Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger
Machen wir es kurz; die Akteure verdienen ohnehin nicht viele Worte.
In der ebenso bekannten wie berüchtigten Sendung „Hart aber Fair“, in der man hart nur gegen Rechtsabweichler und Fairness ein Fremdwort ist, sprach man am 3. Februar über die viel beschworene Brandmauer und daher auch zwangsläufig über Migration. Dass der Moderator Louis Klamroth, der stets so wirkt, als hätte er vergessen, sich rechtzeitig umzuziehen, sich redlich bemühte, das ausländisch geprägte Vergewaltigungsgeschehen australischen Austauschstudenten in die Schuhe zu schieben, muss ich hier nicht mehr ausführen und kann mich auf die Frage beschränken, warum er nicht statt dessen österreichische Sozialdemokraten oder neuseeländische Schafzüchter angeführt hat.
Im Verlauf der Diskussion aber, genauer gesagt in der 49. Minute, durfte eine kleine Graphik die Studiowand schmücken, in der die Auffassung der Bevölkerung zu „Zurückweisungen an den Grenzen“ gezeigt wurde. Hier kann man sie sehen:
Dass die zehn Prozent, die allem Anschein nach keine Meinung zur richtigen Richtung zu äußern wussten oder wagten, nicht wenigstens als „unentschieden“ dargestellt wurden, kann man als etwas unsauber, aber nicht weiter tragisch betrachten. Doch selbst einem vielleicht nicht übermäßig zahlenorientierten Moderator wie Klamroth hätte auffallen können und sollen, dass hier etwas nicht stimmte. 57% – das ist fast doppelt so viel wie 33%, genau genommen das 1,73-Fache, aber die Graphik macht so gar nicht den Eindruck, als würde sie diesem Faktor entsprechen. Man kann die beiden Balken messen und feststellen, dass der blaue Balken etwa 1,25-mal so lang ist wie der rote. Nicht 1,73, sondern 1,25. Folgt man der graphischen Darstellung und nimmt die Zahl von 33% als gegeben an, so dürften nur etwas mehr als 41% die Auffassung vertreten, die Zurückweisung an den Grenzen sei ein Schritt in die richtige Richtung, denn 1,25*33=41,25. Nimmt man umgekehrt den blauen Balken für bare Münze, so müssten fast 46% der Meinung sein, ein härteres Grenzregime sei eine schlechte Idee, denn 57/1,25=45,6.
Wie man es auch dreht und wendet: Diese Graphik ist Publikumstäuschung in der Absicht, so etwas wie annähernden Gleichstand zwischen den Verfechtern einer Zurückweisung und deren Gegnern vorzuspiegeln, in der Hoffnung, dass die Zuschauer der Talkshow mit Zahlen genauso wenig anfangen können wie die Teilnehmer und ihr Moderator. Man darf hoffen, dass sie wenigstens die Zahlen selbst nicht gefälscht, sondern nur ihre Verarbeitung in der Graphik manipuliert haben.
Hat man hier etwa das Publikum bewusst verhöhnt und beleidigt, indem man es wieder einmal für dumm verkaufen wollte? Bedenkt man, dass „Hart aber fair“ genau wie Georg Restles Magazin „Monitor“ mit seiner unbändigen Wahrheitsliebe dem WDR entstammt, dann gibt es auf diese Frage nur eine Antwort.
Ja.
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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.
Bild: Shutterstock
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