Die Grundidee der Paläo-Diät, die besagt, dass wir uns ernähren sollten wie die Menschen in der Altsteinzeit, kann zurückverfolgt werden zu dem amerikanischen Arzt, Obstbauern und Spiritualisten Emmet Densmore, der von 1837-1911 lebte und im Jahr 1890 einen Text mit dem Titel „The Natural Food of Man“, d.h. „Das natürliche Nahrung des Menschen“ veröffentlichte.
Wie heute so war die Paläo-Diät auch bei Densmore weniger positiv definiert, also durch das, was man essen sollte, als vielmehr negativ, durch das, was man nicht essen sollte. Dementsprechend lautete der Untertitel des Buches von Densmore „A Brief Statement of the Principal Arguments Against the Use of Bread, Cereals, Pulses, and All Other Starch Foods“, d.h. „Eine kurze Darstellung der wichtigsten Argumente gegen die Verwendung von Brot, Getreide, Hülsenfrüchten und allen anderen stärkehaltigen Nahrungsmitteln“.
Diese Argumente basieren auf Densmores Beobachtungen, die er bei varrierender Ernährungsweise an sich selbst wahrgenommen hat – so stellte er z.B. fest, dass er das Gefühl von „fullness“ und „drowsiness“ (Völlegefühl und Schläfrigkeit) vermeiden konnte und pro Nacht mit einer Stunde weniger Schlaf auskam, wenn er keine stärkehaltigen Nahrungsmittel zu sich genommen hatte (Densmore 1890: 12) –, und auf Beobachtungen an seinen Patienten. Er beobachtete, dass der Verzehr von Brot und anderen stärkehaltigen Nahrungsmitteln die Gewichtszunahme fördert bzw. die Gewichtsabnahme erschwert, und er argumentierte, dass er den Verdauungstrakt schwäche und latente Entzündungen hervorrufe. Brot und andere stärkehaltige Nahrungsmittel waren für Densmore auch deshalb ungesund, weil sie seiner Auffassung nach aufgrund ihrer „natürlichen Widerwärtigkeit“ und „Geschmacklosigkeit“ die längere Einspeichelung der Nahrung verhinderten, die der Verdauung prinzipiell zuträglich ist:
„Außerdem sind Brot und stärkehaltige Lebensmittel so natürlich widerlich und geschmacklos, wenn man sie trocken (oder sogar mit Sultaninen, wie Mr. Hayward empfiehlt) isst, dass fast alle Menschen am Ende dazu kommen werden, ihr Brot mit etwas Flüssigkeit oder Leckerbissen aufzzuweichen, und dann ist eine Einspeichelung ausgeschlossen. Ich habe Jahre damit verbracht, mich selbst zu unterrichten und anderen beizubringen, wie man Essen richtig kaut; und wenn es erfolgreich war, waren die Ergebnisse nicht befriedigend … Und selbst, wenn die größtmögliche Einspeichelung die Dinge sehr viel besser machen würde …, wird es viel einfacher sein, den Menschen zu lehren, ganz auf stärkehaltige Nahrungsmittel zu verzichten, als sie dazu zu bringen, ihre Nahrung richtig zu kauen“ (Densmore 1890: 17).
Im Original:
„Furthermore, bread and the starch foods are so naturally repugnant and distasteful taken dry (or even with sultanas, as Mr. Hayward recommends), that nearly all persons will come at last to softening their bread with some liquid or goody, and then insalivation is out of the question. I have spent years in teaching myself and trying to teach others to properly masticate food; and when successful, the results have not been gratifying … And even if the fullest possible insalivation would greatly mend matters …, it will be found much easier to teach people to do without starch foods altogether than to induce them to properly masticate their food“ (Densmore 1890: 17).
Gleichzeitig gestand Densmore zu, dass:
„… Weizen […] in mancher Hinsicht ein ideales Nahrungsmittel ist. Es enthält alle Elemente der Ernährung (außer freies Öl – meiner Meinung nach ein unverzichtbares Element) in etwa den notwendigen Proportionen; und wer Vollkornbrot als Grundlage für die tägliche Nahrung macht und genug Lebenskraft übrig hat, um diese Nahrung zu verdauen und zu assimilieren, ist gut ernährt … Ich erkläre allen, dass es von größter Wichtigkeit ist, gut genährt zu sein und eine ungehinderte Tätigkeit der Eingeweide zu haben. Da die Nüsse, die wir in England bekommen können (von ihren Kosten ganz zu schweigen) schwer von unseren Brot-geschwächten Verdauungsorganen assimiliert werden können, und weil den Früchten des nördlichen Klimas wesentliche Elemente der Ernährung (vor allem Stickstoff), fehlen, rate ich dazu, Eier, Milch oder Käse uneingeschränkt zu konsumieren; und da diese Nahrungsmittel eine verstopfende Tendenz haben, besonders wenn Magen und Darm durch Vollkornbrot seit Jahren entzündet sind, rate ich dazu, täglich große Mengen an Obst zu essen“ (Densmore 1890: 19).
Im Original:
„… wheat in some regards is an ideal food. It contains all the elements of nutrition (except free oil — in my opinion, an indispensable element) in about the needed proportions; and whoever makes wholemeal bread the basis of daily food, and has yet remaining enough vital force to digest and assimilate this food, is well nourished … I explain to all that it is of the utmost importance to be well nourished, and to have a free action of the bowels. Since the nuts we can get in England (to say nothing of expense) are hard to assimilate by our bread-enfeebled digestive organs, and since the fruits of northern climates are lacking in essential (especially nitrogen) elements of nutrition, I advise that eggs, milk, or cheese be freely taken; and since these foods are of a constipating tendency, especially where the stomach and intestines have for years been inflamed by wholemeal bread, I advise that large quantities of fruit be taken daily“ (Densmore 1890: 19).
Eier, Milch, Käse und Obst – das ist also, was Densmore zu essen empfiehlt. Und was ist mit Fleisch, das in der heutigen Paläo-Diet gewöhnlich eine große Rolle spielt? Anders als dies manchmal behauptet wird (so z.B. in diesem Text von Damien Zielinski über die Paläo-Diet), hält Densmore Fleisch gegenüber Eiern und Milch für zu teuer, und ist im übrigen der Meinung, dass
„… diese Nahrungsmittel die Stelle von tierischem Fleisch einnehmen und jeden Nutzen haben, den der Verzehr von tierischem Fleisch hat, und frei sind von den Ausscheidungsstoffen, die schädlichen sind und notwendigerweise in jedem Stück Muskelfleisch zu finden sind … Wenn heute ein Ochse getötet wird und ein Teil des roten Fleisches gegessen wird, so enthält es untrennbar von jedem winzigen Teil des Fleisches, das gegessen wird, eine Ausscheidungssubstanz, die, wenn das Tier nicht getötet worden wäre, in kurzer Zeit aus den Eingeweiden ausgeschieden worden wäre, und solche Nahrung ist nicht appetitlich, wenn man darüber nachdenkt, auch, wenn wir uns an diese Ungeheuerlichkeit gewöhnt haben“ (Densmore 1890: 15).
Im Original:
„… these foods take the place, and perform every useful service, of animal flesh, and are free from the excremental and injurious element necessarily found in every piece of muscular flesh … If a bullock is killed to-day, and a portion of the red meat eaten, there is, inseparable from each minutest portion of the flesh so eaten, an excremental substance which, if the animal had not been killed, would have been discharged from the bowels in a short time, and such food is not appetizing, when one comes to think of it, even if we have become accustomed to the enormity“ (Densmore 1890: 15).
