Immer wieder nehme mir vor, inmitten all der täglichen Absurditäten nicht auf jeden einzelnen Fall des rot-grünen Alltags-Wahnsinns anzuspringen. Nicht jeder Irrsinn verdient einen Artikel. Doch dann kommt eine Geschichte wie diese – und sie schreit geradezu danach, erzählt zu werden. Nicht wegen des Einzelfalls, sondern weil sie ein Paradebeispiel ist für ein Milieu, in dem Moral über Wahrheit steht – und aus Fiktion ganz real politische Erzählung wird.
Ein elfjähriges afghanisches Mädchen, das in Bonn das Abitur macht – das klingt wie ein kleines Wunder. Wie ein Beweis dafür, dass Integration nicht nur gelingt, sondern triumphiert. Viele Nutzer in den sozialen Medien, von Instagram, Linkedin, Tiktok bis hin zu X, greifen die Geschichte begeistert auf und verbreiteten sie: Die Familie gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei aus Afghanistan geflüchtet. Sie stehe für die neue, diverse Zukunft Deutschlands. Die Medien würden ihre Herkunft und ihren migrantischen Hintergrund verschweigen – weil sie diese nur bei negativen Anlässen erwähnen würden. Von Rassismus ist die Rede. Wie so oft.
Der Account „SOS Balkanrote“ schreibt: „Die europäischen Medien schreien den Namen Afghanistan heraus, wenn ein Afghane einen Fehler macht. Aber wenn eine Afghane wie dieses Mädchen mit 11 Jahren das Abitur schafft, erwähnen sie nicht einmal ihr Herkunftsland. Sie schreiben nur: ‚Ein Mädchen hat mit 11 das Abitur gemacht.‘ Die Darstellung ist weiterhin so zu finden, ohne Korrektur.“
Die Empörung war groß: „Das ist einfach unfassbar“, so ein Nutzer-Kommentar unter der Falschnachricht: „Meine Eltern sind selbst aus Afghanistan geflohen und gerade vor diesem Hintergrund berührt es mich zutiefst, so eine unglaubliche Leistung zu sehen, trotz all der spürbar schlechteren Startbedingungen. Gleichzeitig muss ich daran denken, wie viele andere ebenso talentierte und begabte Frauen in Afghanistan niemals auch nur annähernd ihr Potenzial entfalten können, weil sie dort unterdrückt werden wie an kaum einem anderen Ort dieser Welt.“
Eine andere Kommentatorin wendete sich gleich an die Bildungsministerin: „Frau Prien, bitte verlassen Sie ihr Amt und halten sich künftigen mit ihren rücksichtslosen, verwerflichen, respektlosen und herablassenden Empfehlungen eine Obergrenze von Migranten an den Grundschulen, zurück. Das Mädchen ist ein lebhaftes Beispiel von etlichen auf der Welt.“
Dabei fiel den Rosa-Brillen-Trägern offenbar gar nicht auf, dass sie die Geschichte, die vor allem durch einen Tweet eines Berliner Aktivisten mit mehr als 400.000 Followern befeuert wurde. („Ihre Eltern flüchteten aus Afghanistan nach Deutschland. Das erwähnt kein Medium.“), zu schön war, um den Realitätstest zu bestehen. Denn „mit elf Jahren geflüchtet“, und im gleichen Lebensjahr das Abitur gemacht – wie soll das gehen? Aber wenn die Ideologie den Ton angibt, stellt man keine solchen Fragen.
Nun ist es jedoch amtlich: Die Geschichte war erlogen. Die Eltern des Kindes bestätigen dies dem ZDF. Es war nicht das Kind selbst oder seine Familie, die logen. Es waren Internet-Aktivisten – allen voran der besagte aus Berlin. Der es auch bislang nicht nötig fand, sich bei der Familie zu entschuldigen, die er kurzerhand zu Afghanen machte. Die Familie sagte der „heute“-Redaktion, Lina sei in Deutschland geboren, die Familie habe keinen Fluchthintergrund und man bitte „darum, die Privatsphäre der Familie zu respektieren und wolle derzeit keine weiteren Stellungnahmen abgeben“.
Man muss sich das einmal vorstellen: Aktivisten fälschen Herkunft und Identität eines Kindes, um sie ins richtige Licht zu rücken. Um irgendwie ihr Weltbild, das an der Realität gescheitert ist, zu kitten. Und andere von diesem Weltbild zu überzeugen.
Doch die eigentlich beklemmende Frage ist eine andere: Warum hat das funktioniert?
Weil es passen musste. Weil es erwünscht war. Weil man es glauben wollte.
Weil die Geschichte so perfekt in das Opfernarrativ passte, das in diesem Land längst zur Ersatzreligion geworden ist.
Dass die Schülerin sehr wohl Deutsch spricht, dass sie offenbar überdurchschnittlich intelligent ist – all das wurde in der Erzählung untergeordnet. Wichtig war nur die Geschichte von der Flucht. Von Afghanistan. Von Krieg und Unterdrückung.
Die Realität war zu banal. Also wurde sie aufpoliert – im Namen des Guten, versteht sich.
Einzelfall? Schön wär’s. Tatsächlich reiht sich dieser Fall ein in eine lange Liste ähnlich gelagerter Erzählungen: Von angeblichen syrischen Flüchtlingen, die ehrliche Geldbörsen-Finder sind – mit erstaunlich hohen Summen. Von Schutzsuchenden, die alte Damen vor dem Ertrinken retten. Von Helden mit Migrationshintergrund, deren Geschichten bei genauerem Hinsehen oft etwas unscharf werden – oder sich in Luft auflösen.
Oder denken wir an den grünen Lokalpolitiker aus Erkelenz, der rechtsextreme Hetzjagd auf sich selbst erfand – inklusive Drohbriefen, Hakenkreuz-Schmierereien und angeblichen Morddrohungen (siehe hier). Medien, Politiker, NGO-Szene – alle empört, alle betroffen. Bis sich alles als Selbstinszenierung entpuppte.
Es ist das immergleiche Muster: Der noble Fremde. Das migrantische Wunderkind. Der edle Verfolgte. Und wehe dem, der fragt.
Das hätte auffallen können. Hätte. Wenn Menschen noch kritisch nachdenken würden, statt PR-Märchen naiv hinterherzulaufen. Wenn Herkunftsangaben hinterfragt würden. Wenn man dem Drang widerstehen würde, jede schöne Geschichte sofort auszuschlachten – Hauptsache, sie passt ins Weltbild.
Aber genau hier liegt das Problem: Der Wunsch, ein gutes Land zu sein, ist so groß, dass er die Wahrnehmung vernebelt.
Und so stehen wir wieder einmal vor einem Fall, der mehr sagt als jede Statistik. Es geht nicht um eine Schülerin. Es geht um eine Haltung – und ein System, das diese Haltungsblasen als Realität verkauft.
Ein Land, das sich in die eigene Erzählung verliebt hat, verliert irgendwann den Kontakt zur Wirklichkeit. Und wenn das einmal geschieht – ist es oft nicht mehr weit bis zu dem Punkt, an dem nicht nur Geschichten erfunden werden. Sondern ganze Wirklichkeiten. So entstehen Märchenländer – nicht im Kopf von Kindern, sondern in den Tweets von Aktivisten und in den Köpfen von Millionen. Pippi Langstrumpf und ihr Taka-Tuka-Land lassen grüßen. So schön solche Geschichten im Kinderzimmer sind – so gefährlich sind sie in der Realität.
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Bild: Screenshot Youtube
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