Von Kai Rebmann
Die Chronologie der Ereignisse folgt in der deutschen Politik zuweilen sehr sonderbaren Gesetzmäßigkeiten – von „Zufällen“ soll hier ganz bewusst nicht die Rede sein. Ende August 2024 hob ein (!) Abschiebeflug in Richtung Afghanistan ab, just als im Osten wichtige Landtagswahlen vor der Tür standen. Dann passierte monatelang nichts, nur um dann wenige Tage vor der Bundestagswahl den nächsten Flieger gen Hindukusch zu schicken.
So gesehen ist es natürlich nur folgerichtig, dass am Dienstag, also keine 48 Stunden nach Schließung der Wahllokale, ein Flugzeug den umgekehrten Weg angetreten ist, und zwar von Islamabad (Pakistan) nach Berlin – mit 155 Flüchtlingen und sogenannten „Ortskräften“ aus Afghanistan an Bord. Die Verantwortung dafür beziehungsweise das dahinter stehende Aufnahmeprogramm der Bundesregierung trägt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).
Tatsächlich waren mindestens zwei Flüge von Afghanistan nach Deutschland ursprünglich schon für Mitte Februar geplant gewesen, also für kurz vor der Bundestagswahl, wurden dann aber verschoben. Gerade nach der jüngsten Anschlagsserie von Magdeburg über Aschaffenburg bis München wäre eine solche Aktion unmittelbar vor dem Urnengang bei potenziellen Wählern gar nicht gut angekommen – das mussten dann wohl selbst die Grünen einsehen.
CDU gibt sich empört – und muss demnächst selber liefern
Die CDU reagiert mit vorhersehbarer Entrüstung, womit aber wohl bloß das Profil ihrer im Wahlkampf ausgerufenen Migrationswende geschärft werden soll. Einen Koalitionsvertrag ohne Zurückweisungen an den Grenzen werde man nicht unterschreiben und im Zweifel „eben nicht regieren“, trompetete CDU-General Carsten Linnemann. Diese Aussage hat der designierte Kanzler Friedrich Merz freilich schon wieder einkassiert, indem er auf eben dieses Zitat angesprochen nur ausweichend geantwortet hat – man müsse die Gespräche (wohl mit der SPD) abwarten, dann werde man sehen und so weiter und so fort.
Vor diesem Hintergrund ist es einzuordnen, wenn etwa Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, via „Bild“ offene Widersprüche im Auswärtigen Amt anprangert: „Auf der einen Seite sind NGOs in der Lage, Afghanen über das freiwillige Aufnahmeprogramm nach Deutschland zu bringen, und auf der anderen Seite soll es nicht möglich sein, straffällig gewordene Afghanen in ihre Heimat zurückzubringen.“
Doch, natürlich ist das möglich, aber eben nur zu Wahlkampfzeiten. Sachsens Innenminister Armin Schuster wirft der noch amtierenden Bundesregierung und dem Auswärtigen Amt nicht weniger vor, als die Bürger für dumm zu verkaufen: „Wir Länder haben ein ums andere Mal den sofortigen Stopp der Aufnahmeprogramme gefordert. Offensichtlich funktionieren die diplomatischen Beziehungen nach Afghanistan, aber leider nur in eine Richtung.“ Der CDU-Mann spielt damit auf das Mantra unserer Politiker an, wonach man mit den Taliban grundsätzlich nicht rede, um diesen dadurch nicht ungewollt eine wie auch immer geartete Legitimation zu verleihen.
Afghanen nehmen Abkürzung über Tadschikistan
Aber es kommt noch dicker: Das jetzt wieder inflationäre Einfliegen von Afghanen – schon Anfang März soll der nächste Flug starten – ist allem Anschein nach nur die Spitze des Eisbergs. Im Hintergrund rollt bereits die nächste Flüchtlingswelle aus Afghanistan nach Deutschland zu, ohne dass irgendjemand sagen könnte, wer da zu uns kommt. Und das „Beste“ daran: Das Auswärtige Amt wurde wiederholt auf diese Gefahr hingewiesen – schlägt aber mit fadenscheinigen Argumenten alle Warnungen in den Wind.
Bisher wurde Islamabad beziehungsweise die dort ansässige Auslandsvertretung der Bundesrepublik von Afghanen als Flucht-Drehkreuz nach Deutschland genutzt. Die Botschaft ist inzwischen aber dermaßen überlastet, dass die Bearbeitung von Asylanträgen mindestens ein Jahr dauert.
Der einfache Trick: Afghanen suchen die Auslandsvertretung im benachbarten Tadschikistan auf und stellen ihre Anträge dort. Das ist möglich, wenn sie ihren „gewöhnlichen Aufenthalt“ mindestens sechs Monate in Tadschikistan haben. Dazu reicht es aus, wenn die Afghanen auf der Botschaft die entsprechende Angabe machen, überprüfen kann das vor Ort niemand.
