Steigen Sie noch durch, was eigentlich gerade passiert in Sachen Migration, Grenzkontrolle usw.?
Das, was da alles in der Öffentlichkeit debattiert und hin- und hergeschoben wird, interessiert mich herzlich wenig. Für mich ist wichtig: Dobrindt hat die mündliche Weisung von vor zehn Jahren aufgehoben und klar gesagt, dass § 18 Absatz 2 Asylgesetz angewendet wird. Was da jetzt diskutiert wird, ob das mit einer Notlage ausgerufen werden muss oder ob die normalen Kontrollen reichen – wovon ich ausgehe –, das soll mir wirklich relativ wurscht sein, und das wird auch keinen Einfluss auf die Taktik der Bundespolizei an den Grenzen nehmen.
Warum hat das zehn Jahre gedauert? Was war daran so schwierig? Das wirkte doch jetzt alles sehr einfach.
Das müssen Sie auf jeden Fall mal die Protagonisten in der Ära Merkel fragen. Und vor allem die Vertreter aus drei Jahren Ampel. Warum das nicht korrigiert wurde.
Die Ampel hatte von Frau Merkel übernommen. Ich kann mich gut erinnern, dass Horst Seehofer als Ministerpräsident von Bayern lauter war als später als Innenminister. Da drehte sich irgendwas. Sie haben das ja alles schon in Funktion miterlebt. Erinnern Sie sich noch, was da los war?
Ich kann Ihnen erklären, woher diese mündliche Weisung kommt. Und sie war gar nicht so schwer nachvollziehbar. Was übrigens nicht heißt, dass ich das gutheiße. Die Weisung kam aus dem Jahr 2015, als Hunderttausende von österreichischer Seite aus nach Deutschland wollten.
Damals stand die Bundespolizei vor dem Scheideweg, entweder die Wasserwerfer aufzufahren und die illegalen Einreisen aus Österreich zu verhindern oder aber irgendwie mit der Situation umzugehen.
Nun war ja damals unsere Kanzlerin diejenige, die gesagt hatte: „Wir schaffen das.“ Und sie hat gesagt: Abweichend von § 18 Absatz 2 entscheide ich politisch aus humanitären Gründen, dass die Menschen reingelassen werden und hier Asylantrag stellen können. Das ist nach § 18 Absatz 4 Asylgesetz passiert. Man ist seither der irrigen Auffassung gewesen, dass dieses Kanzlerwort – übertragen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière an die Bundespolizei – nach wie vor Gültigkeit hat. Das hat der neue Minister Dobrindt jetzt erst korrigiert.
Die Ampel wollte die Illegalität nicht aufheben indem man den illegalen Zuzug begrenzt, stoppt und umkehrt, sondern indem man illegale Einreisen legalisiert durch Aufenthalt auf Probe, immer neue Aufenthaltstitel und vereinfachte Einbürgerungen. Bei Merkel hieß es ursprünglich, sie wolle jene einlassen, die sich an der Grenze aufgestaut hatten, um anschließend zu den Balkanstaaten hin dichtzumachen. Aber das hat ja offensichtlich nicht funktioniert.
Das hat nicht funktioniert. Merkel hat zwar die Grenzkontrollen angeordnet, aber das war ihr eigentlich schon zuwider aus europäischer Sicht. Und deshalb hat sie gesagt: Okay, ich ordne zwar die Grenzkontrollen an, aber kommt mir bitte nicht auf die Idee, jemanden, der einen Asylantrag stellt, an dieser Grenze zurückzuweisen. Ich wollte keinen Stress.
Jetzt hatten Sie zuletzt im Interview geäußert, wir brauchen dreitausend Mitarbeiter. Das müssten keine ausgebildeten Polizisten sein, sondern erst mal Mitarbeiter im verwaltenden Bereich. Haben Sie denn jetzt den Eindruck, dass Sie die Aufgaben, die auf die Bundespolizei zukommen, mit dem aktuellen Personalstand bewältigen können?
Vorsichtig formuliert: Kurzfristig aus Einsatzanlass, ja. Aber auf gar keinen Fall dauerhaft. Das habe ich Minister Dobrindt aber auch schon mitgeteilt und habe noch mal diese 3000 zusätzlichen Tarifbeschäftigten gefordert. Und da kann sich die Bundesregierung jetzt bei der Haushaltsaufstellung für die Jahre 2025 und 2026 beweisen, ob die Bundespolizei genügend Finanzmittel bekommt, um dementsprechend Personal zu rekrutieren oder eben nicht. Und daran werde ich die Regierung auch bretthart messen.
Weiterlesen nach der Werbung >>>
Es hat zehn Jahre gedauert, um das aufzuheben. Aber offensichtlich dauert es länger als zehn Jahre, um endlich mal einen Strich unter die Frage zu machen: Kann man die Grenzen schützen oder nicht? Das wird aktuell erneut diskutiert. Sie haben ja in der Vergangenheit immer klar gesagt, es geht.
