• 29. April 2025

Frühjahrsprognose: Trumps Zölle treffen Osteuropa nur wenig

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Apr. 29, 2025
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Wien (ots)

Region bleibt auf Wachstumskurs; ukrainische Wirtschaft an seidenem Faden; positive Aussichten für Russland dank Trump; Deutschlands Investitionspaket sorgt ab 2026 für Auftrieb

Trotz des von US-Präsident Donald Trump entfesselten Handelskrieges dürfte das Wachstum in den meisten Volkswirtschaften in Mittel-, Ost- und Südosteuropa 2025 im Gegensatz zur Eurozone robust bleiben – auch in den EU-Mitgliedern. Das zeigt die neue Frühjahrsprognose des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) für 23 Länder der Region. „Die direkten Handelsströme zwischen diesen Ländern und den USA sind ohnehin gering und auch die Kollateralschäden durch die enge Verflechtung mit der stark exportabhängigen deutschen Industrie dürften überschaubar bleiben“, sagt Richard Grieveson, stellvertretender Direktor des wiiw und Hauptautor der Frühjahrsprognose. „Wie in früheren Fällen, in denen die Region von negativen externen Schocks betroffen war, werden jene Länder mit größeren Binnenmärkten – allen voran Polen – die negativen Auswirkungen besser auffangen können und sich wahrscheinlich erneut als widerstandsfähig erweisen.“

Für 2025 prognostiziert das wiiw den EU-Mitgliedern der Region ein Wachstum von durchschnittlich 2,5%, eine Revision nach unten um 0,3 Prozentpunkte gegenüber der Winterprognose. 2026 sollte es mit 2,8% sogar etwas anziehen, eine leichte Berichtigung nach oben um 0,1 Prozentpunkte. „Die negativen Effekte von Trumps Zöllen sollten nächstes Jahr weitgehend durch die fiskalpolitische Kehrwende Deutschlands mit seinem 500-Milliarden-Euro-Paket für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz kompensiert werden“, so Grieveson. Damit dürften die EU-Mitglieder in Ostmittel- und Südosteuropa heuer rund dreimal so stark wachsen wie die Eurozone (0,7%, eine Revision nach unten um 0,5 Prozentpunkte) und 2026 immerhin doppelt so stark wie diese (1,4%).

Die stark mit Deutschland verflochtene Industrie in Staaten wie Tschechien, der Slowakei, Ungarn oder Rumänien kämpft jedoch mit der industriellen Rezession in der Bundesrepublik, die sich durch Trumps Zölle wohl weiter vertiefen wird. Wachstumstreiber ist und bleibt aber auch in diesen Ländern der starke Privatkonsum aufgrund kräftiger Reallohnsteigerungen in den vergangenen Jahren. Spitzenreiter beim Wachstum unter den östlichen EU-Mitgliedern wird neuerlich Polen sein, und zwar sowohl heuer als auch im nächsten Jahr mit jeweils 3,5%, gefolgt von Kroatien mit jeweils 2,8% in den Jahren 2025 und 2026. Die sechs Staaten am Westbalkan werden 2025 um durchschnittlich 3% und 2026 um 3,6% expandieren, die Türkei 2025 um 3,5% und 2026 um 4%.

Die Aussichten für die kriegsgeplagte Ukraine erscheinen zunehmend ungewiss. Für 2025 prognostiziert das wiiw dem Land ein Wachstum von 3%, 2026 dürfte es auf 4% anziehen, allerdings nur unter der Voraussetzung ausreichender Militär- und Finanzhilfe von außen, die von US-Präsident Trump massiv in Frage gestellt wird. Bei Aggressor Russland haben sich die Wachstumsaussichten durch die Annäherung an die USA signifikant aufgehellt. Heuer dürfte die russische Wirtschaft zwar nur um 2% zulegen, 2026 aber bereits wieder um 2,5%.

Handelskrieg und Unsicherheit als Abwärtsrisiken

Risiken für die Prognose bestehen in der von Trumps sprunghafter Handelspolitik geschürten Unsicherheit unter Konsumenten und Unternehmen und einer neuerlichen Zuspitzung des Handelskonflikts mit China. Dieser könnte die USA auch in eine Rezession stürzen, mit negativen Folgen für die globale Konjunktur. „Wir sind nun Zeugen eines umfassenden Handelskrieges zwischen den USA und China, der sich negativ auf die gesamte Weltwirtschaft auswirken wird. Die heftigen Kursbewegungen an den Finanzmärkten könnten sich zu einer Finanzkrise auswachsen, die dann unter Umständen auch auf die Realwirtschaft übergreift“, meint Richard Grieveson. „Zudem ist noch nicht wirklich absehbar, wie sich die allgemeine Unsicherheit auf den Konsum oder die Investitionen auswirken wird, auch wenn sich die Region immer wieder als sehr resilient gegenüber externen Schocks erwiesen hat“, so Grieveson.