Baerbock schlägt alle Warnungen in den Wind
Der „Business Insider“ zitiert aus einem Schreiben, das die in Tadschikistans Hauptstadt Duschanbe ansässige Deutsche Botschaft am 13. Februar 2025 an das Auswärtige Amt in Berlin übermittelt hat: „Seit Mitte Oktober 2024 ist signifikant eine steigende Anzahl von Anfragen von AFG StA [afghanischen Staatsangehörigen] mit der Bitte um Übernahme des Visumverfahrens eingegangen.“
Man hege den Verdacht, dass die Afghanen „nur noch die 6-monatige Wartezeit“ im Land „absitzen, um aufgrund ihres dann gewöhnlichen Aufenthalts in TJK [Tadschikistan] die Zuständigkeit der AV [Auslandsvertretung in Duschanbe] herbeizuführen“. Ob die Antragsteller während dieser Zeit aber tatsächlich in Tadschikistan leben oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt weiter in Afghanistan haben, könne „nicht geprüft werden“. In jedem Fall sei damit zu rechnen, dass die Antragszahlen „weiterhin, gar exponentiell“ ansteigen würden.
Ausdrücklich weist die Botschaft die Baerbock-Behörde auch darauf hin, dass unter anderem aufgrund von Personalmangel und fehlender Sprachkenntnisse (Farsi und Paschtu) afghanische Dokumente nicht auf ihre Echtheit geprüft werden könnten sowie „das erforderliche Hintergrundwissen zu bekannten Talibanmitgliedern oder anderen Mitgliedern terroristischer Vereinigungen“ fehle. Mit anderen Worten: Die Mitarbeiter vor Ort sehen sich außer Stande die notwendige Sicherheitsüberprüfung vorzunehmen.
Die Auslandsvertretung in Duschanbe sprach deshalb – und um dem offenbar befürchteten Missbrauch vorzubeugen – die dringende Empfehlung aus, dass grundsätzlich keine Anträge von Afghanen angenommen werden sollten, auch wenn diese ihren „gewöhnlichen Aufenthalt“ tatsächlich in Tadschikistan hätten.
Das Auswärtige Amt reagiert, wie schon in anderen Fällen, auch auf diese eindringliche Warnung mit reiner Paragrafenreiterei: „Grundsätzlich kann ein Visum an der Auslandsvertretung beantragt werden, in dessen Amtsbezirk der gewöhnliche Aufenthalt liegt, unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Ein Nachweis des gewöhnlichen Aufenthalts muss bei der Beantragung vorgelegt werden.“
Wie (fast) jeder Afghane zur ‚Ortskraft‘ wird
Wer diese Antwort liest und die jetzt offenbar wieder aufgenommenen Zubringer-Flüge nach Deutschland betrachtet, muss fast schon zwangsläufig zu der Überzeugung gelangen, dass die Grünen und Annalena Baerbock auch weiterhin, zumindest solange sie es politisch noch können, so viele Afghanen wie möglich nach Deutschland bringen – sei es über das Bundesaufnahmeprogramm, den Deckmantel der „Ortskräfte“, den Familiennachzug oder über die rührigen NGOs.
Apropos: Anfang Februar geriet auch Schwerin in die bundesweiten Schlagzeilen, nachdem ein Afghane im Schlosspark-Center einen 17-jährigen Landsmann erstochen hat. Der Tatverdächtige war als sogenannte „Ortskraft“ nach Deutschland gekommen, wobei dieses Beispiel zeigt, wie großzügig dieser Begriff ausgelegt wird: Es war nicht der Messerstecher selbst, der in Afghanistan gearbeitet hat, sondern dessen Vater – und auch der stand nicht direkt in Diensten der Bundesrepublik Deutschland, sondern hat für „World Vision“ gearbeitet, eine vom Entwicklungsministerium mit deutschem Steuergeld unterstützte NGO.
Nur ein geringer Teil der am Dienstag in Berlin gelandeten 155 Afghanen sind im weitesten Sinne „Ortskräfte“. Wer schließlich einen der begehrten Plätze erhält, entscheidet in den meisten Fällen übrigens auch nicht das Auswärtige Amt selbst, sondern namentlich von der Bundesregierung nicht näher genannte NGOs, die in Afghanistan tätig sind. Auch diese Geheimniskrämerei liefert deutlich mehr Fragen als Antworten.
Und nur so ist dann auch zu erklären, dass seit Beginn des Aufnahmeprogramms bis heute knapp 50.000 (!) „Ortskräfte“ registriert wurden und rund 35.000 davon bereits von Afghanistan nach Deutschland gebracht wurden.
PS: Am Mittwoch wurde bekannt, dass sich lediglich 5 (!) „Ortskräfte“ an Bord des Afghanistan-Fliegers befanden. Direkt nach der Landung stellte die Bundespolizei gegen drei Passagiere Strafanzeige, da sie mit sogenannten Proxy-Pässen einreisen wollten. Diese Ersatzpapiere werden auch von den Taliban ausgestellt und werden international nicht anerkannt. Auch auf diese Praxis hat die Deutsche Botschaft in Duschanbe in ihrem Schreiben an das Auswärtige Amt ausdrücklich hingewiesen.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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