Wir reden jetzt nur von Zurückweisungen. Zurückweisung bedeutet, ich weise einen illegalen Migranten ab, bevor er Deutschland betritt, also an der Grenzlinie. Deshalb erspart sich eigentlich auch die Debatte darüber, ob unsere Anrainer die aufnehmen oder nicht, denn die befinden sich noch bei unseren Anrainern.
Die zweite Variante ist die Rückschiebung. Rückschiebung passiert dann, wenn wir jemanden im 30-Kilometer-Bereich im Inland feststellen, der schon eingereist ist. Dann müssen wir diese Person unseren Anrainern anbieten und sagen: Teilt bitte mit, an welchem Ort und zu welcher Zeit wir euch die Person wieder zurücküberstellen können. Da machen die Anrainer im Moment noch Späne.
Und die dritte Variante ist das Dublin-Verfahren. Das wäre der Fall, wenn wir im Inland jemanden aufgreifen, der registriert ist in Italien beispielsweise, also nicht direkt Anrainer ist, dann greift das Dublin-Verfahren. Das sind so die drei Varianten, die grenzpolizeilich am interessantesten sind. Das steht alles im Gesetz. Das muss man nur anwenden.
Allerdings bei der zweiten und dritten Variante, die ich gerade beschrieben habe, spielen natürlich die Anrainer eine Rolle mit, weil, wenn Österreich sich weigert und sagt, wir nehmen euch die nicht ab, dann bleiben die tatsächlich erst mal in Deutschland. Das ist so aktuell.
Minister Dobrindt sagt, wir kontrollieren direkt an der Grenze. Dann kam von Kanzler Merz schon wieder der Hinweis, dass wir das erst mit den europäischen Nachbarn absprechen müssen. Haben Sie da gezuckt, oder ist das für Sie der normale Vorgang?
Das ist der normale Vorgang. Merz hat auch nicht gesagt „absprechen“. Merz hat gesagt „abstimmen“. Das ist der gute Umgang miteinander. Allerdings – wenn sich bei der Zurückweisung die Anrainer trotz Gesprächsversuch querstellen, dann können wir auch zurückweisen ohne Einverständnis, weil die Personen ja noch nicht eingereist sind.
Eigentlich müsste doch Österreich nur an seinen Grenzen zu den osteuropäischen Staaten niemanden mehr reinlassen. Dann hätten wir doch hier auch nicht das Problem. Das heißt, zuerst muss doch Österreich ein Problem haben, bevor wir eins bekommen.
Mein Zitat in der „Welt“ heute Morgen war: Die einzigen, die tatsächlich Einfluss auf die Anzahl der Zurückweisungen an den deutschen Grenzen nehmen können, sind unsere Anrainer. Wenn die nämlich ihre Grenzen sichern, dürfte nicht ein Einziger an einer Binnengrenze innerhalb Europas ankommen und einen Asylantrag stellen. Das sind aber Hunderttausende, und das sagt mir, dass das System nicht funktioniert. Und dann soll mir mal bitte einer erklären, warum wir uns jetzt gerade an ein System halten sollen, das nicht funktioniert. Das ist doch Quatsch, das ist völlig irre.
Kann man sagen, dass auch nach zehn Jahren immer noch offensichtlich einige europäische Anrainer der Auffassung sind: Na ja, die Deutschen nehmen die dann schon?
Ja, davon gehe ich aus. Offensichtlich passiert das ja, denn ansonsten hätten wir nicht Hunderttausende Fälle im Jahr, die in Deutschland Asylantrag stellen. Deutschland ist umringt von sicheren EU-Staaten und der Schweiz. Es dürfte also gar nicht passieren.
Wollen wir positiv enden? Vielleicht hat sich doch ein kleines Fenster geöffnet. Vielleicht ist Dobrindt doch ein anderes Kaliber. Vielleicht sind über die zehn Jahre hinweg doch neue Möglichkeiten entstanden. Haben Sie das Gefühl, dass wir das Fenster jetzt offenhalten können? Oder sind Sie eher pessimistisch?
Ausdrücklich bin ich der Auffassung, dass das Fenster offen ist. Und ausdrücklich bin ich auch der Auffassung, dass es zu einer Wende kommen wird in der Migrationspolitik. Ich erwarte aber mehr als nur Grenzkontrollen. Wir müssen jetzt konsequent abschieben und vor allem in einem dritten Schritt die Pullfaktoren, die Deutschland zum Magneten werden lassen, in der Welt reduzieren nach dänischem Vorbild. Und dann werden wir diese Migrationsproblematik auch ganz schnell in den Griff bekommen.
Danke für das Gespräch!
Zur Quelle wechseln
Author:
Alexander Wallasch