Fleisch ist für Densmore also mindestens ebenso widerwärtig wie Brot. Aber nicht nur das spricht für Densmore gegen den Verzehr von Fleisch – und Fisch. Gerade weil er davon ausgeht, dass die Nahrungsmittel, die „Urmenschen“ („primal man“; Densmore 1890: 24) verzehrt haben, solche waren, die sie spontan zur Verfügung hatten, schließt er aus, dass Fleisch und Fisch eine nennenswerte Rolle bei ihrer Ernährung gespielt haben können:
„… man sollte bedenken, dass der Urmensch keine Werkzeuge hatte und ohne Werkzeuge mit irgendeiner Regelmäßigkeit oder Zuverlässigkeit weder Tiere töten noch Fische fangen konnte. Man muss auch daran denken, daß Feuer und Kochen das Ergebnis nachträglicher Entdeckung sind, und es ist klar, dass der Mensch ohne Feuer nicht vom Verzehr von Tieren gelebt haben kann – selbst, wenn man zugestehen würde, dass er sie gefangen haben könnte –, wenn er einfach verfügbare Nahrungsmittel finden konnte, die weniger abstoßend sind“ (Densmore 1890: 24).
Im Original:
“ … it is well to bear in mind that primal man had no tools, and that without tools he could neither slay animals nor catch fish with any regularity or reliability. It must also be recollected that fire and cooking are the result of subsequent discovery, and without fire it is plain that man would not subsist on animals, even allowing he could catch them, if he could find foods at hand less repulsive“ (Densmore 1890: 24),
Die Paläo-Diät wie sie Densmore vor Augen hat ist, so könnte man meinen, ein Ovo-Lacto-Vegetarismus, dies allerdings unter Ausschluss von getreide- und stärkehaltigen Nahrungsmitteln (s. hierzu insbesondere Densmore 1890: 24-25). Aber dies ist nicht zutreffend, denn an vielen Stellen fügt Densmore „vegetables“, also Gemüse aller Art – inklusive Hülsenfrüchte –, getreidehaltigen Nahrungsmitteln direkt an, wenn es um die negativen Folgen ihres Verzehrs geht, und er empfiehlt, statt Gemüse Obst zu essen (z.B. Densmore 1890: 38), wobei allerdings unklar ist, ob er tatsächlich „vegetables“, also Gemüse aller Art meint, oder „vegetables“ an den entsprechenden Stellen als Kürzel für „starchy vegetables“, d.h. stärkehaltiges Gemüse, benutzt, was an anderen Stellen im Buch nahegelegt wird (z.B. auf Seite 15, am deutlichsten vielleicht auf Seite 27).
Wie dem auch sei, für Densmore besteht die optimale Ernährungsweise und seiner Meinung nach die Ernährungsweise der Steinzeitmenschen aus Eiern, Milch oder Käse – Milch am besten immer abgekocht und Käse mild und nur leicht gesalzen (Densmore 1890: 15) – und Obst. Diese Ernährungsweise ist nach Densmore diejenige, die Menschen gesund erhält oder bereits bestehende Krankheiten lindern oder heilen kann.
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Dem kanadischen Zahnarzt Weston A. Price, der oft als ein weiterer „Vorfahre“ der Paläo-Diät genannt wird, ging es in seinem Buch mit dem Titel „Nutrition and Physical Degeneration“ aus dem Jahr 1939 um weit mehr. Obwohl er den Zustand der Zähne zeitgenössischer Kanadier oder überhaupt „Westler“ im Vergleich zu dem der Zähne „primitiver Rassen“ untersuchte, geht sein Interesse weit über die Zahngesundheit hinaus. In seiner Darstellung wird eine Ernährungsweise zur Schicksalfrage, zur Frage von beiden, „… individual and group destiny“ (Price 1939: 20), und zwar deshalb, weil Price mit einer Veränderung der in den USA zu diesem Zeitpunkt üblichen Ernährung die Rettung vor moderner „mass degeneration“, d.h. „Massendegenration“ verbindet. Ihr muss nach Price durch nationale Programme entgegengewirkt werden, die darauf abzielen sollen, den „… national character“, d.h. den „Nationalcharakter“, zu erhalten, indem sie korrigierend hinsichtlich der Faktoren eingreifen, die
„die Degeneration einer zunehmenden Zahl von Menschen in der Bevölkerung in aufeinanderfolgenden Generationen unserer modernen Kulturen“
Im Original:
„… the degeneration of increasing numbers of the population in succeeding generations of our modern cultures“(Price 1939: 20),
verursachen.
Die „Degeneration“ erkennt Price an „the human face and the dental organs“, d.h. am „menschlichen Gesicht und den Zahnorganen“ (Price 1939: 21), und er verbindet – anders als der Titel des Buches nahelegt – mit physischer Degeneration „mental and moral deterioration“, d.h. „geistigen und moralischen Niedergang“ (Price 1939: 353). Entrümpelt man seine Darstellung von diesem unnötigen weltanschaulichen Ballast, dann bleibt, was Price bei seinen Zahnuntersuchungen festgestellt hat, übrig:
„Das Endergebnis ist in allen Studien bei primitiven Rassen dasselbe gewesen, als sie von ihrer einheimischen Ernährung, die entsprechend der gesammelten Weisheit ihrer Rasse ausgewählt wurde, zu den Nahrungsmitteln überwechselten, die im modernen Handel zu haben sind. Diese waren für die verschiedenen Gruppen weitgehend gleich. Es ist von großer Bedeutung im Zusammenhang mit dem weltweiten Problem der Zahnkaries, dass diese verschiedenen Rassengruppen, die durch eine angemessene Auswahl an verfügbaren Nahrungsmitteln Immunität [gegen Zahnkaries] hergestellt haben, dies auf der Basis sehr unterschiedlicher Ernährungsweisen getan haben, wenn sie nach Typ und Name der Nahrungsmittel betrachtet. Ihre effiziente Ernährung war jedoch sehr ähnlich, wenn sie auf den Gehalt an Mineralien und Vitaminen reduziert [betrachtet] wurde … Die Menschen in den abgelegenen Tälern der Schweiz boten eine hohe Immunität [gegen Zahnkaries] durch die Verwendung von außergewöhnlich vitaminreichen Milchprodukten und Vollkorn-Roggenbrot, mit Fleisch etwa einmal wöchentlich und Gemüse nach Verfügbarkeit, vor allem im Sommer. Die Menschen der Äußeren Hebriden erreichten eine hohe Immunität mit der Verwendung von Meeresfrüchten, Haferkuchen und Haferbrei mit begrenztem Gemüse in der [entsprechenden] Saison. Marine Pflanzen wurden auch verwendet. Die Eskimos und Indianer von Alaska und dem hohen Norden erreichten eine hohe Immunität mit dem Verzehr von Gewebe von Meeres- und Landtieren, aber nur begrenztem Gemüse und sehr begrenzten Samen … In all diesen Gruppen waren die [die traditionelle Ernährungsweise] verdrängenden Diäten, die aus den im Handel angebotenen Nahrungsmitteln bestanden, mehr oder weniger raffinierte Zucker, raffinierte Mehle, Konserven, pflanzliche Fette und polierter Reis“ (Preis 1939: 474-474).
