boygroup im Alter von 70? Keinesfalls unterstelle ich irgendjemandem, nicht zu einer tiefgreifenden Diskussion über die zahlreichen Baustellen in unseren Breiten fähig zu sein. Doch soll die Einschätzungeines Amerikaners über die desaströse Lage von Schwarz-Rot-Gold hinlänglich sein, um das Kreuz anderswo als gewohnt zu setzen?
Alleinstellungsmerkmale fallen lassen?
Vielleicht stehe ich mit meiner Einschätzung alleine da. Ich hätte die historische Chance weitreichender genutzt, im Vorfeld eines existenziellen Urnengangs tatsächlich über Sachinhalte, Argumente und Konzepte zu debattieren, statt über den sensationellen Hammer, dass die Kanzlerkandidatin vieler Herzen zum Ehrengast bei der Amtsübernahme durch den hoffnungstragenden Republikaner im Weißen Haus erkoren wurde. Da drückt man sich einerseits um die Vokabel der Remigration – und lässt damit ein Alleinstellungsmerkmal fallen, welches zum wesentlichen Unterschied gegenüber der CDU geworden ist. Andererseits baut man sein ganzes Vertrauen auf Zwischenrufe eines unbestritten talentierten, fleißigen und innovativen Kopfes, dessen Verlautbarungen in jedem einzelnen Buchstaben stärker gehuldigt werden als manch eine Wundererzählung über Jesus himself. Ich will niemandem seine Euphorie über einen Raumfahrtunternehmer nehmen. Aber ich muss sie auch nicht teilen, wenn ich schlichtweg zu der Überzeugung gelange, dass die Gefahr der gleichen Doppelmoral droht, wenn man andere für einen Hype von Personen kritisiert, doch selbst genau auf diesen inflationären Trend setzt.
Denn man mag es mir nachsehen, dass ich angesichts des Zustandes der Republik über einen Coup nicht jubele, dem es nach meinem Dafürhalten in einer Epoche an Unterbau und Substanz fehlt, deren Probleme sich nicht mit ein paar Worten in einem Post lösen lassen. Eventuell bin ich als Journalist in einer politischen Mentalität schlichtweg zu überhöhten Ansprüchen sozialisiert worden, wenn ich mir abseits eines Talks zwischen der hochintegren Co-Vorsitzenden unserer einzig namhaften Oppositionspartei und einem Elektroautohersteller mit unbestritten vernunftorientierten Positionen auch noch andere Höhepunkte im Vorfeld richtungsweisender Abstimmungen wünsche. Und ich stehe mit erhobenem Haupt für diese Auffassung, weil ich gerade nicht feindselig gegenüber der AfD eingestellt bin. Ohne jede Skepsis ist das stattfindende Format gerade für jenen politischen Wettbewerber von immenser Bedeutung, der von unserer Haltungsjournaille prinzipiell ausgegrenzt, denunziert und an der Darstellung seiner Antworten auf die drängenden Fragen der Gegenwart gehindert wird. Doch ich erhoffe mir, dass man sich nicht zu sehr auf einen Heilsbringer stützt, der sicherlich viel Wohlwollendes für uns im Sinn hat. Wahlentscheidend dürfte er aber trotzdem nicht sein.
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Author: Gast Autor
Journalistenwatch