Zombie-Nation an einem kalten und sonnigen Donnerstag im März. 60 überwiegend ältere Deutsche bilden heute ein kümmerliches Gegengewicht. Wasserwerfer sind hier so nötig wie eine Gabel beim Suppe fassen. Vor dem Reichstag ist versammelt, was dieses zutiefst verunsicherte Deutschland noch aufzubieten hat, wenn es darum geht, gegen die Aufnahme von einer Billion Euro Schulden zu demonstrieren.
Tausend Milliarden Euro, die sich zusammensetzen aus hunderten Milliarden für die Fortsetzung des Ukrainekriegs. Und drumherum als lackierte Tarnverpackung noch mehr Milliarden, welche den Deutschen ihr Ableben noch etwas versüßen sollen. Der Delinquent Deutschland trägt schon die Augenbinde.
Der erste Redner der Sondersitzung des alten Bundestages ist der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil. Er jammert den verflossenen Genossen hinterher, die abgewählt wurden, aber heute nochmal erscheinen durften, dem neugewählten Parlament und der kommenden Regierung eine erdrückende Schuldenlast zu hinterlassen.
Friedrich Merz sieht man an, dass er weiß, was er angerichtet hat. Alle anderen im Plenum wissen es natürlich auch. Die Deutschen da draußen wissen es. Und nur Merz selbst scheint noch daran zu glauben, dass ein paar Jahre Amtszeit alle Wunden heilen könnten. Das einzige, was Merz jetzt noch trösten kann, ist die Gewissheit, dass dieses Deutschland in Leichenstarre keine Schmerzen mehr spürt.
Wenn überhaupt etwas hängenbleibt von dieser Rede, dann ist es die fast flehende Bitte von Merz an die Grünen, die Geschenke doch bitte anzunehmen. Der Rest versinkt in der großen Gleichgültigkeit, die alles umfängt, so wie es einem dementen Greis im Altenheim vollkommen gleich ist, ob es Soße zum Fleisch gibt oder Himbeermarmelade. Oder warum die Himbeermarmelade immer so komisch nach Soße schmeckt.
Merz hat nicht einmal mehr Bock, seine Münchhausengeschichten noch überzeugend klingen zu lassen. Eine russische Bedrohung, welche den Ausverkauf deutscher Interessen an die Ukraine rechtfertigen soll, sind beim CDU-Chef „Drohnenüberflüge über unseren Kasernen“. Sie sollen belegen, dass der Russe schon angekommen ist. Da lässt der Vater mit dem Sohn am Sonntag die Drohne für 19,90 von Amazon fliegen und Merz greift dankbar zu.
Und dann sagt es Merz doch noch konkret und bindet die grünen Genossen gleich mit ein: Gemeinsam habe man jetzt definiert, was Landesverteidigung bedeute, nämlich die Ukraine aufzurüsten. Aufgesagt wie nebenbei, betonungslos, kaum bemerkt, erst beim Zurückspulen in seiner ganzen Tragweite erkennbar.
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Während Rheinmetall schon auf leergeräumte Volkswagen Elektro-Produktionshallen schielt, die niemand mehr braucht, bietet Merz den Grünen weitere Milliarden für Umweltpolitik an. Gleichzeitig schwärmt der designierte Kanzler davon, dass überall, wo er mit dem Ausland spräche, die Menschen begeistert seien von „Germany is back“.
Die Welt freut sich, dass wieder die dummen Deutschen die Zahlmeister sein wollen. Die Geschäfte in der Ukraine muss man ihnen dann aber nicht auch noch überlassen, oder?
Die Grünen lassen noch einmal ihren ganzen Frust heraus, dass sie es nicht in die Regierung geschafft haben. Aber man weiß jetzt schon, dass sie am Ende für die Billion stimmen. Sie haben es Selenskyj einfach einmal zu oft versprochen. Sie sind die Garanten einer Fortdauer des Krieges.
Alles verschwimmt im Nebel des Vergessens an diesem Donnerstag. Es klart nur da etwas auf, wo erkennbar wird, dass hier niemand mehr um zukünftige Diäten kämpfen muss. Der Drops ist gelutscht, die Kohle für die kommenden vier Jahre verteilt. Oder eben bis zu den nächsten Neuwahlen. Tiefenschlaf zum Requiem.
Ja, Alice Weidel hat auch geredet. Es war eine staatsmännische, eine gute, eine wirtschaftspolitisch sogar anspruchsvolle Grabrede der AfD-Chefin. Aber bei aller Akkuratesse war es eine ebenso leblose Rede wie die ihrer Vorredner.
Es war vor allem keine Überraschung, nicht die große Friedensrede, die es hätte sein können. Diesen Coup hat Alice Weidel einfach liegengelassen. Genauso routiniert liegengelassen, wie sie inzwischen ihren Vortrag immer weiter professionalisiert hat. Bald sehnt man sich nach den Ecken und Kanten früherer Jahre zurück.
Deutschland hat sich heute als Opferlamm dargeboten. Und niemand im Parlament war noch einmal bereit dazu, wenigstens für die Geschichtsbücher von der einstigen Größe dieses Landes zu berichten, nachzuspüren, was man endgültig verloren zu geben bereit ist.
Wo war die Jugend heute? Sie verwalten ihr individuelles Leben. Nur noch roboterhaft minimalistisch, damit ihr die Boomer-Generation nicht wieder hineinwurschtelt mit dem ganzen verlogenen Mist der letzten Jahrzehnte. Selten wurde eine Generation kollektiv so von der Elterngeneration misshandelt. Sie hat jeden Widerstand aufgegeben.
Erst der Abgang des letzten ambitionierten Boomers wird diese betrogene Generation befreien. Bis dahin harren sie aus. Vielleiht ist das ja ihre Stärke. Sie haben Geduld. Sie wollen die Welt nicht mehr um jeden Preis verändern. Sie können überall Deutsche sein. Sie müssen es nicht mehr in Deutschland sein.
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Author:
Alexander Wallasch