Nach dem Ablauf einer wichtigen Frist zum Rückzug israelischer Truppen ist es im Südlibanon erneut zu tödlichen Zwischenfällen gekommen. Laut dem libanesischen Gesundheitsministerium wurden mindestens 22 Menschen durch israelischen Beschuss getötet, darunter ein Soldat. Weitere 124 seien verletzt worden, darunter auch neun Minderjährige und ein Sanitäter. Anwohner hatten versucht, trotz der dort weiterhin stationierten israelischen Truppen in ihre Wohnorte im Süden zurückzukehren.
Die UN-Friedensmission im Libanon (Unifil) warnte, weitere Gewalt werde die fragile Sicherheitslage untergraben. Das israelische Militär «muss es vermeiden, auf libanesischem Gebiet auf Zivilisten zu feuern», mahnte Unifil.
Israel und die libanesische Hisbollah-Miliz hatten sich Ende November nach mehr als einjährigem Beschuss auf eine Waffenruhe geeinigt. Die Vereinbarung sah ursprünglich auch den Abzug der israelischen Truppen aus dem Libanon binnen 60 Tagen vor. Nach jüngsten israelischen Angaben wird sich dieser aber verzögern. Der Libanon habe seinen Teil der Vereinbarung noch nicht vollständig umgesetzt, begründete das Büro von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Entscheidung. Die libanesische Armee, die die Einhaltung der Waffenruhe sicherstellen und eine Rückkehr der Hisbollah in das Gebiet verhindern soll, rücke nicht schnell genug nach.
Keine Angabe zu möglichen Opfern von Israels Armee
Israels Militär teilte auf Anfrage mit, Verdächtige hätten sich Truppen genähert und die israelischen Soldaten deshalb Warnschüsse abgegeben, um Bedrohungen abzuwenden. Mehrere Personen seien festgenommen worden und würden vor Ort verhört. Angaben zu möglichen Opfern machte die Armee zunächst nicht.
Seit dem frühen Sonntagmorgen hatten sich Anwohner in Orten im Süden nahe der israelischen Grenze versammelt, wie die Staatsagentur NNA berichtete. Fotos und Videos zeigten Anwohner mit gelben Fahnen der Hisbollah und Auto-Korsos mit Porträts des getöteten Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah.
«Wir sind entschlossen, unsere Dörfer zu betreten – zu welchem Preis auch immer», sagte eine Frau namens Fatima der Deutschen Presse-Agentur. Ein Mann namens Mohammed sagte, er wolle mit seiner Familie sein Haus betreten. «Wir haben das Recht», sagte er. Ein Mann namens Ali sagte, die Frist von 60 Tagen für den vereinbarten Abzug der israelischen Truppen aus dem Libanon sei abgelaufen. «Sie hätten abziehen sollen. Sie sind Besatzer, und dies ist unser Land.»
Ein Video zeigte eine Gruppe von Anwohnern, die vor einem israelischen Panzer stehen, andere versammelten sich vor Blockaden der israelischen Armee auf Landstraßen. Teils gab es Aufnahmen von Frauen, die sich Panzern in den Weg stellen und dann auf israelische Soldaten einreden.
UN: Zustände erlaubten noch keine Rückkehr in den Süden
Die Zustände im Land erlaubten noch keine Rückkehr der Bewohner im Süden, erklärte UN-Sonderkoordinatorin Jeanine Hennis-Plasschaert. Die Gewalt im Land sei zwar deutlich zurückgegangen, es gebe aber immer wieder Verstöße gegen die UN-Resolution 1701. Deren Umsetzung sei der einzige Weg, um «das jüngste dunkle Kapitel des Konflikts zu beenden und ein neues zu öffnen», teilte Hennis-Plasschaert mit. UN-Resolution 1701 sieht unter anderem vor, dass sich die Hisbollah hinter den Litani-Fluss etwa 30 Kilometer nördlich der israelisch-libanesischen Grenze zurückzieht. Die libanesische Armee soll die Einhaltung der Vereinbarung überwachen.
Die israelische Armee bemühte sich laut Augenzeugen, Anwohner so gut wie möglich aus Orten fernzuhalten, in denen die Truppen weiterhin stationiert sind. Man werde über Orte für eine sichere Rückkehr im Süden informieren, teilte die Armee mit. «Bis dahin bitten wir Sie abzuwarten.» Bisherige Anordnungen über nicht zugängliche Gebiete blieben wirksam.
Libanons Präsident Joseph Aoun erklärte: «Ich teile die Freude der Menschen im Süden über den Triumph der Gerechtigkeit und rufe sie zur Zurückhaltung auf und zum Vertrauen in die (libanesischen) Streitkräfte.»
Die libanesische Armee wiederum erklärte, sie könne ihre Truppen im Süden bisher nicht wie vereinbart stationieren. Sie würde Anwohner bei der Rückkehr begleiten. Die Armee warf dem israelischen Militär einen Bruch der Souveränität des Libanons und auch einen Bruch der Waffenruhe vor.
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