Im Original
„The end result has been the same in all the primitive racial stocks studies when they changed from their native dietary as selected in accordance with the accumulated wisdom of their race to the foods of modern commerce. These have been largely the same for the different groups. It is a matter of great importance in connection with the world problem of dental caries that these several racial groups that established immunity for themselves by using a proper selection of available food did so on very different dietaries when judged on the basis of type and name of the foods. Their efficient diets, however, were very similar when reduced to mineral and vitamin content … The people in the isolated valleys of Switzerland provided a high immunity by the use of exceptionally high vitamin dairy products and entire rye bread, with meat about once a week and vegetables as availably, chiefly in the summer. The people of the Outer Hebrides accomplished high immunity with the use of sea foods, oat cake and oat porridge with limited vegetables in season. Marine plants also were used. The Eskimos and Indians of Alaska and the Far North accomplished a high immunity with sea and land animal tissues used as foods but limited vegetables and very limited seeds … In all of these groups the displacing diets that consisted of the foods of commerce were more or less highly refined sugars, refined flours, canned goods, vegetable fats and polished rice „(Price 1939: 474-474).
Das Ergebnis, zu dem Price kommt, ist also eines, das eher für das „Clean Eating“ spricht als für eine Paläo-Diät, und zwar, weil aufgrund seiner Daten für die Zahngesundheit nicht entscheidend ist, was genau man ißt, sondern vielmehr, worauf man beim Essen verzichtet; nach seinen Beobachtungen sind das Nahrungsmittel, die einer starken industriellen Verarbeitung unterzogen wurden.
Und obwohl die Beobachtungen von Price bei denen gemacht wurden, die man früher Naturvölker oder (technologisch) primitive Kulturen nannte, begeht er an keiner Stelle den Fehlschluss, ihre Lebensverhältnisse und Ernährungsgewohnheiten, die wie Price extra betont, sehr unterschiedlich sind, mit denjenigen frühe(re)r Menschen gleichzusetzen. Tatsächlich kommen Spekulationen über die Ernährungsweisen von Steinzeitmenschen in seinem Buch überhaupt nicht vor. Wofür Price geschätzt wird, ist dann auch nicht, dass er vermeintlich ein Vorläufer oder Wegbereiter der Paläo-Diät wäre, sondern vielmehr für die Entdeckung des „Activator X“ und seiner Bedeutung für die Zahngesundheit, von dem heute vermutet wird, dass es sich um Vitamin K2 oder hauptsächlich um Vitamin K2 (vielleicht gemeinsam mit anderen Vitaminen wie Vitamin A und Vitamin D3) gehandelt hat, ein Vitamin, das notwendig dafür ist, dass Kalzium zu den Zähnen und den Knochen transportiert und von ihnen absorbiert werden kann und das vor allem in Eigelb, Butter, Käse und Hühnerleber enthalten ist (wen’s interessiert: https://www.metropolitandentalcarenyc.com/blog/vitamin-k2/), woraus man wiederum eine positive Ernährungsempfehlung ableiten kann.
Die Verbindung der Paläo-Diät mit hohem Fleischkonsum ist erst einige Jahrzehnte nach Price erfolgt, nämlich in den 1970er-Jahren. Gemeinhin besteht Einigkeit darüber, dass es der amerikanische Arzt Walter L. Voegtlin gewesen ist, der nicht nur die Paläo-Diät als eine Diät mit hohem Fleischkonsum etabliert hat, sondern diese Ernährungsweise auch explizit als diejenige dargestellt hat, der die Menschheit bis zur Erfindung und Verbreitung der Landwirtschaft gefolgt sei. Er behauptet gleich am Anfang des ersten Kapitels, auf Seite 1, seines Buches „The Stone Age Diet“ aus dem Jahr 1975,
„“… dass Ihre Vorfahren für mindestens zwei und möglicherweise zwanzig Millionen Jahre ausschließlich fleischfressende Wesen waren“ (Voegtlin 1975: 1),
Im Original:
„… that your ancestors were exclusively flesh-eaters for at least two and possibly twenty million years“ (Voegtlin 1975: 1),
womit er sich in direktem Widerspruch zu Densmore befindet, und er behauptet weiter, dass
„die Ahnen der Menschen sich erst vor zehntausend Jahren von einer streng fleischfressenden Diät entfernt haben … Über die nächsten 9.950 Jahre machte der Mensch weiterhin kleine Änderungen im Bestand seiner Nahrungsmittel, da neue[!] pflanzliche Substanzen entdeckt und kultiviert wurden. Diese Veränderungen haben nichts ernährungsphysiologisch beigetragen außer einer reichhaltigeren Zufuhr von Kalorien“ (Voegtlin 1975: 1).
Im Original:
„ancestral man first departed slightly from a strictly carnivorous diet a mere ten thousand years ago … Over the next 9,950 years Man continued to make minor changes in his victuals as new[!] plant substances were discovered and cultivated. These changes contributed nothing nutritionally but a more abundant supply of calories“ (Voegtlin 1975: 1),
Beide Behauptungen, die Voegtin hier aufstellt, sind falsch – Steinzeitmenschen haben sich eben nicht alle bis zur Erfindung und Verbreitung der Landwirtschaft überwiegend oder gar gänzlich von Fleisch ernährt (Dominy et al.2008; Ahituv et al. 2025; Lüdecke et al. 2025; Sayers & Lovejoy 2014; Strait et al. 2009; Teaford & Ungar 2000), und pflanzliche Nahrungsmitteln enthalten eine Vielzahl von Vitaminen und Mineralien sowie Ballaststoffe, die lebenswichtig, aber in Fleisch nicht oder nicht in ausreichender Menge enthalten sind, u.a. die B-Vitamine Thiamin und Folsäure, Vitamin C, Vitamin D, Magnesium, Calcium, Kupfer und Zink (Andrewski et al. 2022: 62-63: Goedeke et al. 2025: 1 von 13).
Falsch ist auch eine weitere Behauptung, die Voegtlin bereits in der Einleitung formuliert und auf die er seine These von der prinzipiellen Unangepasstheit des menschlichen Verdauungstraktes – den er für den Verdauungstrakt eines Fleischfressers hält bzw. von dem er meint, dass er am besten an eine fleischliche Diät angepasst sei (Voegtlin 1975: 135), – an eine pflanzliche Diät gründet:
„Es ist heute bekannt, dass sich die Umwelt eines Organismus wie des Menschen sehr schnell ändern kann, aber die physische und funktionelle Veränderungen in ihm nur durch einen Prozess der Evolution erreicht werden, und solche adaptiven Änderungen treten in der Natur nur [!] nach einer langen Bewährungsprobe auf, über Millionen von Jahren hinweg“ (Voegtlin 1975: xv).“
Im Original
„It is now realized that whereas the environment of an organism such as Man may change very rapidly, physical and functional changes in him are accomplished only through a process of evolution, and such adaptive alterations occur in Nature only [!] with profound deliberation, over millions of years“ (Voegtlin 1975: xv).
