Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger
Der kleine Friedrich möchte unbedingt ein Eis.
Wie das Handelsblatt uns berichtet, hat Friedrich Merz seinen erfolgreichen außenpolitischen Aktivitäten eine weitere hinzugefügt: Vor dem Treffen zwischen Trump und Putin in Alaska „pocht Bundeskanzler Friedrich Merz darauf, dass der ukrainische Präsident eingebunden wird. Der CDU-Politiker kündigte am Sonntag in der ARD an, er wolle mit Trump telefonieren, um über das Treffen am kommenden Freitag im US-Bundesstaat Alaska zu sprechen.“ Ja, pochen, das kann er gut. Er pochte darauf, dass es in der Migrationspolitik einen grundsätzlichen Wechsel gibt, er pochte darauf, dass die Schuldenbremse unangetastet bleibt, er pochte darauf, dass „links“ vorbei sei, er pochte sogar zu Zeiten der Ampel, als kaum jemand glaubte, dass es noch schlimmer kommen könne, darauf, dass Waffenlieferungen an Israel nicht gestoppt werden dürfen. Wie ein kleines Kind im Sandkasten, das unbedingt ein Eis haben möchte und deshalb unaufhörlich auf den Sand pocht, pocht eben auch Friedrich Merz immer wieder gerne.
Selbstverständlich wird das Kind von Zeit zu Zeit sein Eis bekommen, und zwar genau dann, wenn die Erwachsenen es wollen. Ich gebe zu: Es gibt auch Eltern, die vor jedem Wunsch ihres Sandkastenkindes in die Knie gehen, um ihn eilfertig zu erfüllen, aber es ist nicht anzunehmen, dass Donald Trump diesem Typ abgehört. Ob der kleine Friedrich sein Eis erhält, wird nicht er selbst entscheiden, genauso wenig, wie Ursula von der Leyen, die vielfältig begabte und stets gescheiterte Kommissionspräsidentin, durch pures Pochen die Zölle erhielt, die sie gerne verlangt hätte. Darüber werden sich die Erwachsenen zu einigen haben, sprich: die Machthaber, zu denen Merz beim besten Willen nicht gezählt werden kann. „Wir bereiten uns intensiv auf europäischer Ebene zusammen mit der amerikanischen Regierung auf dieses Treffen vor“, teilte er dem Publikum mit. Weiß Trump schon, dass er sich zusammen mit Merz und anderen „auf europäischer Ebene“ auf das Treffen mit Putin vorbereitet? Wissen es die Erwachsenen, die am Rande des Sandkastens sitzen, dass sich ihre Kinder gerade mit ihnen auf den Weg zur Eisdiele vorbereiten?
Tatsache ist, dass das Sandkastenkind, auch wenn es das kaum mit wohlgesetzten Worten zum Ausdruck bringen kann, in aller Regel eine Absage nicht akzeptieren und versuchen wird, seinen Willen durchzusetzen. Bei Merz ist es ähnlich. „Wir können jedenfalls nicht akzeptieren, dass über die Köpfe der Europäer, über die Köpfe der Ukrainer hinweg über Territorialfragen zwischen Russland und Amerika gesprochen oder gar entschieden wird.“ Ich will nicht bestreiten, dass die Ukrainer früher oder später in dieser Sache mitreden sollten, aber was geht es die „Köpfe der Europäer“ an, wenn über sie hinweg die echten Machthaber sprechen? Selbstverständlich wird man über ihre Köpfe hinweg verhandeln, schon deshalb, weil ihr bisheriges Interesse an Verhandlungen sich in Grenzen hielt und Entscheidungen üblicherweise von denen getroffen werden, die die Macht in Händen halten. Gerade Merz sollte das wissen, schließlich darf er in seinem Sandkasten auch nichts entscheiden, solange es nicht der kleine Lars aus dem Nachbarsandkasten gebilligt hat.
Merz und all die anderen übergroßen Staatsmänner Europas können gerne nach einem Eis quengeln. Man wird ihnen zuhören oder doch wenigstens so tun. Man wird ihnen vielleicht sogar zustimmen, wenn es zu den Plänen und Vorhaben der echten Machthaber passt, und nur dann. Entscheiden dürfen sie nichts.
Friedrich Merz sonnt sich gerne in den Strahlen der Außenpolitik, damit er jede Form von Innenpolitik der SPD überlassen kann. Das alleine treibt Deutschland schon immer weiter in Richtung Abgrund. Doch auch, wenn er auf internationaler Ebene eben eher der kleine Friedrich ist als Friedrich der Große, beschleunigen seine Ambitionen den Untergang noch mehr. Denn was immer auch entschieden wird: die Rechnung bezahlen wird Deutschland.
Und das sind wir.
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Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.
Bild: EUS-Nachrichten / Shutterstock.com
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