Vieles deutet auf ein Bündnis mit der SPD hin. Doch dass man sich einigt, ist noch lange nicht ausgemacht. Bis Ostern will Merz fertig sein. Das sind die Knackpunkte in den bevorstehenden Verhandlungen.
Migrationspolitik
Große Konflikte sind in der Migrationspolitik zu erwarten. CDU und CSU wollen auch Asylbewerber an den deutschen Grenzen zurückweisen. Die SPD hält das für nicht vereinbar mit europäischem Recht. Außerdem beabsichtigt die Union den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wieder auszusetzen. Aktuell gilt für die Angehörigen von Menschen mit diesem eingeschränkten Schutzstatus ein Kontingent von 1.000 Visa pro Monat. Die SPD will das so beibehalten.
Dass die stationären Kontrollen an den Landgrenzen erst einmal fortgesetzt werden, ist wahrscheinlich. Die Forderung der Union, die Bundesregierung solle sich auf europäischer Ebene für eine Abschaffung des subsidiären Schutzes einsetzen, dürfte die SPD zwar von sich weisen. Allerdings stellt sich hier ohnehin die Frage, wie wahrscheinlich eine Einigung auf einen entsprechenden Beschluss auf EU-Ebene wäre. Der subsidiäre Schutz greift, wenn weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden können und im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht. Das betraf zuletzt viele Asylbewerber aus Syrien.
Neben den inhaltlichen Differenzen ist die Frage, in welcher Atmosphäre die Koalitionsverhandlungen stattfinden. Merz stand schwer in der Kritik, weil er bei Anträgen und einem Gesetzentwurf die Stimmen der AfD in Kauf genommen hat. Die SPD warf ihm einen Wort- und Tabubruch vor und zweifelte seine Glaubwürdigkeit an.
Wirtschafts- und Steuerpolitik
Im Ziel sind sich die Parteien einig: Die Wirtschaft muss angekurbelt werden. Nach zwei Rezessionsjahren wird auch für dieses Jahr nur ein Mini-Wachstum erwartet. Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften drängen angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Deutschland auf eine schnelle Regierungsbildung.
Ein großer Hebel wären niedrigere Energiepreise etwa über die Senkung der Strompreise, hier scheint ein Konsens möglich zu sein. In der Steuerpolitik aber gibt es große Differenzen. Die Union setzt sich für milliardenschwere, breite Steuerentlastungen auch für Unternehmen ein. Die SPD will einen „Made in Germany“-Bonus, mit dem der Staat Unternehmen bei Investitionen in Maschinen oder Fahrzeuge zehn Prozent der Kosten abnehmen soll.
Haushalt
Die SPD will eine Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse, um mehr Spielraum für Investitionen vor allem in die Infrastruktur zu bekommen. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat eine Reform zumindest nicht ausgeschlossen. Eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Koalition wird die Verabschiedung eines Bundeshaushalts für das Jahr 2025 sein, es müssen Milliardenlöcher geschlossen werden. Zentral dürfte sein, wie stark in den kommenden Jahren die Verteidigungsausgaben steigen sollen und wie das finanziert werden soll.
Außen- und Sicherheitspolitik
Union und SPD sind sich einig, die Ukraine in ihrem Kampf gegen den russischen Aggressor weiter zu unterstützen. Umstritten ist aber, wie zusätzliche Milliardenhilfen finanziert werden sollen. Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) bestand bisher darauf, eine Ausnahmeregel von der Schuldenbremse zu nutzen. Umstritten auch: Merz ist offen für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Scholz ist strikt dagegen, weil er befürchtet, dass Deutschland dadurch zu tief in den Krieg hineingezogen wird. Die SPD teilt diesen Kurs.
Im Ukraine-Konflikt könnte es wegen Verhandlungen zwischen den USA und Russland eine völlig neue Dynamik geben, mit weitreichenden Folgen für die europäische Sicherheitsarchitektur. Deutschland könnte zudem vor der Entscheidung stehen, Friedenstruppen in die Ukraine zu schicken.
Sozialpolitik
Schwierige Verhandlungen drohen auch in der Sozialpolitik. Die Union will das maßgeblich von der SPD eingeführte Bürgergeld abschaffen und durch eine neue „Grundsicherung“ ersetzen. Das Bürgergeld senke die Anreize, eine Arbeit aufzunehmen, argumentieren CDU und CSU.
Umstritten ist auch der gesetzliche Mindestlohn, der derzeit bei 12,82 Euro pro Stunde liegt. Die SPD fordert eine Anhebung auf 15 Euro. Aus Sicht der Union muss die Lohnfindung weiterhin Sache der Sozialpartner sein. Einen „politischen Mindestlohn“ lehnen CDU und CSU ab.
Verkehrspolitik
Die Union hat die Zukunft des bundesweit gültigen Deutschlandtickets im Nah- und Regionalverkehr offen gelassen. Es geht vor allem um Finanzierungsfragen, nur noch bis Ende des Jahres sind die Bundesmittel von 1,5 Milliarden Euro gesichert.
Eine zentrale Frage ist auch, wie es bei der Bahn weitergeht. Die Union strebt an, den bundeseigenen Konzern umzukrempeln und den Betrieb und die Infrastruktur voneinander zu trennen. Das dürfte vor allem mit der SPD nicht zu machen sein.
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Author: [email protected]