Dieser Behauptung widerspricht Voegtlin aber selbst (u.a.) auf den Seiten 128 und 129, auf denen er schreibt:
„In einer sich sehr schnell verändernden Umgebung sind evolutionäre Veränderungen ähnlich schnell und werden tachytelisch genannt. Der Grund dafür ist das Überleben nur derer, die am besten dazu geeignet sind, große und plötzliche Veränderungen der Umwelt zu überstehen, mit dem Ergebnis, dass nur die Gene derjenigen, die mit ihrer neuen Umgebung am besten zurechtkommen, an nachfolgende Generationen weitergegeben werden“ (Voegtlin 1975: 128-129).“
Im Original:
„In a very rapidly changing environment, evolutionary changes are similarly very rapid and are called tachytelic. The reason for this is the survival of only the best fitted to live through great and sudden changes of an environment, with the result that only the genes of those best able to cope with their new environment are passed on to succeeding generations“ (Voegtlin 1975: 128-129).
Die Ko-Evloution von Viehwirtschaft und Laktosetoleranz (in Erwachsenen) ist ein bekanntes Beispiel für tachytelische Evolution (Gerbault et al. 2017; Hollox 2005; Leonardi et al. 2012). Auch dann, wenn die Gene, die für Laktosetoleranz verantwortlich sind, weiter in die Vergangenheit zurückreichen sollten als in die Zeit der Erfindung und Verbreitung von Viehwirtschaft, muss der Selektionsdruck in Richtung Laktosetoleranz in Verbindung mit dem Konsum von Milch oder Milchprodukten durch Erwachsene sehr stark gewesen sein (Luca et al. 2010).
Dessen ungeachtet hält Voegtlin wie gesagt daran fest, dass der Verdauungstrakt des Menschen (auch) so, wie er sich heute darstellt, der eines Fleischfressers sei und der Nahrung, die Menschen seit der Erfindung und Verbreitung der Landwirtschaft ebenso wie der modernen Ernährungsweise unangepasst sei. Zur Stützung seiner Auffassung zitiert er andere Personen, die ebenfalls der Auffassung sind, dass der Mensch sich im Verlauf seiner Geschichte biologisch kaum verändert habe und insbesondere die Zeitspanne von 10.000 Jahren zu kurz für biologische Anpassungen an eine veränderte Nahrungsmittelgrundlage, hier: an den Konsum von Milch und Milchprodukten, sei (s. Voegtlin 1975: 131).
Und Voegtlin verpasst das Thema, wenn er festhält:
„Ein Neandertaler in moderner Kleidung wäre leicht als professioneller Fußballspieler durchgegangen; der mächtige Cro-Magnon, mit schmalem Kopf und feinen Gesichtszügen, könnte als moderner Mensch durchgehen“ (Voegtlin 1975: 131).
Im Original:
„Neanderthal man, in modern clothing, would have passed easily for a professional football player; Cro-Magnon man, powerful, with a narrow head and fine features, could pass for modern man“ (Voegtlin 1975: 131).
Das mag sein, aber weder einem „professionellen Fußballspieler“ noch einem „modernen Menschen“ sieht man von außen an, ob er z.B. laktosetolerant ist oder nicht, oder allgemein ausgedrückt: Ggf. vorhandene Anpassungen an bestimmte Ernährungsgewohnheiten im Verdauungstrakt oder auf der genetischen Ebene sind an der äußeren Gestalt eines Menschen erkennbar.
Und seine bislang schon sehr schwache Argumentation setzt Voegtlin damit fort, Beispiele aus dem Tierreich anzuführen, die zeigen sollen, dass die entsprechenden Tiere sich – seiner Meinung nach: ebenfalls – für Hundertausende von Jahren nicht biologisch bzw. im Hinblick auf ihre Ernährungsgewohnheiten verändert hätten (Voegtlin 1975: 132-133).
Und für den Menschen behauptet er – einmal mehr:
„Beim Menschen wäre der Anlass für eine evolutionäre Veränderung im Verdauungstrakt erst aufgetreten, nachdem er begonnen hatte, seine Ernährung zu ändern, vor weniger als zehntausend Jahren. Jede Veränderung müsste daher als sehr schnell, relativ augenblicklich betrachtet werden!“ (Voegtlin 1975: 134).
Im Original:
„In man, the stimulus for an evolutionary change in the digestive tract would have occurred only after he had begun to change his diet, less than ten thousand years ago. Any change, therefore, would have to be considered a very rapid one, relatively instantaneously!“ (Voegtlin 1975: 134).
Aber wie Voegtlin selbst einige Seiten vorher noch gewusst hat, ist dies nicht nur möglich, sondern entsprechende biologische Anpassungen an den Konsum von Milch- und Milchprodukten sind belegt.
Und die Anpassung an den Konsum von Milch- und Milchprodukten ist durchaus nicht die einzige in der langen Geschichte der Menschheit gewesen (und wird sicherlich nicht die letzte sein), wie Luca et al. (2010) dies anschaulich und in verständlicher Weise auf den in ihrem Fachzeitschriftenartikel mit dem Titel „Evolutionary Adaptations to Dietary Changes“ beschreiben:
Für die frühen Hominiden sprechen die vorliegenden Daten dafür, dass ihre Ernährung gemischt war und sie vielleicht vor allem, aber keineswegs nur, Obst gegessen haben, sondern auch Blätter und härtere Vegetation verspeist haben. Später lebten Hominiden in offenerem Gelände, das mechanisch anspruchsvollere Nahrungsmittel bereitstellte, wie u.a. die dicken emaillierten Zähne der von Australopithecinen, die etwa vor 1,5 bis 4 Millionen Jahren gelebt haben, zeigen. Unklarheit besteht darüber, ob die harten Nahrungsmittel, die sie gegessen haben, vor allem Knollen oder Samen oder beides gewesen sind, aber jedenfalls verweist die Zahnmorphologie der Australopithecinen auf den Verzehr harter Nahrungsmittel.
Diese Ernährungsweise ist wahrscheinlich für die Entstehung des Enzyms Amylase verantwortlich, das im Speichel und in der Bauchspeicheldrüse zu finden ist und für die Stärkehydrolyse verantwortlich ist. Speichel-Amylase, mit der die Verdauung von Stärke im Mund beginnt, kann nach dem Schlucken der Nahrung in Magen und Darm bestehen bleiben, so dass die Aktivität der Pankreasamylase im Dünndarm erhöht wird (s. hierzu Fried et al. 1987; Lebenthal 1987).
Die frühesten Belege dafür, dass Hominiden Fleisch gegessen haben, stammen aus der Zeit von vor etwa 2,5 Millionen Jahren, wobei die entsprechenden Fossilien darauf hinweisen, dass sie Aas verspeist haben; eine sehr einfache Jagdaktivität nach kleinen Reptilien und Amphibien, Fischen oder – bei Gelegenheit – jungen oder schwachen Exemplaren größerer Wirbeltiere, kann für diese Zeit nicht gänzlich ausgeschlossen werden, aber es gilt als sicher, dass regelmäßiger Fleischkonsum durch Jagdtätigkeit für frühe Hominiden so gut wie ausgeschlossen werden kann (s. hierzu Pickering and Bunn 2007; Raichlen et al. 2011; Ruxton and Wilkinson 2011; Sayer & Lovejoy 2014; Steudel-Numbers & Wall-Scheffler 2009).
