Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger
Die baldige neue Regierung, die man als politisch größten anzunehmenden Unfall, abgekürzt PGAU, betrachten kann und die Deutschland so nötig braucht wie einen Sandsturm, wirft ihre Schatten voraus. Großes haben sie vor und Großes haben sie schon in ihren Verhandlungspapieren angekündigt. Das Lügen, so belehrt uns „Bild“, wollen sie verbieten, denn „die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt.“
Ich will hier gar nicht über einschlägige Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts reden, das sollen erstens die Juristen erledigen und wird zweitens ohnehin keinen der Beteiligten interessieren, da sie sich die Verfassungsgerichtsurteile ohnehin nach Bedarf bestellen, und sei es im Rahmen eines freundlichen gemeinsamen Abendessens, bei dem selbstverständlich niemals über anstehende Urteile oder laufende Verfahren gesprochen wird. Mir geht es um die Ausgestaltung des löblichen Vorhabens, die bereits in den Verhandlungspapieren angedeutet wurde: „Deshalb muss die staatsferne Medienaufsicht unter Wahrung der Meinungsfreiheit auf der Basis klarer gesetzlicher Vorgaben gegen Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen können.“
Gesetzliche Vorgaben braucht man, natürlich unter Wahrung der Meinungsfreiheit – das ist kein Problem, denn was unter die Meinungsfreiheit fällt, kann man dann ja im Rahmen dieses Gesetzes festlegen, und was aus dem Rahmen fällt, ist nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt und strafbar. Zum Glück gibt es für solche Gesetze historische Vorbilder. Ich möchte also den Entscheidern einen Vorschlag unterbreiten, wie sie eine altbekannte Verordnung für ihre Zwecke in ein Gesetz verwandeln können. Ich darf den folgenden Paragraphen empfehlen.
„(1) Wer vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet ist, das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines Landes oder das Ansehen der Bundesregierung oder einer Landesregierung oder der hinter diesen Regierungen stehenden Parteien oder Verbänden schwer zu schädigen, wird, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwere Strafe angedroht ist, mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und, wenn er die Behauptung öffentlich aufstellt oder verbreitet, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft.
(2) Ist durch die Tat ein schwerer Schaden für die Bundesrepublik Deutschland oder ein Land entstanden, so kann auf Sicherungsverwahrung erkannt werden.
(3) Wer die Tat grob fahrlässig begeht, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bestraft.“
Ist es nicht das, was sie wollen? Was wahr oder unwahr ist, entscheiden ohne Frage staatliche Stellen, so etwas kann der Bürger nicht alleine; zu empfehlen wäre vielleicht – in Analogie zum RKI, das sich während der sonderbaren PCR-Pandemie als Hüter der Wahrheit, der staatlich erwünschten Wahrheit erwiesen hat – die Gründung eines EMI, eines Erich-Mielke-Instituts, das sich auch jenseits medizinischer Fragen mit der Sicherung der Wahrheit befassen kann. Und ist das einmal festgelegt, dann kann jeder beliebige Richter verfügen, dass diese oder jene Aussage erstens unwahr oder gröblich entstellt ist und zweitens das Staatswohl oder gar das Ansehen der Regierung, einschließlich der hinter ihnen stehenden Parteien, schwer zu schädigen vermag. Das geht bei jeder Aussage, die der Regierung nicht passt, denn über das Wohl des Staates und seine Gefährdung entscheidet beispielsweise der Innenminister, dem das noch zu gründende EMI unterstellt sein dürfte. Ist der Schaden sogar schwer, dann darf der Übeltäter im Rahmen der Sicherungsverwahrung für den Rest seiner Tage der Freiheit Lebewohl sagen, und war die Tat nur fahrlässig, dann wird er dennoch der Gerechtigkeit nicht entgehen, auch wenn ihm nur eine geringere Strafe ins Haus steht.
Der Paragraph ist daher geeignet, die schönsten Träume der neuen Koalition zu erfüllen. Und nicht nur dieser Koalition. Er wurde schon vor langer Zeit formuliert, nur geringfügig anders: Statt „Bundesrepublik Deutschland“ stand da „Reich“, statt „Bundesregierung“ las man „Reichsregierung“ und der Sicherungsverwahrung entsprach die Verbringung ins Zuchthaus – natürlich hindert niemand die neue Regierung daran, für besonders üble Wahrheitsleugner wieder Zuchthäuser einzuführen; in diesem Fall ist das Wort „Sicherungsverwahrung“ durch „Zuchthausstrafe“ zu ersetzen. Ansonsten habe ich alles wörtlich übernommen. Es handelt sich um den dritten Paragraphen der „Verordnung des Reichspräsidenten zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung“ vom 21. März 1933. Unterschrieben wurde sie von Reichspräsident von Hindenburg, Reichskanzler Adolf Hitler, Reichsinnenminister Frick und dem Stellvertreter des Reichskanzlers, Franz von Papen. Das sind die Vorbilder der neuen Politik.
Ich zitiere Marx nicht gerne, aber manchmal kann ich es nicht vermeiden. „Hegel bemerkte irgendwo“, so schrieb Marx, „dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“ 1933 war es eine Tragödie. Ob es 2025 nur zu einer Farce reicht oder sich wieder eine Tragödie daraus entwickelt, bleibt abzuwarten.
Ich bin nicht übermäßig optimistisch.
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Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.
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