Ein Freund war vor vielen Jahren für ein Jahr in Japan. Ein ausgebildeter Tierwirt, dem vor der Reise bange war, dass es eine große Schinderei werden würde. Er hatte von besonders langen Arbeitszeiten und wenigen Urlaubstagen der Japaner gehört. Vor Ort stellte es sich dann allerdings anders dar, als gedacht: Er selbst hatte seine Tagesaufgaben nach drei oder vier Stunden erledigt, während sich die japanischen Kollegen für die gleiche Arbeit doppelt so viel Zeit nahmen oder nehmen mussten.
Arbeitszeit hat immer auch etwas mit Effektivität zu tun. Und wie sich gleich zeigen wird, auch mit unterschiedlichen statistischen Berechnungsarten.
Anlass für ein Nachdenken über Arbeitszeit und Effektivität lieferte gestern Thorsten Frei (CDU) im Bundestag. Er ist in der Regierung Merz „Bundesminister für besondere Aufgaben“ und beantwortete folgende Frage des Abgeordneten Stephan Brandner (AfD):
„Zum Arbeitsmarkt hat sich ja der Friedrich Merz offenbar in den letzten Tagen beim Wirtschaftsrat der CDU geäußert. Ich lese zwei Zitate vor. Erstens: ‚Auch die Bürger müssen anpacken‘, und zweitens: ‚Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten‘. Also, erklären Sie mal den Unterschied zwischen ‚die Bürger‘, die mehr anpacken sollen, und ‚wir‘, die mehr arbeiten sollen. Sieht der Herr Merz sich nicht als Bürger? Wo ist da der Gegensatz? Und wie sollen die Bürger in diesem Land konkret mehr anpacken und effizienter arbeiten?“
Bundesminister Frei antwortete, dass wir insgesamt eine Entwicklung in Deutschland haben, wonach die durchschnittliche Arbeitszeit der Menschen in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen sei. Und weiter erklärte Frei:
„Wir arbeiten deutlich weniger Stunden pro Kopf und Jahr als praktisch alle anderen Länder Europas und erst recht darüber hinaus; in anderen Ländern in Europa wird 200, 300 Stunden mehr pro Kopf und Jahr gearbeitet. Und das ist eine Entwicklung, die natürlich auch Auswirkungen auf die preisliche Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand unseres Landes hat.“
„Leistungsfähigkeit und Leistungswille“, so Frei, seien aber „auch die Grundvoraussetzungen für Wohlstand“.
Mit anderen Worten: Ackert mehr, dann geht es euch besser. Wohlstand allerdings hat nicht zuletzt auch mit dem Netto vom Brutto zu tun. Deutschland zählt zu den Hochsteuerländern – hierzulande liegt der Einkommensteuersatz in der Spitze deutlich über dem EU-Durchschnitt. Und natürlich ist ein gefühlter Wohlstand auch davon abhängig, wie der Staat mit den Steuergeldern umgeht. Wird viel Geld in Infrastruktur und Bildung investiert, empfindet der eine oder andere dies durchaus als selbst generierten Wohlstand.
Aber stimmt auch, was Minister Frei geantwortet hat? Arbeiten Deutsche weniger als andere Europäer bzw. weltweit? Ist das wirklich der Grund für einen Rückgang von Wohlstand oder nur eine auf dem Vorwurf der Faulheit basierende Parole, um dem Bürger noch mehr Steuern entreißen zu können?
Die Antwort gleich vorweg: Thorsten Frei will uns und den fragenden MdB Brandner einen Bären aufbinden. Immerhin das renommierte Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) weiß es nämlich besser. Im August 2023 erschien dort eine Abhandlung in der Rubrik „Unstatistik“ unter dem Titel: „Der Mythos von den faulen Deutschen“.
Dort wird explizit die OECD-Statistik zur durchschnittlichen jährlichen Arbeitszeit in den Industrieländern kritisiert. Hier liegt Deutschland tatsächlich weit abgeschlagen, und darauf wird sich auch Minister Frei beziehen. Aber das Leibniz-Institut hält die Berechnungen schlicht für falsch bzw. fehlinterpretiert.
Die VDI-Nachrichten bestätigen es ebenfalls: „Länger zu arbeiten bedeutet nicht zwangsläufig mehr Wohlstand“ und „Länder, in denen Menschen weniger arbeiten, sind in der Regel produktiver und wohlhabender.“
Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) möchte aber gar nicht spekulieren oder philosophieren. Die Wirtschaftsexperten des RWI haben sich einfach die OECD-Statistik angeschaut und festgestellt, dass die Ergebnisse vielfach missdeutet werden.