Weil rohes Fleisch schwierig zu zerkauen ist und dementsprechend mit sehr langsamem Essen verbunden ist, wären dem Verzehr von Fleisch in größeren Mengen ohnehin enge Grenzen gesetzt gewesen bis Verarbeitungstechniken und insbesondere das Kochen erfunden und systematisch verwendet wurden. Wann genau das war, ist bislang ungeklärt; der älteste unbestreitbare Beleg für menschliches Feuer stammt aus der Zeit vor 800.000 Jahren und dem Gebiet, das heute Israel umfasst.
In jedem Fall muss das Kochen von Nahrungsmitteln eine entscheidende Veränderung in den Ernährungsgewohnheiten von Menschen bedeutet haben, weil es nicht nur die Verdaulichkeit sowohl von Fleisch als auch von pflanzlicher Nahrung fördert, sondern manche Nahrungsmittel dem Verzehr durch Menschen erst erschließt, so z.B. essbare Knollen, die jedoch für den Verzehr durch den Menschen ohne vorheriges Kochen zu zäh sind. Weil durch das Kochen auch toxische Stoffe entstehen, sind mit dieser Technologie auch neue Herausforderungen an das menschliche Verdauungssystem gestellt worden. Verstärkter Fleischverzehr dürfte mit genetischen Anpassungen mit Bezug auf die schädlichen Auswirkungen von toxischen Stoffen, aber auch Fett und in Fleisch enthaltenen Pathogenen verbunden gewesen sein (s. hierzu Finch & Stanford 2004)
Im Verlauf der letzten etwa 12.000 Jahre haben sich Landwirtschaft und Haltung und Nutzung domestizierter Tiere entwickelt und verbreitet. Auf die mit ihr einhergehende Verbreitung von Laktose-Toleranz unter Erwachsenen wurde bereits hingewiesen. Die mit Landwirtschaft und Viehhaltung verbundene Ernährungsweise – d.h. der Verzehr von Getreideprodukten und Milchprodukten – hat vorher nicht gekannte Bevölkerungsdichten ermöglicht, aber auch vorher nicht gekannte Kalorienüberschüsse, die mit Insulinresistenz und (damit) der Entstehung von Diabetes mellitus, Typ 2, in Verbindung gebracht werden. Unter Bedingungen, in denen Nahrung knapp ist, so hat u.a. Neel (1962) spekuliert, hat Insulinresistenz den Effekt, dem Gehirn mehr Glukose zuzuführen, so dass es uneingeschränkt funktionieren kann (s. hierzu auch Reaven 1998; Soeters & Soeters 2012), aber wenn Nahrung Kalorien im Überfluss bereitstellt, dann hat Insulinresistenz negative Folgen. Für Watve und Yajnik (2007) ist Insulinresistenz allerdings nicht allein hierdurch erklärbar; Übergewicht und Diabetes mellitus Typ 2 betrachten sie weniger als durch Insulinresistenz (zwecks Energie-Homöostase) als solche verursacht, sondern als Folge von Veränderungen des Immunsystems, die mit Übergewicht und Insulinresistenz einhergehen.
Es ist zutreffend, dass in den letzten drei Jahrzehnten vergleichsweise große Fortschritte an der Schnittstelle von physischer Anthropologie, Ur- und Frühgeschichte, Ernährungswissenschaft und angrenzenden Disziplinen gemacht wurden, so dass man Verständnis für einige Irrtümer (aber nicht alle, so z.B. hinsichtlicher der großen Variationsbreite der Ernährungsweisen von Hominiden) von Autoren, die in den 1970er- und 1980er-Jahren geschrieben haben, haben muss. Kein Verständnis kann man dafür haben, dass Autoren ihren eigenen Feststellungen widersprechen, wie das bei Voegtlin der Fall ist, aber auch bei Stanley Boyd Eaton und Melvin Konner, die in der Ahnenreihe der Verfechter der Paläo-Diät einen wichtigen Platz einnehmen.
In ihrem Text „Paleolithic Nutrition: A Consideration of Its Nature and Current Implications“ aus dem Jahr 1985 halten Eaton und Konner korrekterweise fest, dass
„die Nahrung, die für die sich entwickelnden Hominiden verfügbar war, je nach paläontologischer Periode, geografischer Lage und saisonalen Bedingungen variierte, so dass unsere Ahnenlinie die Vielseitigkeit des Omnivoren beibehält, der die meisten Primaten charakterisiert. Die natürliche Selektion hat uns mit Ernährungsanpassungsfähigkeit ausgestattet …“ (Eaton & Konner 1985: 283).
Im Original:
„[t]he foods available to evolving hominids varied widely according to the paleontological period, geographical location, and seasonal conditions, so that our ancestral line maintained the versatility of the omnivore that typifies most primates. Natural selection has provided us with nutritional adaptability …“ (Eaton & Konner 1985: 283),
Dennoch fahren sie anschließend fort, einen Abriß „der“ Ernährung von Steinzeitmenschen verschiedener Abschnitte in der Steinzeit bzw. von verschiedenen Hominiden zu geben, der keinen Bezug auf das Nahrungsangebot in der jeweiligen Umwelt oder auf saisonale Bedingungen nimmt.
Zu den Irrtümern, die Eaton und Konner begangen haben, weil sie es damals nicht besser wissen konnten, gehört u.a., was sie über die Rolle von aquatischen Nahrungsmitteln in der Ernährung von Steinzeitmenschen schreiben:
„Muscheln und Fischgräten sind in archäologischem Material, das in die Zeit vor 130.000 Jahren datiert wurde, unbekannt und werden selten in Material gefunden, das in die Zeit vor 20.000 Jahren datiert wird, so dass in paläontologischer Hinsicht die weit verbreitete Verwendung von aquatischen Nahrungsmitteln ein neues Phänomen ist“.
Im Original:
„[s]hells and fish bones are unknown in archaeological material dating from before 130,000 years ago and are found infrequently in material dating from before 20,000 years ago, so that, in paleontological terms, widespread use of aquatic foods is a recent phenomenon“.
Heute weiß man, dass Nahrung aus Flüssen und Meeren durchaus auf dem Speisezettel von Steinzeitmenschen gestanden haben, wenn sie zugänglich waren. Schon Hominiden der Spezies homo erectus haben Seeufer bewohnt oder häufig frequentiert, was wahrscheinlich mit dem dort zu findenden aquatischen Nahrung zu tun hatte (Roach et al. 2016). Martinoia et al. (2024) haben anhand von Fossilien von Menschen aus der späten Altsteinzeit, die im Gebiet des heutigen Kroatiens gelebt haben, „significant freshwater fish consumption“, d.h. „Verzehr von Süßwasserfischen in erheblichem Ausmaß“ festgestellt. Bereits im Jahr 2001 waren Richards et al. aufgrund einer Analyse von Fossilien, die von homo sapiens oder von Neanderthalern und von verschiedenen Fundorten in der Tschechien, in Russland und dem Vereinigten Königreich stammten (s. Richards et al. 2001: 6528), zu dem Ergebnis gekommen, dass
„Die stabile Isotopen-Analyse der frühen modernen menschlichen Skelettreste dokumentiert eine signifikante Veränderung in den Nutzungsmustern der Fauna in der Zeit bis zum mittleren Jungpaläolithikum, basierend auf einer signifikanten Nutzung von Süßwasser-Wasserressourcen, Beweis für eine Zunahme der Nahrungsbreite“ (Richards et al. 2001: 6531),“
während:
„… Neanderthaler nutzten kleine Tiere in weiten Teilen Europas weniger konsequent [als Nahrungsquelle]“.
