• 21. Februar 2025

Die neue Bundesregierung steht vor großen Herausforderungen.

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Feb. 21, 2025

Bei den Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl geht es um viele „heiße Eisen“. Ein Überblick:

Außen- und Sicherheitspolitik

Auf den Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine vor drei Jahren folgte vor einigen Tagen ein zweites sicherheitspolitisches Erdbeben für die Europäer: Die Zeichen zwischen Washington und Moskau stehen unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump jetzt auf Annäherung. Überhaupt stellt sich spätestens seit der Ansage von US-Vizepräsident J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Frage, wie belastbar das Verhältnis zu den USA noch ist.

Auch im Nahostkonflikt wurde die Bundesregierung, so wie wohl alle EU-Staaten, von dem völkerrechtswidrigen Vorschlag Trumps, den Gazastreifen zu „übernehmen“ und die dort lebenden Palästinenser umzusiedeln, kalt erwischt. Eine überzeugende Antwort auf diesen neuen Stil muss in Berlin erst noch gefunden werden.

Verteidigung

Um Russland abzuschrecken und notfalls auch in einem Verteidigungskrieg zu bestehen, soll die Bundeswehr deutlich aufgerüstet werden, nachdem über Jahrzehnte gespart wurde. Nur: Wo kommen die Soldaten und das Geld her? Ein Modell für einen neuen Wehrdienst war heftig umstritten, wurde abgeschwächt und scheiterte dann mit dem Ampel-Aus.

Unbeantwortet ist auch die Frage, wie es nach 2027 finanziell weitergeht, wenn das sogenannte Sondervermögen für die Bundeswehr aufgebraucht ist. Von 2028 seien für das Zwei-Prozent-Ziel insgesamt jährlich mindestens 85 Milliarden Euro nötig, also rund 30 Milliarden mehr als derzeit, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Inzwischen ist aber schon die Rede von drei Prozent oder mehr.

Migrationspolitik

Alle Parteien, die Stand jetzt Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung haben, wollen nach eigenem Bekunden eine Migrationspolitik unter dem Motto „Humanität und Ordnung“, was Asylbewerber betrifft, und gleichzeitig mehr Fachkräfte nach Deutschland lotsen. Über die Frage, wie das genau aussehen und gelingen soll, herrscht allerdings Uneinigkeit.

Fest steht, dass die Zuständigkeiten und die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, den Ausländerbehörden und den Ländern besser geregelt werden müssen. Abschiebungen in die Maghreb-Staaten sowie nach Afghanistan, Syrien und in die Türkei sind aufwendig beziehungsweise sehr schwierig – im Fall Syriens finden sie gar nicht statt.

Haushalt

Eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Koalition wird die Verabschiedung eines Bundeshaushalts für das Jahr 2025 sein. Bis dahin gilt eine vorläufige Haushaltsführung. Der Staat kommt weiterhin gesetzlichen Verpflichtungen nach, das betrifft etwa Ausgaben für die Rente oder das Bürgergeld. Neue Projekte können aber nicht ohne Weiteres angestoßen werden. Die Ampel-Koalition war vor allem daran gescheitert, dass sie sich aufgrund knapper Kassen wegen der schwierigen Wirtschaftslage nicht auf einen Haushalt einigen konnte.

Spannend werden dürfte die Frage, ob es eine Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse gibt, die nur eine begrenzte Aufnahme neuer Schulden vorsieht.

Wirtschaftspolitik

Die deutsche Wirtschaft ist 2024 das zweite Jahr in Folge geschrumpft und steckt damit so lange in der Rezession wie seit mehr als 20 Jahren nicht. Auch für dieses Jahr wird nur ein Mini-Wachstum erwartet. Verbände sehen eine strukturelle Krise, der Standort Deutschland habe an Attraktivität verloren. Als Gründe genannt werden vor allem im internationalen Vergleich hohe Energiepreise sowie eine hohe Steuer- und Abgabenlast und zu viel Bürokratie.

Noch ungemütlicher für die exportorientierte deutsche Wirtschaft könnte es werden, wenn US-Präsident Trump in großem Stil Strafzölle auf EU-Importe verhängen sollte. Dann droht ein Handelskonflikt, der die Exportnation Deutschland empfindlich treffen könnte.

Energiepolitik

Hohe Netzentgelte belasten vor allem energieintensive Unternehmen. Die neue Bundesregierung könnte hier für Entlastungen sorgen. Das würde aber Milliarden kosten. In der neuen Legislaturperiode könnte es außerdem darum gehen, ob ein Klimageld kommt, um die steigenden CO2-Bepreisung beispielsweise auf Treibstoff und Heizwärme auszugleichen.