Warum ist es falsch, entlang der OECD-Statistik anzunehmen, die Deutschen arbeiten zu wenig?
Wenn in einer Partnerschaft nur eine Person arbeitet, fließt lediglich diese Arbeitszeit für diese Person in die Statistik ein. Nimmt der Partner jetzt eine Teilzeitbeschäftigung auf, fließen die Wochenstunden beider Personen für zwei Personen in die Statistik ein.
Fazit des Instituts: „Will Deutschland also den Anschluss an die OECD schaffen, muss einfach nur jeder Teilzeitbeschäftigte ab morgen zu Hause bleiben.“
In Deutschland arbeiten besonders viele Frauen in Teilzeit. Das bedeutet: Je mehr Frauen in Teilzeit arbeiten, umso geringer ist in der OECD-Statistik die durchschnittliche Zahl der jährlich gearbeiteten Stunden.
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Und es kommen laut Institut weitere Gründe hinzu, mit denen sich Minister Frei ganz offenbar nicht beschäftigt hat:
„Es gibt weitere Gründe für die Differenzen, z. B. eine unterschiedliche gesetzliche Mindestanzahl an Urlaubstagen in den jeweiligen Ländern oder eine unzureichende Sozialversicherung, die in manchen Ländern Arbeitnehmer dazu bewegt, auch bei Erkrankung zu arbeiten. Insbesondere die fehlende Gewichtung von Voll- und Teilzeit verzerrt das Ergebnis allerdings massiv.“
Das Fazit des RWI fällt eindeutig aus: Eine geringere durchschnittliche Arbeitszeit sagt nichts über Fleiß oder Faulheit aus. Es komme vielmehr darauf an, was man in einer Stunde an Wert produziere. Und es komme ebenfalls darauf an, wie man arbeitet: „unter fairen und gesunden Arbeitsbedingungen, einer höheren Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt und einer Bezahlung, die es Arbeitnehmern erlaubt, von ihrem Gehalt zu leben.“
Die Regierung Merz hat gestern durch Minister Thorsten Frei erklärt, die Deutschen seien zu faul und haben deshalb auch keinen Wohlstand verdient. „Leistungsfähigkeit und Leistungswille“, so Frei, seien aber „auch die Grundvoraussetzungen für Wohlstand“.
Dafür müsste sich der Minister bereits wenige Tage nach Amtsantritt umfassend bei den Deutschen entschuldigen.
Wer den Deutschen unterstellt, ihre Faulheit sei schuld am Wohlstandsverlust, der versucht, die Menschen in Gutsherrenart immer weiter anzutreiben, um nur noch mehr Steuergelder zu erwirtschaften. Gelder der Gemeinschaft, die dann allerdings nicht in den Wohlstand dieses Landes investiert werden, sondern in den Schützengräben der Ukraine verballert werden, in ein Bürgergeld fließen, das mittlerweile Migrantengeld genannt werden muss, oder für demokratiefeindliche Projekte ausgegeben werden, die sich zynischerweise auch noch „Demokratie leben!“ nennen. Schwarz ist weiß, dunkel ist hell, nass ist trocken.
Was verdient eigentlich Minister Thorsten Frei?
Auf Basis des Bundesministergesetzes hier einige Fakten:
Aktivbezüge
Die Gehälter der Minister werden Amtsbezüge genannt, die sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzen. Der Bundeskanzler bezieht derzeit rund 22.083 Euro monatliches Amtsgehalt. Hinzu kommt eine steuerfreie Dienstaufwandsentschädigung von rund 12.271 Euro im Jahr. Die Bundesminister verdienen etwas weniger, erhalten aber mit rund 17.990 Euro pro Monat immer noch ein stattliches Salär. Auch ihnen steht eine jährliche steuerfreie Pauschale zu in Höhe von etwa 3.681 Euro.
Übergangsgeld
Bereits nach einem Tag Amtszeit stehen einem Bundesminister rund 81.000 Euro Übergangsgeld zu. Je nach Dauer der Amtszeit kann das Übergangsgeld auf knapp 243.000 Euro steigen, das maximal zwei Jahre nach Ausscheiden gewährt wird. Das Übergangsgeld wird ab dem zweiten Monat mit privaten Einkünften verrechnet.
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Author:
Alexander Wallasch