Im Original:
„The stable isotope analysis of early modern human skeletal remains documents a significant shift in faunal exploitation patterns by the mid-Upper Paleolithic based on significant use of freshwater aquatic resources, evidence for an increase in dietary breadth (Richards et al. 2001: 6531), […]
… Neandertals exploited small animals less consistently in much of Europe“ (Richards et al. 2001: 6531),
Auf der Basis der Untersuchung von Neanderthaler-Fossilien aus der Shanidar-Höhle im Irak, die aus der Zeit von vor rund 70.000 Jahren stammen, haben Forscher festgestellt, dass Letztere u.a. wilde Grassamen, vermischt mit Hülsenfrüchten gegessen haben.
Einmal mehr erweist sich „die“ Ernährung „der“ Steinzeitmenschen als unter Steinzeitmenschen variabler als manche vermuten (möchten).
Die Hauptkritik an dem Text von Eaton und Konner ist jedoch die, dass sie „die“ Ernährungsweise von Steinzeitmenschen mit „der“ Ernährungsweise von in der jüngeren Vergangenheit existierenden Sammlern und Jägern – „… derived from the literature“ (Eaton & Konner 1985: 286), d.h. soweit sie sie aus ethnographischen Berichten reskonstruieren konnten – nicht nur gleichsetzen, sondern sie zur Grundlage ihrer Berechnung einer optimalen Ernährungsweise für den Menschen der Jetztzeit, auch im (verstädterten) Westen machen. Und obwohl Fleisch weder bei Steinzeitmenschen im Allgemeinen noch bei Sammlern und Jägern der jüngeren Vergangenheit oder Gegenwart – die häufig in Handels- oder Austauschbeziehungen mit Viehzüchtern oder Getreidefarmern standen/stehen oder Nahrungsmittel von Missionaren, Forschern oder Touristen erhielten/erhalten (Lieberman et al. 2023: 550 nennen diesbezüglich eine Reihe von Belegen; s. Literaturangaben dort) – im Allgemeinen einen großen Anteil der täglichen Nahrung ausgemacht hat (Hardy et al. 2015; Lee 1968; Lieberman et al. 2023; Paine & Daegling 2023; Stewart 2014), charakterisieren sie Eaton und Konner als „hunting societies“, d.h. „Jagdgesellschaften“, und schreiben:
„In den Jagdgesellschaften unserer Vorfahren lieferte Fleisch einen großen Teil der täglichen Nahrung, was für hohe Eisen- und Folatwerte sorgte. Protein hatte einen doppelten bis fast fünfmal so hohen Anteil an den gesamten Kalorien wie es bei Amerikanern der Fall ist. Ihre fleischreiche Diät enthielt einen hohen Cholesterinspiegel – ähnlich oder sogar höher als der in unserer Ernährung; … Umgekehrt haben sie viel weniger Fett gegessen als wir, und das Fett, das sie aßen, war wesentlich anders als unseres.“
Im Original:
„In the hunting societies of our ancestors meat provided a large fraction of each day’s food, ensuring high iron and folate levels. Protein contributed twice to nearly five times the proportion of total calories that it does for Americans. Their high-meat diet contained a high level of cholesterol – similar to or even higher than the level in our diet; … Conversely, they ate much less fat than we do, and the fat they ate was substantially different from ours“ (Eaton & Konner 1985: 288),
Direkt im Anschluss an diese Aussage und am Schluss des zweitletzten Absatzes des Textes stellen Eaton und Konner das, was sie auf den vier vorhergehenden Seiten ihres sechsseitigen Artikels (inklusive einer Seite Literaturangaben) so sorgsam als Faktum darstellen wollten, nämlich einen den hohen Fleischkonsum sowohl bei Sammlern und Jägern der jüngeren Vergangenheit als auch bei Steinzeitmenschen, in einem Nebensatz, in Frage und erklären diesen Aspekt gleichzeitig für ohnehin irrelevant:
„Ob der Lebensunterhalt nun überwiegend durch Fleischverzehr oder Verzehr von pflanzlichen Lebensmitteln bestritten wurde, die paläolithische Ernährung hatte weniger Gesamtfett, mehr essentielle Fettsäuren und ein viel höheres Verhältnis von mehrfach ungesättigten zu gesättigten Fetten als unsere“ (Eaton & Konner 1985: 288; Kursivsetzung d.d.A.).
Im Original:
„Whether subsistence was based predominantly on meat or on vegetable foods, the paleolithic diet had less total fat, more essential fatty acids, and a much higher ratio of polyunsaturated to saturated fat than our does“ (Eaton & Konner 1985: 288; Kursivsetzung d.d.A.).
Die Botschaft des Textes von Eaton und Konner ist letztlich diejenige, dass wir insgesamt weniger Fett essen sollten und darauf achten sollten, uns mehr essentielle Fettsäuren zuzuführen. Es mag sein, dass damit u.a. Milchprodukte angesprochen sind, aber Eaton und Konner plädieren für den Ausschluss von Milchprodukten, wie er bei zeitgenössischen Vertretern der Paläo-Diät häufig empfohlen wird, nicht explizit, ebenso wenig, wie sie explizit den Ausschluss von stärkehaltigen Nahrungsmitteln fordern oder explizit auf hohen Fleischverzehr bestehen.
Und doch fordert Loren Cordain in seinem im Jahr 2002 veröffentlichten Buch „Paleo Diet: Lose Weight and Get Healthy by Eating the Foods You Were Designed to Eat“, das seither als eine Art Bibel der Paläo-Diät gilt, genau das und sieht sich gleichzeitig in direkter Nachkommenschaft von Eaton und Konner. Er sei, so sagte er im Interview mit der Daily Mail vom 16. Juli 2023, als an der Colorado State University beschäftigter Forscher auf den Aufsatz von Eaton und Konner gestoßen und hätte gedacht „Wow, this is a great idea“, d.h. „Wow, das ist eine großartige Idee“. Daraufhin habe er Material über Ernährung in der Steinzeit gesammelt, das eine Menge Ordner gefüllt habe, und habe später mit Stanley Boyd Eaton telefoniert, der sich beeindruckt gezeigt habe. Er habe gesagt „It sounds like you know more about this stuff tha[n] I do“, d.h. „Es hört sich an als wüssten Sie mehr über diese Sache als ich“. Cordain sagt dazu im Interview:
„Es ist eines der größten Komplimente, die ich jemals bekommen habe … Ich war damals ein Niemand“.
Im Original:
„It’s one of the greatest compliments I ever had … I was a nobody in those days“,
Ein Jemand ist Cordain in den folgenden Jahren geworden insofern er mit seinem Buch aus dem Jahr 2002 einen Verkaufsschlager gelandet hat und zu einer Art Papst der Paläo-Diät-Bewegung geworden ist. Und nicht nur das: Er hat es nicht bei diesem Buch belassen, sondern ihm ein Buch über „Paleo Diet for Athletes“, verfasst gemeinsam mit Joel Friel (2005 und in überarbeiteter Version 2012) beigesellt ebenso wie ein Buch mit dem Titel „The Paleo Answer“ (2012), das eine 7-Tage-Paläo-Kur zum Gegenstand hat, ein „Paleo Cookbook“ (Paläo-Kochbuch) (2010), das er gemeinsam mit Nell Stephenson und Lorrie Cordain verfasst hat, dem im Jahr 2015 „Real Paleo Fast & Easy“, ein weiteres Rezeptbuch gefolgt ist.
