• 31. Juli 2025

Die Industriegewerkschaft IGBCE warnt vor einer zunehmenden Abwanderung und Schließung von Industriebetrieben in Deutschland.

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Juli 31, 2025

Um das zu verhindern, spricht sich der Gewerkschaftsvorsitzende Michael Vassiliadis für eine grundlegende Neuausrichtung der Industrie- und Klimapolitik aus.

„Wir müssen das Dreieck aus Wirtschaftlichkeit, sozialer Verantwortung und Klimaschutz wieder in Balance bringen. Dazu braucht es eine Allianz von Bund, Ländern und Sozialpartnern“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

„Verfehlte Klimapolitik“

Der Gewerkschaftschef sprach von hausgemachten Standortproblemen. „Eins davon ist eine verfehlte Klimapolitik“, sagte Vassiliadis. Das größte Problem sei die CO2-Bepreisung. „Die Politik hat ein marktbasiertes System aufgebaut, das nun marktradikale Ergebnisse hervorbringt – und zwar zuhauf: Abschaltung, Abwanderung, Arbeitsplatzabbau.“

Werde nicht schleunigst das Steuer herumgerissen, werde man große Teile der Schwerindustrie verlieren und sich noch abhängiger von Ländern machen, die sich weder um Klimaschutz noch um soziale Gerechtigkeit scherten.

Reform des CO2-Preissystems

Vassiliadis kritisierte, dass die Politik unbeirrt am System der sogenannten linearen Verknappung von CO2-Zertifikaten und der damit verbundenen stetigen CO2-Preiserhöhungen festhalte. Und das, obwohl die für eine erfolgreiche Transformation der Produktion notwendigen Rahmenbedingungen noch nicht ausreichend vorhanden seien.

„Das Konzept, wie es angedacht war, fliegt so nicht – oder man nimmt in Kauf, sehr, sehr viele Industrien zu verlieren“, sagte Vassiliadis. „Das ist zumindest für die nächsten Jahre die offensichtliche Entwicklung. Das gilt explizit nicht nur für die stromintensiven Branchen, das sind vor allem die CO2-intensiven.“

Der gewünschte Effekt, dass Unternehmen Millionen oder Milliarden in die klimagerechte Transformation ihrer Standorte investierten, sei bislang viel zu selten eingetreten. Meist sei das nur dann geschehen, wenn er „herbeisubventioniert“ worden sei.

„Viele Unternehmen sind irritiert, schließen ihre Werkstore oder Anlagen und produzieren dann woanders“, sagte Vassiliadis. „Das war von der Politik sicher nicht beabsichtigt. Aber es darf auch nicht in Kauf genommen werden.“

Mit Blick auf den von der Bundesregierung geplanten Industriestrompreis für energieintensive Branchen sagte Vassiliadis, dieser müsse kommen. „Aber für viele Chemie- und energieintensive Betriebe ist der CO2-Preis mindestens genauso wichtig. Das bringt die um“, sagte er. Das System müsse flexibler werden. „Warum muss die Verknappung der Zertifikate eigentlich linear verlaufen? Warum nicht stufenweise?“, sagte der IGBCE-Chef.

„Verlieren Betriebe“

Zuletzt häuften sich Meldungen über Fabrikschließungen. So kündigte der Chemiekonzern Ineos an, ein Werk seiner Phenol-Sparte in Gladbeck (NRW) dichtzumachen. Hohe Energiekosten in Europa und die europäische CO2-Steuerpolitik hätten dazu geführt, dass Europa im Hinblick auf importierte chinesische Erzeugnisse und das weltweite Überangebot nicht mehr wettbewerbsfähig sei, hieß es von Ineos.

Der US-Chemiekonzern Dow will einen Teil seiner Anlagen im sächsischen Böhlen und in Schkopau in Sachsen-Anhalt Ende 2027 schließen. Als Grund nannte der Konzern strukturelle Herausforderungen auf dem europäischen Markt, darunter hohe Energie- und Betriebskosten sowie eine mangelnde Nachfrage in Schlüsselindustrien.

„Ich benutze den Begriff Deindustrialisierung nicht, weil ich den einen Tick zu groß finde“, sagte Vassiliadis. „Wir werden nicht alles verlieren. Was wir verlieren im Moment, und zwar jeden Tag, sind energieintensive und CO2-intensive Bereiche.“ Das seien neben Mittelständlern auch große ausländische Konzerne, die in Europa konsolidierten. Es drohten ganze Wertschöpfungsketten und Industrie-Cluster wegzufallen.

Vassiliadis forderte Tempo bei Gesetzen, um eine CO2-Speicherung zu ermöglichen. Das sei für viele Branchen wie die Zementindustrie, die CO2 sonst nicht vermeiden könnten, eine zentrale Frage.

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Author: [email protected]

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