Im Vormonat hatte die Notenbank erstmals seit der Inflationswelle die Zinsen gesenkt. EZB-Vertreter haben sich zuletzt über das weitere Vorgehen bedeckt gehalten. Daher warten die Anleger mit großer Spannung auf Aussagen von EZB-Präsidentin Christine Lagarde zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Inflation.
Im Juni hatte die Notenbank den für die Geldpolitik entscheidenden Einlagesatz um 0,25 Punkte auf 3,75 Prozent gesenkt. Die EZB wird nun die Zinsen laut Experten nicht erneut senken. „Denn dem Zinsschritt nach unten bei der Juni-Sitzung hatten einige Ratsmitglieder wohl nur deshalb zugestimmt, weil sich die EZB vorher hierauf faktisch festgelegt hatte“, schreibt Commerzbank-Experte Marco Wagner.
Die EZB-Ratsmitglieder seien zuletzt vorsichtiger geworden. Zwar habe sich die Inflationsrate in der Eurozone im Juni auf 2,5 Prozent abgeschwächt. Allerdings verharrte die Kerninflation, bei der schwankungsanfällige Preise für Energie und Lebensmittel ausgeklammert werden, mit 2,9 Prozent auf einem erhöhtem Niveau. Zudem deuteten die Lohndaten der EZB darauf hin, dass der kräftigste Lohnanstieg sogar noch kommen dürfte. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflation von zwei Prozent an.
Für eine künftige Leitzinssenkung spricht die schwächelnde Konjunktur in der Eurozone. Zuletzt haben eine Reihe von Frühindikatoren und Wirtschaftsdaten enttäuscht. „Die Hoffnungen auf einen Aufschwung in der Eurozone waren groß. Doch die Wirtschaft ist ins Schleudern geraten“, schreibt Experte Kevin Thozet vom Vermögensverwalter Carmignac.
An den Finanzmärkten wird überwiegen eine Zinssenkung im September erwartet. Bis dahin werden noch für zwei weitere Monate Inflationsdaten veröffentlicht. „Christine Lagarde wird sich nicht auf eine Zinssenkung nach der Sommerpause festlegen“, erwartet Felix Schmidt, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Eine kategorische Absage erwartet der Experte jedoch auch nicht. „Die EZB will mehr Daten sammeln und sich alle Optionen offenhalten.“
Ein schwieriges Thema für die EZB ist die Lage in Frankreich. Nach den vorgezogenen Parlamentswahlen zeichnet sich noch keine Regierungsbildung ab. Zuletzt hat sich Frankreichs Rechnungshof besorgt über die wachsende Verschuldung geäußert. „Die Situation Frankreichs steht in starkem Kontrast zu der seiner wichtigsten europäischen Partner, denen es gelang, ihr Defizit bis 2023 zu stabilisieren oder sogar deutlich zu senken“, heiß es im Jahresbericht.
Die Dekabank erwartet, dass Lagarde auf die Verantwortung der Regierungen für die Stabilität der Staatsanleihemärkte hinweisen wird. Auswirkungen auf die Entscheidungen der EZB dürfte sie jedoch verneinen.
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