Ich gebe nicht viel auf Umfragen über Politikerpopularität. Es gibt einfach zu viele Beispiele von Namen, die eine Zeitlang hoch gehandelt wurden, deren Stern dann aber rasch verglühte. Der Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz hat dieses Problem nicht, denn er war noch nie populär.
Von Wolfgang Hübner
Vielmehr ist er auf dem besten Weg, der unpopulärste Kanzler zu werden, ohne überhaupt schon Kanzler zu sein. Dafür sorgen zwei Männer vor allem: Zur allgemeinen Überraschung der noch in Berlin amtierende Olaf Scholz, der sich trotz des Ampeldebakels nicht ohne Erfolg als besonnener Friedenskanzler zu präsentieren versteht. Der andere ist Markus Söder, Friedrich Merzens bayrischer „Freund“.
Selbst der blasse SPD-Apparatschik Scholz, der gerade mit Müh und Not den Umfrageliebling Boris Pistorius aus dem Weg geräumt hat, ist inzwischen nicht mehr weit von den mageren Popularitätswerten von Merz entfernt. Demnächst könnte er sie sogar übertreffen. Das will schon etwas heißen. Doch mindestens so lästig wie Scholz ist Söder, der sich abermals für den besseren Kanzlerkandidaten hält. Das sagt er natürlich nicht offen, prügelt aber theatralisch auf den Grünen herum, die Merz aber noch brauchen dürfte, um nicht nur Kanzler vor sozialdemokratischen Gnaden zu werden.
Söder hat jedoch längst herausgefunden, dass der CSU und ihm nichts so sehr bei den Wählern nutzt wie größtmögliche Distanz zur grünen Großsekte. Zwar ist Söder ein notorischer Wendehals, geht aber ein großes Risiko für künftige Ambitionen ein, nach der Bundestagswahl doch noch mit Habeck, Baerbock und Co. ins Koalitionsbett zu steigen. Im Gegensatz zu dem lavierenden Merz hat er nämlich erkannt, dass die beste Zeit der Grünen vorbei ist. Und er weiß auch, dass der BlackRock-Millionär 20 Jahre zu spät das werden will, was er einst mit seiner feigen Flucht vor Angela Merkel nicht geworden ist.
Der Unionskandidat mag den Ü70-Zuschauern von ARD und ZDF noch als ein passabler Kanzlerdarsteller erscheinen. Für die politischen und gesellschaftliche Herausforderungen der nächsten Jahre ist er schlicht der falsche Mann zur falschen Zeit. Auch weil der nächste Kanzler sich mit Putin wieder verständigen muss statt dem Russen lächerliche Ultimaten zu stellen.
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Author: Gast Autor
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