Außerdem hat der Verkaufsschlager aus dem Jahr 2002 im Jahr 2010 eine Überarbeitung erfahren, die unter dem Titel „The Paleo-Diet Revised“ erschienen ist. Dieses Buch nimmt bei amazon.com (in den USA) am heutigen Tag, also 15 Jahr später, Platz 16 im Verkaufsrang der Bücher zum Thema „Paläo-Diät“ ein, Platz 268 unter den Büchern zum Abnehmen und Platz 449 in der Rubrik „Other Diet Books“, d.h. „Andere Ernährungsbücher“. Hinzu kommen Übersetzungen seiner Bücher in viele andere Sprachen, darunter ins Deutsche und darunter der „Klassiker“, der im Deutschen den Titel „Die Paläo-Ernährung“ trägt.
(Alle Bücher von Cordain können im Zuge einer Recherche z.B. bei amazon schnell gefunden werden und sind mit Ausnahme des ersten, im Jahr 2002 erschienen Buches von Cordain in der untenstehenden Literaturliste nicht aufgeführt.)
Die Vermaktung der Idee von „der“ Paläo-Diät hat sich für Cordain wie für niemanden anderen finanziell gelohnt.
Was genau empfiehlt Cordain zu essen oder nicht zu essen?
Vom Verzehr ausschließen will Cordain Getreide und Getreideprodukte, Hülsenfrüchte, Milchprodukte, raffinierter Zucker und salzige, industriell verarbeitete Nahrungsmittel. Was Fleisch betrifft, so empfiehlt er, auf industriell verarbeitetes Fleisch (wie z.B. Schinken, Salami und Frankfurter Würstchen) so weit wie möglich zu verzichten, u.a. deshalb, weil es voller gesättigter Fettsäuren und Haltbarmachern ist. Statt dessen empfiehlt er den Verzehr von Fleisch von Tieren – Rindern, Hühnern, Schweinen, Lamm und Bison – aus Weidehaltung fast täglich, Fisch und Meeresfrüchte und Eier. Unter den Gemüsesorten will Cordain nur – neben den bereits erwähnten Hülsenfrüchten – Kartoffeln, Cassavas und Maiskörner vom Speiseplan verbannt sehen. Obst kann man nach Cordain so viel essen wie man möchte, es sei denn, man ist übergewichtig; dann sollte man den Obstkonsum aufgrund des in Obst enthaltenen Zuckers beschränken. Das gilt insbesondere für getrocknete Früchte und Dosenobst in Syrup. Nüsse und Samen sind erlaubt. Gemüse und Obst aus biologischem Anbau („organic“) ist nach Cordain nicht des Aufwands und der Kosten wert, weil es sich nicht nennenwert vom konventionell angebautem Gemüse und Obst hinsichtlich seiner Nährstoffe unterscheide; Cordain weist aber darauf hin, biologisches Obst und Gemüse keine oder weniger Rückstände u.a. von Pestiziden enthält. Zum Kochen kann man nach Cordain nicht raffiniertes Kokosöl benutzen sowie natives Olivenöl, Flachssamenöl, Walnussöl, Macademianussöl und Avocado-Öl.
In mancher Hinsicht ist die Paläo-Diät auch in der Variante nach Cordain eine Ernährungsweise, die dem „clean eating“ entspricht, also einer Ernährungsweise, die auf industriell verarbeitete Nahrungsmittel samt künstlicher Zusätze so weit wie möglich verzichtet. In anderer Hinsicht ist sie der Versuch, eine gesunde Ernährungsweise zu propagieren, die positiv definiert ist insofern Cordain Studien anführt, die gesundheitliche Nutzen dessen, was er zu essen empfiehlt, aufzeigen, während der die durchaus vorhandenen gesundheitlichen Nutzen dessen, was er vom Verzehr ausschließen will, wie z.B. von Stärkehaltigem wie z.B. Kartoffeln, die eine wichtige Quelle von Potassium, Magnesium, Vitamin C, Vitamin B6, Folat und Thiamin sind und deren Anthocyane ein höheren antioxidatives Potenzial haben als Vitamin C oder Vitamin E (Gromes & Herrmann 2008; Robertson et al. 2018; Tsang et al. 2018), unterschlägt.
Und schließlich ist die Paläo-Diät in der Variante nach Cordain eng mit dessen Auffassung darüber verbunden, was Menschen in der Steinzeit gegessen hätten, so dass er – diesbezüglich fälschlich – stärkehaltige Gemüsesorten und Hülsenfrüchte vom Verzehr ausschließen will, ebenso wie Milchprodukte, obwohl nachweislich genetische Anpassungen an deren Verzehr und den Verzehr von Stärkehaltigem erfolgt sind, so dass nicht behauptet werden kann, zumindest Menschen, die diese genetischen Anpassungen zeigen, seien nicht genetisch darauf „programmiert“, diese Nahrungsmittel zu verzehren.
Im Bild: Earl Hughes, 485 Kilogramm
Cordains Bücher zur Paläo-Diät sind dementsprechend ein Sammelsurium von Behauptungen, Argumenten und Befunden die in ekklektizistischer Weise das begründen sollen, was Cordain als Paläo-Diät beschreibt. Seine Paläo-Diät ist sozusagen gesetzt und wird argumentativ zu stützen versucht, und sei es (wei bei anderen Autoren und insofern: einmal mehr) unter Rückgriff auf den Fehlschluss der Gleichsetzung mit ethnographischen Beschreibungen der Ernährungsgewohnheiten von zeitgenössischen Sammler-und-Jäger-Gesellschaften mit den Ernährungsgewohnheiten von Steinzeitmenschen (s. hierzu auch Teil 1 dieses Textes). Oft sind diesbezügliche Verweise nicht nur irreführend, sondern einfach unnötig. Um zu erkennen, dass Menschen im Westen zu viel und zu häufig essen, ist es nicht notwendig, die Mahlzeitenhäufigkeit oder den Mahlzeitenumfang z.B. australischer Ureinwohner als Maßstab zu setzen.
Cordains Paläo-Diät ist dementsprechend eben nicht das, was am Ende dabei herauskommt, wenn man alle Erkenntnisse dazu, was Steinzeitmenschen an verschiedenen Orten in verschiedenen Umwelten zu verschiedenen Zeiten in der Steinzeit gegessen haben, zusammenträgt und in Rechnung stellt. Andernfalls würde Cordain schwerlich z.B. empfehlen, Fleisch fast jeden Tag zu essen oder Stärkehaltiges vom Verzehr auszuschließen. Wäre der Ausgangspunkt für eine Ernährungsweise tatsächlich das, was Steinzeitmenschen an verschiedenen Orten in verschiedenen Umwelten zu verschiedenen Zeiten in der Steinzeit gegessen haben, wäre diese Ernährungsweise nicht nur sehr vielfältig und würde so gut wie nichts ausschließen, sondern sie würde auch – und dies ist ein wichtiger Punkt – Hinweise darauf enthalten, was an an dieser Ernährungsweise bzw. an welchen Komponenten dieser Ernährungsweise ungesund war und ist.
