Von Heiko Hempel
Sie selbst suchen ja auch lieber die große Bühne, gegen gute Bezahlung von uns, dem GEZ Zahlvieh, den moralischen Zeigefinger im Buntfernsehen, die Selbstinszenierung als Haltungsjournalistin. Ein Begriff, den Sie sich stolz wie eine Medaille umhängen, als wäre Propaganda plötzlich ein Ausweis von Anstand, dabei ist es nichts anderes als die Neuauflage von Karl-Eduard von Schnitzlers „Schwarzem Kanal“, den ich als Kind ertragen musste.
Und glauben Sie mir, Frau Hayali, schon damals war die Nummer verlogen, durchschaubar und abstoßend, und jetzt servieren Sie dieselbe Brühe mit modernem Etikett, bunt bemalt, aber genauso faul und stinklangweilig. Ihre Reportage mit Messer-Uwe war die reinste Witzveranstaltung, ein groteskes Zerrbild der Realität, Täter verharmlost, Opfer relativiert, Hauptsache die Erzählung passt ins Märchenbuch vom guten Staat und den bösen Kritikern.
Doch das Bevölkernde da draußen ist nicht so blöd, wie Sie glauben. Die Leute sehen, was wirklich passiert, nur Sie wollen es nicht zeigen, weil es nicht in Ihr selbstgebasteltes Drehbuch passt. Wenn Sie wirklich Haltung hätten, dann würden Sie sich ohne Bodyguards und Polizei in eine S-Bahn setzen, nachts am Hauptbahnhof rumlaufen, ganz allein. Möglichst bitte in Hotpants, wenn Sie mutig sind, aber wenigstens mit stichfestem Joghurt. Und dann berichten Sie doch mal, wie sich Realität anfühlt, ohne Filter, ohne Einordnung, ohne die Dauer-Infantilisierung des Publikums.
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Oder neulich mit diesem armen Jungen, Käpt’n Kirk oder so ähnlich. Ehrlich gesagt kannte ich den nicht, aber wenn einer stirbt, dann halte ich einfach mal die Fräse, alter Handwerkerspruch. Doch Sie müssen natürlich die Moralpredigt draufsatteln, als wären Sie die Oberlehrerin der Nation, dabei braucht niemand Ihre Einordnung, die Menschen da draußen sind nicht dumm, sie sind wütend, sie sind müde von Dauerbelehrung, müde von diesem GigaGagaFantasyLand-Journalismus, angewidert von Ihrer Arroganz. Morddrohungen sind Scheiße, ja, da stimme ich Ihnen sogar mal zu.
Aber reine Kritik ist keine Morddrohung, Kritik ist das, was Sie wegwischen, diffamieren, delegitimieren, weil es leichter ist, alles in die rechte Ecke zu schieben, als sich ehrlich zu fragen, warum so viele Menschen die Schnauze gestrichen voll haben. Wenn Sie wirklich Journalismus machen wollten, würden Sie mal eine Reportage über Familien drehen, die mit zwei Gehältern kaum noch die Miete zahlen können, die sich keinen Urlaub mehr leisten, nicht mal ein Eis für die Kinder, Sie würden über Krankenkassen berichten, die kollabieren, über Sozialkassen, die leergefressen sind, über Messerattacken, die längst Alltag sind und die dieses Land als einziges auf der Welt in einer Online-Karte dokumentieren muss, https://messerinzidenz.de, weil es so viele gibt, dass keiner mehr den Überblick hat, doch stattdessen schmeißen Sie uns Betroffenheitsgeschichten und Empörungsdramen vor die Füße, als wären wir Kleinkinder, die nicht selbst sehen können, was um sie herum passiert.
Sie wollen Haltung zeigen? Dann zeigen Sie Haltung, indem Sie Wahrheit zeigen, nicht Märchen, indem Sie Realität abbilden, nicht Propaganda, indem Sie den Menschen zuhören, nicht den Parteisprechzetteln, dann wären Sie vielleicht plötzlich sogar beliebt, aber wahrscheinlich wollen Sie gar nicht beliebt sein, wahrscheinlich wollen Sie nur weiter Applaus von der Blase, die Ihnen bestätigt, dass die Welt so ist, wie Sie sie sich wünschen. In Wahrheit aber ist die Welt eine andere, und je länger Sie so tun, als wäre alles nur ein großes Betroffenheitsdrama aus GiGiGagaFantasyLand, desto lauter wird die Ablehnung werden, nicht weil die Menschen rechts sind, sondern weil sie es satt haben, verarscht zu werden. Nun betanke ich mich. Unherzlichst, Ihr HH
Diesen offenen Brief vom 22.9.2025 haben wir auf dem Facebook-Account von Heiko Hempel (im Titelbild/Mitte), einem Dresdener Autoren, gefunden.
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Author:
Alexander Wallasch