Zu dem Ergebnis kommt eine Musterrechnung des Preisvergleichsportals Verivox, über die die Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Sonntagausgaben) berichten. Demnach wäre es insgesamt vorteilhafter gewesen, regelmäßig seinen Energieanbieter zu wechseln und den Neukundenbonus mitzunehmen, als Strom in einem dynamischen Tarif zu beziehen. Dynamische Stromtarife sollen es ermöglichen, Strom dann zu nutzen, wenn der Preis pro Kilowattstunde (kWh) günstig ist. Ab dem kommenden Jahr sind Energieversorger grundsätzlich dazu verpflichtet, Kunden einen solchen Tarif anbieten zu können.
Bislang üblich sind Festpreistarife. Bei den neuen flexiblen Tarifen hingegen, verändert sich der kWh-Preis und ist zum Beispiel dann niedriger, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint und dann Solar- oder Windkraftanlagen besonders viel Strom produzieren. Für die Musterrechnung wurde Verivox zufolge der günstigste Neukundentarif (mit und ohne Neukundenboni) mit einjähriger Laufzeit mit einem simulierten Verbrauch zu aktuellen Börsenstrompreisen verglichen. Für den Vergleich mit dem flexiblen Tarif wurde dabei angenommen, dass es dem Haushalt regelmäßig gelingt, 10 bis 50 Prozent des Gesamtverbrauchs in die jeweils günstigste Stunde eines Tages zu verschieben. Das Ergebnis fiel zumindest mit Blick auf erwartete Einsparungen durch flexible Tarife ernüchternd aus: Laut Verivox zahlten Verbraucher in einem Neukundentarif in den letzten fünf Jahren durchschnittlich 30,24 Cent/kWh (mit Bonus), beziehungsweise 33 Cent/kWh (ohne Bonus). Gelang es einem Haushalt zehn Prozent des Stromverbrauchs in die günstigste Stunde zu legen, kostete eine Kilowattstunde: 34,64 Cent, bei 25 Prozent waren es: 33,94 Cent, bei 50 Prozent: 32,76 Cent/kWh. „Die Frage ist immer, wie viel des eigenen Stromverbrauchs sich in Zeiten verschieben lässt, in denen der Preis günstig ist“, sagte Verivox-Chef Daniel Puschmann den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Das geht beim dauerhaft laufenden Kühlschrank nicht, aber zum Beispiel bei einer Wärmepumpe, die man zeitweise runterfahren kann. Und auch bei einem E-Auto, das sich über Nacht laden lässt, können dynamische Stromtarife sinnvoll sein. Wirklich rechnen, tun sie sich aktuell für die meisten Verbraucher aber nicht“, so Puschmann. Ändern könne sich das erst, wenn immer mehr Menschen E-Autos und Wärmepumpen nutzen, immer mehr günstige Erneuerbare ins Netz fließen und die Preisschwankungen zunehmen und der Stromverbrauch dann intelligent gesteuert wird, so Puschmann weiter. Aber: Dem Vergleichsportal zufolge hat es in den zurückliegenden Jahren auch Marktphasen mit stark sinkenden Börsenstrompreisen gegeben, in denen die dynamischen Stromtarife grundsätzlich günstiger gewesen wären als die statischen Neukundentarife. Ein Beispiel dafür ist laut Verivox das Ende der Energiekrise, als sich die Börsenpreise vom Energiepreisschock erholt haben. Und auch für Kunden, die in der sogenannten Grundversorgung hängen, hätte sich ein Wechsel gelohnt. In einem solchen Basistarif lag der Preis, so das Portal, in den letzten fünf Jahren bei durchschnittlich 37,35 Cent die Kilowattstunde. „Das heißt, für solche Kunden lohnen sich sowohl der Wechsel in einen dynamischen Tarif als auch in einen überregional günstigen Neukundentarif“, schreibt Verivox in der Analyse. Energieversorger sind ab dem Jahr 2025 grundsätzlich per Gesetz dazu verpflichtet, einen solchen dynamischen Stromtarif anzubieten. Ziel ist es, die Strompreisschwankungen an den Beschaffungsbörsen direkt an den Stromkunden weiterzugeben – und Haushalten so Anreize zu bieten, ihre Verbräuche in Zeiten zu legen, in denen viel Strom verfügbar ist. Als Hauptgrund, warum sich dynamische Tarife oft nicht lohnen, hat Verivox die „sehr hohen“ Fixkosten auf Strom identifiziert. Allein für die Netznutzungsentgelte werden, so das Portal, durchschnittlich 10,8 Cent/kWh fällig. Dazu kommen noch verschiedene Umlagen, Abgaben und staatliche Steuern. Unterm Strich liegen die Fixkosten inklusive Grundgebühr und Margenaufschlag der Anbieter (Annahme 2 Cent je kWh) bei 19,6 Cent/kWh netto (rund 23 Cent brutto). „Diese Kosten fallen auch dann an, wenn die Beschaffungskosten bei 0 Cent/kWh liegen würden. Ändern ließe sich das nur, wenn man auch die Fixkosten flexibler gestalten könnte“, sagte Verivox-Chef Puschmann. Laut Verivox-Stichprobe haben in den 50 größten Städte in Deutschland, aktuell die meisten Grundversorger (44) schon einen solchen Tarif im Angebot. Verbrauchern macht man es allerdings wenig einfach, einen solchen Vertrag abzuschließen: Kunden finden die Tarife teilweise nur über Google oder müssen einen Beratungstermin vereinbaren, heißt es von dem Portal. Technisch gesehen besteht auch auf Verbraucherseite eine Hürde: Ihren alten Drehstromzähler müssen potenzielle Kunden zunächst gegen einen intelligenten Stromzähler – ein Smart Meter – austauschen. Das führe laut Verivox auch zu zusätzlichen Kosten. Bis jetzt sind deutschlandweit Schätzungen des Vergleichsportals zufolge zwischen 500.000 und einer Million dieser Geräte verbaut. Aktuell hätten dynamische Stromtarife darüber hinaus das Potenzial zur Kostenfalle. In Deutschland stiegen in dieser Woche Strompreise enorm an. Der Grund: Dunkelflaute. Weil wenig Strom aus Wind und Sonne im Netz waren, mussten Kohle- und Gastkraftwerke aushelfen und Strom importiert werden. Höhere Preise schlagen dann auch unmittelbar auf die Tarifkosten durch, warnte Verivox-Chef Puschmann. „Derzeit sind Verbraucher also besser in einem Laufzeittarif aufgehoben. Denn hier fängt der Stromversorger dieses Kostenrisiko ab, in dem er den Strom nicht nur kurzfristig, sondern langfristig an den Börsen einkauft“. Die Verbraucherzentrale fordert, dass Stromanbieter dynamische Tarife anbieten, die eine Absicherung gegen exorbitante Preissteigerungen enthalten. Das würde dem neuen Angebot wohl auch aus den Kinderschuhen helfen: Eine Umfrage im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands hatte zuletzt ergeben, dass für 72 Prozent der befragten Haushalte eine zusätzliche Preisabsicherung einen dynamischen Tarif attraktiver machen würde.
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Author: [email protected]