Auch die US-Politik gegenüber der Ukraine sorgt für Verunsicherung und könnte negative wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen, sollten die wenig durchdachten Friedensbemühungen der US-Administration scheitern. „Momentan sieht es nicht so aus, als ob Trump den russischen Präsidenten Putin von einem Ende des Angriffskrieges gegen die Ukraine überzeugen könnte. Wendet sich Trump dann frustriert ab und überlässt die Ukraine ihrem Schicksal, könnte das Ostmitteleuropa neuerlich wirtschaftlich erschüttern“, warnt Grieveson.

Ukrainische Wirtschaft in Trumps trübem Fahrwasser

Obgleich das wiiw mittelfristig von einem Waffenstillstand in der Ukraine ausgeht und sich ihre Volkswirtschaft als überaus widerstandsfähig erwiesen hat, ist ihre wirtschaftliche Zukunft ungewiss. Für 2025 prognostiziert das wiiw dem Land unverändert ein Wachstum von 3%, das 2026 auf 4% steigen sollte. Viel wird aber von der Entwicklung der militärischen Lage abhängen. Im Verlauf des vergangenen Jahres hat sich die Konjunktur markant abgekühlt. Wuchs die Ukraine im ersten Quartal 2024 noch mit annualisierten 6,5%, so waren es im vierten Quartal nur mehr 2% Wachstum.

Das Land kämpft weiterhin mit der systematischen Zerstörung seiner Infrastruktur durch russische Luftangriffe und einem akuten Arbeitskräftemangel aufgrund der Mobilmachung für den Krieg und der Flucht von sieben Millionen Menschen. Preissteigerungen bei Lebensmitteln und öffentlichen Dienstleistungen sowie das Lohnwachstum durch den Arbeitskräftemangel haben die Inflation nach oben schnellen lassen und die Notenbank dazu gezwungen, die Zinsen auf mittlerweile 15,5% anzuheben.

„Trumps Versuche, die Ukraine zu einer De-facto-Kapitulation zu zwingen und das Land in eine wirtschaftliche Kolonie der USA zu verwandeln, sind die größte Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine“, konstatiert Olga Pindyuk, Ukraine-Expertin des wiiw. „Entscheidend wird daher sein, ob es der EU gelingt, ihre Militär- und Finanzhilfe für die Ukraine zu verstärken und die USA als wichtigsten Unterstützer des Landes zu ersetzen.“

Positiver Ausblick für Russland dank Trump

Obwohl sich das Wachstum der russischen Wirtschaft nach einer Überhitzung in den vergangenen beiden Jahren 2025 halbieren dürfte, sind die BIP-Prognosen zuletzt nach oben revidiert worden. Angesichts der bisher erstaunlichen Resilienz der Wirtschaft gegenüber den sehr hohen Zinsen hebt das wiiw seine BIP-Prognose für Russland für 2025 um 0,2 Prozentpunkte auf 2% an. Für die kommenden Jahre sorgt die Aussicht auf eine teilweise oder vollständige Aufhebung der US-Sanktionen im Zuge der Annäherung an die USA für eine deutliche Aufhellung der konjunkturellen Perspektiven. Für 2026 geht das wiiw von einer Expansion um 2,5% aus, eine Revision nach oben um 0,9 Prozentpunkte gegenüber dem Winter.

Im Windschatten von Trumps Kurswechsel in der Ukraine wurde von Beginn an auch eine zukünftige wirtschaftliche Kooperation zwischen den USA und Russland erörtert, etwa bei Ölförderprojekten in der Arktis. „Sollte es tatsächlich zu einem Waffenstillstand oder Friedensabkommen in der Ukraine kommen, wäre die wirtschaftliche Isolierung Russlands durch die USA wohl zu Ende. Möglicherweise auch ohne ein Abkommen. Damit würde wieder US-Kapital und amerikanische Technologie ins Land fließen. Diesem Beispiel könnten auch die US-Verbündeten Japan, Südkorea und Taiwan folgen“, sagt Vasily Astrov, Russland-Experte des wiiw. „Die bestehenden US-Sanktionen werden bereits heute nur mehr halbherzig umgesetzt.“

Die Annäherung an die USA beflügelte auch die russischen Finanzmärkte und den Rubel. Ausländische Firmen wie Renault, Hyundai oder Samsung erwägen mittlerweile eine Rückkehr nach Russland. Der südkoreanische Elektronikkonzern LG hat kürzlich sogar die Produktion in seinem Moskauer Werk wieder hochgefahren. „Die teilweise Wiederaufnahme der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen würde bei einem Kriegsende den Wegfall der hohen Gehälter für Soldaten und Entschädigungen für deren Familien, die bisher das russische Wachstum mitgetragen haben, wohl wettmachen“, analysiert Astrov.

Daran ändert auch der zuletzt stark gefallene Preis für Erdöl – immer noch das wichtigste Exportgut Russlands – relativ wenig. „Natürlich sinken dadurch wie auch durch den momentan starken Rubel die Staatseinnahmen erheblich. Aber das Budget ist nicht mehr so abhängig von den Öleinnahmen wie in der Vergangenheit, und das eventuell höhere Budgetdefizit könnte problemlos finanziert werden“, erklärt Astrov.

Pressekontakt:

Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw)
Mag. Andreas Knapp
Telefon: +43 680 1342 785
E-Mail: [email protected]

Original-Content von: Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), übermittelt durch news aktuell

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