In einem aufschlussreichen Interview hat der US-Diplomatieveteran Chas Freeman, der 1972 die Reise von US-Präsident Richard Nixon nach China organisierte, erschütternde Einblicke in die Realitäten der internationalen Politik gegeben. Freemans Schilderung der Ursachen des Ukraine-Krieges unterscheidet sich doch erheblich von dem, was der westlichen Öffentlichkeit unermüdlich eingehämmert wird. Der Krieg habe mit einer Anfrage Russlands begonnen, „über eine neue europäische Sicherheitsarchitektur zu verhandeln“. Die russische Regierung habe „korrekterweise“ darauf hingewiesen, dass die Europäer nicht in der Lage seien, unabhängig darüber zu entscheiden, und vorher die USA um Erlaubnis fragen müssten. Washington habe abgelehnt. Die Frage stehe also im Raum. Nach dem „Coup“ von 2014 in Kiew habe es sich zunächst um einen „Bürgerkrieg unter Ukrainern“ gehandelt, da der Bevölkerung der Ostukraine das Sprechen ihrer Muttersprache untersagt worden sei und man von ihr verlangt habe, sich unter das neue Regime zu fügen. Daraufhin habe sie mit russischer Hilfe rebelliert. 2022 habe dieser Bürgerkrieg sich dann zu einem internationalen Krieg entwickelt, in dem die NATO generell und die USA im Besonderen Russland „indirekt konfrontiert“ hätten.
Für einen Frieden in der Ukraine hält Freeman es für erforderlich, dass Kiew und Moskau sich auf den Grenzverlauf einigen, den Minderheiten in der Ukraine das Recht eingeräumt wird, ihre eigene Sprache und Kultur auszuleben zu dürfen -was von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) garantiert werde- und auf eine unabhängige, wohlhabende und demokratische Ukraine hinzuarbeiten, die „sowohl als Puffer als auch als Brücke zwischen Russland und dem Rest von Europa“ fungieren könne. Russland sei derzeit im Vorteil, so Freeman weiter. Die Ukraine habe bereits über 20 Prozent ihres Territoriums verloren und laufe Gefahr, weitere Schlüsselgebiete, darunter ihre Schwarzmeer-Küste, zu verlieren. Es sei also besonders im Interesse der Ukraine, ein schnelles Ende in diesem Krieg herbeizuführen. Auch Selenskyj, der „oftmals ein Wunschdenker“ sei, beginne, dies zu verstehen. Die Lieferung deutscher Taurus-Raketen an die Ukraine lehnt Freeman ab. Es sei keine gute Idee, „dem russischen Bären ins Auge zu stechen“. Jedes Mal, wenn der Westen der Ukraine stärkere Waffen geliefert habe, habe Russland mit Vergeltung geantwortet. Eine „Wunderwaffe“ sei nicht die Antwort für die ukrainischen Probleme.
Lügen der westlichen Propagandamaschine entlarvt
Kiew habe zu wenige Soldaten, das Land habe zu viele Menschen verloren und sei nicht mehr in der Lage, die Verteidigung aufrechtzuerhalten. Ein paar Ziele in Russland zu treffen, werde die Lage nicht verändern und sei „mehr Provokation als die Lösung der Probleme in der Ukraine“.
Nicht weniger erhellend sind Freemans Ansichten über die Sprengung der Nord Stream-Pipelines. Er erklärte offen, dass er davon ausgeht, dass die USA dafür verantwortlich seien. Alle anderen Erklärungen hält er für Erfindungen von Geheimdiensten. Das Resultat der Sprengung sei die „Deindustrialisierung Deutschlands“, von der die USA „bestens profitiert“ hätten, da sie Deutschland Gas verkaufen würden, das „vier- bis fünfmal teurer sei“ als russisches. Die USA würden die Abhängigkeit Europas von ihrer Energieversorgung erhöhen, die großen Ölfirmen würden sich freuen. Er persönlich halte dies für eine „desaströse Entwicklung“.
Freemans Ausführungen stellen alles auf den Kopf, was die westlichen Propagandamaschinen seit 2022 ausspucken. Die Ukraine-Tragödie wäre mit etwas diplomatischem Geschick und dem staatsmännischen Format, das den westlichen „Eliten“ unisono abgeht, leicht zu vermeiden gewesen. Stattdessen sorgte die allgemeine Unfähigkeit für Hunderttausende Tote und einen nicht zu beziffernden wirtschaftlichen Schaden. Auch die rücksichtslose US-Strategie, einem der engsten Verbündeten seine elementar wichtige Infrastruktur wegzusprengen, um ihn von sich abhängig zu machen und ihm völlig überteuertes Gas anzudrehen, nennt er ungeschminkt beim Namen. Dieses Interview müsste so weit wie nur möglich verbreitet werden, weil hier ein Insider und erfahrener Topdiplomat mit Weitsicht und historischer Bildung aufzeigt, welche verantwortungslosen Hasardeure die westliche Politik beherrschen. (TPL)
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Author: Kurschatten
Journalistenwatch