Offen ist auch, wie der Staat den Bau neuer Gaskraftwerke fördert. Sie sollen künftig als Backup bereitstehen, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Davon hängt auch der Zeitpunkt des Kohleausstiegs ab.

Klimaschutz

Bei TV-Debatten der Kanzlerkandidaten spielte das Thema Klimaschutz kaum eine Rolle. Das kritisierten vor allem die Grünen. Sie sehen sich als Garant dafür, dass Deutschland hier Kurs hält und das Tempo beschleunigt. Im Wahlprogramm der Union heißt es, man habe das Ziel der Klimaneutralität Deutschlands bis 2045 „fest im Blick“. Zugleich wird betont, Klimaschutz brauche eine starke Wirtschaft. Die FDP will das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 durch das europäische Ziel bis 2050 ersetzen. Umstritten ist vor allem das Heizungsgesetz: Union und FDP wollen einen grundlegenden Kurswechsel.

Pflege

Im alternden Deutschland sind immer mehr Menschen auf Pflege angewiesen. Pflegekräfte werden dringend gesucht. Trotz erneut erhöhter Beiträge warnt die Pflegeversicherung vor größeren Finanznöten 2026 und sieht die Lage „so ernst wie noch nie“. Eine große Reform, die vor der Wahl nicht mehr zustande kam, wird nach der Wahl umso dringlicher – auch, um Pflegebedürftige und Angehörige von steigenden Eigenanteilen zu entlasten. Auf dem Tisch liegen diverse Vorschläge: von Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt bis zu mehr privater Vorsorge. Auch bei der gesetzlichen Krankenversicherung besteht Reformbedarf, nachdem die Beiträge zu Jahresbeginn stark gestiegen waren.

Familienpolitik

Die scheidende Bundesregierung wollte Familien finanziell entlasten und die Kinderarmut bekämpfen. Beides ist nur zum Teil gelungen, etwa über leichte Erhöhungen bei Leistungen wie dem Kindergeld. Eine Großbaustelle bleibt die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Noch immer fehlen Tausende Kitaplätze. Besonders dramatisch ist die Lage für Kinder unter drei Jahren: Hier fehlen einer Studie zufolge mehr als 300.000 Plätze, vor allem im Westen Deutschlands. Dieser Mangel ist ein Hauptgrund dafür, dass viele Frauen nach wie vor in Teilzeit arbeiten, was den Arbeitskräftemangel in vielen Branchen verschärft.

Verkehrspolitik

Die Zukunft des bundesweit gültigen Deutschlandtickets im Nah- und Regionalverkehr ist offen. Nur noch bis Ende des Jahres sind Bundesmittel gesichert. Der Bund gibt pro Jahr einen Zuschuss von 1,5 Milliarden Euro, um Einnahmeausfälle bei Verkehrsbetrieben auszugleichen – denn die meisten ÖPNV-Abos waren zuvor deutlich teurer. Die Länder steuern den gleichen Betrag bei. Aus Sicht der Union gibt es hier offene Finanzierungsfragen.

Die Deutsche Bahn soll nach dem Willen der Union umstrukturiert werden. CDU und CSU wollen Betrieb und Infrastruktur voneinander trennen. Zudem geht es darum, wie mittel- und langfristig die begonnene grundlegende Sanierung des teils maroden Schienennetzes finanziert werden soll, damit Züge pünktlicher werden. Das kostet viele Milliarden.

Bundespolizei

Eine Reform des in die Jahre gekommenen Bundespolizeigesetzes soll die Befugnisse der Beamten neu regeln und teilweise erweitern. Sie sollen sich beispielsweise um die Abschiebung von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern kümmern dürfen, die da aufgegriffen werden, wo sie zuständig ist – etwa an Bahnhöfen. Kurz vor der Bundestagswahl 2021 scheiterte eine entsprechende Reform der damals schwarz-roten Koalition im Bundesrat. Die Ampel-Koalition einigte sich nach langen Debatten 2024 schließlich auf einen neuen Entwurf, der von Sachverständigen jedoch scharf kritisiert wird. Zu einer abschließenden Beratung im Bundestag kam es nicht mehr.

Kritische Infrastruktur

Zeitdruck gibt es beim Schutz von Einrichtungen, die zur kritischen Infrastruktur (Kritis) zählen, also etwa Flughäfen oder Energieversorger. Ein sogenanntes Kritis-Dachgesetz soll die Unternehmen zu stärkerem Schutz verpflichten. Um die Vorgaben der Europäischen Union zu erfüllen, hätte es eigentlich spätestens im Oktober 2024 in Kraft treten müssen. Doch der Gesetzentwurf erreichte erst im November das Kabinett und fand dann nach dem Ampel-Aus keine Mehrheit mehr im Bundestag.

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Author: [email protected]

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