So kann der Verzehr von ungenügend gekochtem oder gebratenem Fleisch oder Fisch zu einer Infektion mit Salmonellen führen – genau wie der Verzehr roher Eier, z.B. bei Verwendung in einer Mayonnaise, an ungenügend gekochten Austern kann man sich Vibriosis und Hepatitis A holen, ungenügend gekochtes/gebratenes Rind- oder Schweinefleisch, aber auch Fische wie z.B. Lachs, können dem Esser einen Bandwurm bescheren, Bittermandeln (aber nicht: süße Mandeln) enthalten Blausäre, weshalb sie vor dem Verzehr ebenso wie z.B. Kartoffeln gekocht werden müssen, rohe Milch enthält das Bakterium Listeria, das schwere Sepsis, Meningitis oder Enzephalitis auslösen kann, weshalb rohe Milch vor dem Verzehr unbedingt abgekocht werden sollte, etc. In jedem Fall ist
„die Diversität von menschlichen und zoonotischen Parasiten, die in den archäologischen Aufzeichnungen […] identifiziert wurden, beträchtlich“ (Houldcroft & Underdown 2023: 515).
Im Original:
„[t]he diversity of human and zoonotic parasites identified in the archaeological record […] substantial (Houldcroft & Underdown 2023: 515).
Unter den frühesten Pathogenen, die anhand der Analyse von vorgeschichtlicher DNA festgestellt wurden, sind das Hepathitis B-Virus und das Parvovirus B19, das die in der Schwangerschaft gefährlichen Ringelröteln auslöst. Parovirus B19 war in europäischen und asiatischen Bevölkerungen vor mindestens 7.000 Jahren vorhanden (Mühlemann et al. 2018). Die Paläoanthropologie hat auch eine wachsene Sammlung von Salmonella enterica-Funden zu bieten, und zwar (bis auf Weiteres) aus der Zeit von vor 6.500 Jahren (Key et al. 2020). Auf die Koexistenz mit diesen Viren und Bakterien (und weiteren) sind wir heutige Menschen auch nach Tausenden von Jahren nicht „genetisch programmiert“ (anders als z.B. an die Verdauung von Stärkehaltigem), so dass sie für uns bei entsprechender Ernährungsweise und entsprechenden Zubereitungsweisen im Prinzip dieselben Risiken bedeuten wie für die Menschen in der mittleren Steinzeit: sie können unseren Tod verursachen.
Angesichts der Devise der Paläo-Diät „the wilder the better“ , die die Auswahl von Nahrungsmittel, die von Tieren stammen, anleiten soll, sind diese Risiken nicht zu unterschätzen, so z.B. beim Verzehr von Wildfleisch, zu dem Fleisch von nicht-domestizierten, frei lebenden Tieren oder gefangen gehaltenen Wildtieren gezählt wird (Hedman et al. 2020: S. 3 von 13):
„Trotz der potenziellen ernährungsphysiologischen Vorteile von Wildfleisch ist da immer noch ein öffentliches Gesundheitsrisiko, das mit dem Umgang und Verzehr von Wildfleisch verbunden ist. Lebensmittelbedingte Krankheitserreger könnten Bakterien (z. B. Salmonella spp. …; Escherichia coli …), Protozoen (z. B. Toxoplasma gondii) … oder Parasiten (z. B. Trichinella spiralis) … sein. Ebenfalls können Tiere Umweltschadstoffe beherbergen, die auf natürliche Weise in der Umwelt vorkommen oder durch menschliche Aktivitäten in die Umwelt gelangen. Die Aufnahme dieser Umweltschadstoffe kann zu negativen gesundheitlichen Auswirkungen auf menschliche Populationen führen …“ (Hedman et al. 2020: S. 2 von 13).
Im Original:
„Despite the potential nutritional benefits of game meat, there is still a public health risk associated with the handling and consumption of game meat. Exposures to foodborne pathogens could originate from bacteria (e.g., Salmonella spp. …; Escherichia coli …), protozoa (e.g., Toxoplasma gondii) …, or parasites (e.g., Trichinella spiralis) … . Similarly, animals can harbor environmental contaminants naturally occurring in the environment or introduced into the environment by human activity. Ingestion of these environmental contaminants can lead to adverse health effects on human populations …“ (Hedman et al. 2020: S. 2 von 13).
In den USA führen Verzehr und Verteilung von Wildfleisch regelmäßig zu Erkrankungen (Hedman et al. 2020: S. 5 von 13; für Japan: Kadohira et al. 2019; ein Beispiel aus Süd-Italien: Turiac et al. 2017). Fleisch von in industrieller Tierquälerei gehaltenen Tieren ist seinerseits keineswegs frei von Risiken; so berichtet der PEW Charitable Trusts im Jahr 2016 (auf Seite 1):
„Fleisch und Geflügel gehören zu den führenden Vehikeln für lebensmittelbedingte Krankheiten auf der ganzen Welt und sind verantwortlich dafür, dass mehr als 2 Millionen Amerikaner jedes Jahr krank werden“.
Im Original:
„Meat and poultry are among the leading vehicles for foodborne illnesses around the world and are responsible for sickening more than 2 million Americans each year“.
Und doch ist die vielleicht größte Gefahr, die mit der Paläo-Diät verbunden ist, diejenige einer Unterversorgung mit Kohlehydraten, die nicht nur oft mit einer unzureichenden Aufnahme von Ballaststoffen verbunden ist, die ihrerseits zu Verstopfung führen und die Darmflora schädigt (Barber et al. 2021: S. 7 von 15), sondern außerdem eine Reihe weiterer ernsthafter Folgen für die Gesundheit haben kann, die Barber et al. (2021: S. 9 von 15) in der folgenden Tabelle zusammenstellen (wobei die „Ecological … Concerns“ und die „Financial Implications“ in unserem Zusammenhang keine Rolle spielen):
Besonders die Unterversorgung mit einer Reihe von B-Vitaminen, darunter Folsäure, die für die Regulierung von Homocystein, das wiederum mit der Herzgesundheit zusammenhängt, wichtig sind, mit Vitamin D, Calcium, Magnesium, Selenium und anderen Nährstoffen (s. auch weiter oben) ist bei einer vergleichsweise kohledydrate-armen Ernährungsweise wie der Paläo-Diät wahrscheinlich, in jedem Fall möglich.
Zu einer kohlehydrate-armen Diät zählen Oh et al. (2023) jede Ernährungsweise, bei der die tägliche Aufnahme von Kohlehydraten zwischen 20 und 130g liegt, wobei die Aufnahme von 20 bis 50g Kohlehydraten am Tag Ketosis auslöst und den körperlichen Zustand beim Fasten simuliert. (Damit man sich eine diesbezügliche Vorstellung machen kann: Eine mittelgroße Kartoffel liefert etwa 26 bis 37g Kohlehydrate. Eine große Kartoffel kann über 60g Kohlehydrate liefern.
Quelle
Wenn man ein kurzfristiges Ziel mit ihr verbindet, das gewöhnlich Gewichtsabnahme sein dürfte (s. hierzu Churuangsuk et al. 2020, die u.a. die Motivation einer britischen Stichprobe dafür, eine kohlehydrate-arme Ernährungsweise zu verfolgen, untersucht haben), sie also als eine Art Kur anwendet, mag sie diesen Zweck erfüllen, aber auch dies steht in Frage (s. hierzu Churuangsuk et al. 2020a; Dinu et al. 2020; Landry et al. 2022).
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Author: Dr. habil. Heike Diefenbach
Michael Klein