Ein Mensch stirbt. Familie, Freunde und politische Weggefährten möchten sich verabschieden. Sie entwerfen eine schlichte Todesanzeige. Kein Statement, kein Skandal, nur ein stiller letzter Gruß. Doch die Zeitung vor Ort – offenbar Teil der Funke-Mediengruppe, wie es aus dem AfD-Landesverband heißt – sagt: Nein. Keine Anzeige. Kein Platz. Kein Grund. Denn der Tote war Mitglied der AfD. Und damit offenbar unbetrauernswert.
Was wie ein Detail wirkt, ist in Wahrheit ein massiver Dammbruch. Denn selbst in der dunkelsten Phase der deutschen Geschichte galt: Die Toten ruhen. Sie haben ihr Urteil erhalten – von Gott, von der Natur, von der Zeit. Doch in der neuen Moralordnung von heute reicht selbst der Tod nicht mehr zur Läuterung. Wer im Leben die falsche Meinung hatte, wird auch nach dem Tod getilgt. Nicht in einem Gulag. In einem Anzeigenbüro.
Hartmut Lucas war Kommunalpolitiker, Jahrgang 1953, aus dem Saale-Orla-Kreis. Ein Mann, der sich ehrenamtlich engagierte, sich nie bereichert hat, nie aufgefallen ist mit Extremismus, Hetze oder Skandalen. Einfach jemand, der sich der AfD anschloss, weil er dieses Land liebte – und der dafür in die falsche Schublade sortiert wurde. Am 5. September 2025 ist er gestorben. Die AfD Thüringen veröffentlichte daraufhin einen Nachruf auf Instagram. Darin heißt es: „Gerne hätten wir auch eine Todesanzeige in der lokalen Presse veröffentlicht, aber die Funke-Medien-Gruppe weigerte sich leider, diese zu drucken.“ Kein Dementi bislang. Keine Stellungnahme. Nur Schweigen. Oder anders gesagt: Ein zweiter Tod – diesmal öffentlich, medienwirksam, ideologisch korrekt.
Früher hängte man in der Sowjetunion die Bilder verdienter Arbeiter an die „Ehrentafel der Vorzeigebürger“. Heute reicht ein Konzernname: Funke.
Mit dabei: Thüringer Allgemeine, Ostthüringer Zeitung, Thüringische Landeszeitung, WAZ, NRZ, Westfälische Rundschau, Westfalenpost, Braunschweiger Zeitung, Hamburger Abendblatt, Berliner Morgenpost.
Alles aus einem Guss. Alles aus einem Geist.
Dass ausgerechnet jene, die sich selbst für die besseren Menschen halten, für tolerant, empathisch und weltoffen – dass ausgerechnet sie es sind, die diesen moralischen Bankrott zu verantworten haben, ist die letzte bittere Pointe. Wer sich als Hüter der Menschenwürde inszeniert und einem Toten das Trauern verweigert, hat jedes Recht auf diesen Begriff verwirkt. Die Entlarvung ist so vollständig wie unfreiwillig. Und gerade deshalb so entlarvend.
Man kann vieles über die AfD sagen. Man kann streiten, kritisieren, warnen. Aber wenn wir beginnen, Menschen auch nach ihrem Tod zu sanktionieren – dann ist etwas zerbrochen, das sich nicht reparieren lässt. Dann ist nicht nur das politische Klima vergiftet, sondern das moralische Fundament der Gesellschaft selbst.
Denn was sagt dieses Verhalten? Es sagt: Du bist kein Mensch, du bist ein Feind. Und weil du Feind bist, gibt es keine Blumen für dich. Keine Worte. Kein Licht.
Es sagt: Deine Familie soll sich schämen, nicht trauern.
Es sagt: Du hast das falsche Parteibuch – also bist du im Leben wie im Tod eine Fehlfarbe.
Und es sagt vor allem: Die neue Moral kennt keine Gnade. Nicht einmal mehr vor dem Sarg.
Wer das einmal verstanden hat, wird diese Gesellschaft nicht mehr als demokratisch empfinden, sondern als geschlossenes Weltanschauungssystem. Eine Religion mit Medienpriestern, in der die „Ketzer“ nicht nur verbannt, sondern ausgelöscht werden. In den Kommentarspalten, auf den Podien, in der Zeitung – und wenn nötig auch in der Trauerecke. Tot ist nur, wer dazugehört.
Vielleicht ist das der Grund, warum so viele Menschen heute den Glauben verlieren – nicht an die Politik, sondern an das Menschliche. Denn wenn selbst der Tod nicht mehr als verbindendes Moment reicht, wenn selbst das letzte Ritual vom ideologischen Filter zerschnitten wird, dann bleibt nichts mehr übrig, worauf man sich noch verlassen kann.
Nicht mal ein Nachruf.
PS: Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass ich hoffe, es handle sich bei der Darstellung der AfD Thüringen um ein Missverständnis. Aber wer den Zustand dieses Landes kennt, muss daran leider mehr als zweifeln.
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