Demokratie ist doch einfach, oder? Die Mehrheit entscheidet. Wenn also 51 Bürger in der Gemeindehalle für warme Milch stimmen und 49 für ein kühles Pils, dann hat die Mehrheit gewonnen. Egal, ob’s schmeckt oder nicht. So läuft’s. Doch es gibt eine Ausnahme, und die ist interessant.
Gastbeitrag von Meinrad Müller
Doch unsere Demokratie wäre nicht so stabil, wenn sie nicht auch „Sand im Getriebe“ eingebaut hätte. Ein cleverer Mechanismus, der verhindert, dass knappe Mehrheiten die Minderheit einfach überrollen: die Sperrminorität.
Was ist das genau?
Bei ganz besonderen Entscheidungen – wie Verfassungsänderungen oder der Wahl von Verfassungsrichtern – reicht es nicht, einfach die Hälfte plus eine Stimme zu gewinnen. Hier braucht man eine Zweidrittelmehrheit. Das heißt, von 100 Stimmen müssen mindestens 67 dafür sein.
Das bedeutet aber auch: Wenn 34 Bürger dagegen sind, können sie das Vorhaben blockieren. Denn sie haben mehr als ein Drittel der Stimmen und bilden damit eine Sperrminorität. Sie sperren somit das Vorhaben.
Warum ist das wichtig?
Die Sperrminorität schützt die Minderheit. Sie sorgt dafür, dass Entscheidungen nicht einfach durchgewinkt werden, ohne die andere Seite zu hören. Denn Demokratie ist nicht nur das Recht der Mehrheit, sondern auch der Schutz der Minderheit.
Ein Beispiel aus der Praxis
Im Thüringer Landtag hält die AfD inzwischen über ein Drittel der Sitze – eine Sperrminorität. Das heißt, wenn dort eine Zweidrittelmehrheit nötig ist, müssen die anderen Parteien entweder mit ihr verhandeln oder das Vorhaben aufgeben.
Das gleiche Prinzip gilt im Bundestag: Verfassungsänderungen, Richterwahlen oder die Schuldenbremse – alles Dinge, die ohne Zweidrittelmehrheit nicht machbar sind. Die Sperrminorität zwingt hier zu Kompromissen. Das ist der Kern einer funktionierenden Demokratie.
Kein Zufall, sondern Absicht
Die Väter unserer Verfassung hatten genau das im Blick. Sie wollten sicherstellen, dass nicht die knappe Mehrheit alles bestimmt. So bleibt die Demokratie in Balance.
Zur Quelle wechseln
Author: Gast Autor
Journalistenwatch