Von Kai Rebmann
Der durchschnittliche Student in Deutschland ist bei seinem Abschluss 26 Jahre alt. Auf seinem Weg dorthin hat er den Steuerzahler rund 36.500 Euro pro Jahr gekostet. Rund 3 Millionen von ihnen gibt es aktuell an den Universitäten und Hochschulen in Deutschland. Doch jeder Dritte bricht sein Studium nach dem ersten Semester wieder ab, beim Rest liegt die durchschnittliche Studienzeit über der Regelstudienzeit des jeweiligen Fachs.
Diese Zahlen gehen aus entsprechenden Erhebungen des Statistischen Bundesamts beziehungsweise dem jüngsten Bericht „Bildung in Deutschland“ hervor, der alle zwei Jahre veröffentlicht wird. Gleichzeitig fehlen dem Handwerk, dem Rückgrat unserer Wirtschaft, bundesweit aktuell mindestens 100.000 Arbeitskräfte. Dieses Missverhältnis aus angehenden, allzu oft aber unvollendet bleibenden Akademikern einerseits und fehlendem Personal im Maschinenraum andererseits, gilt längst als einer der wichtigsten Faktoren für die seit Jahren anhaltende Krisenstimmung in der hiesigen Wirtschaft.
Studieren die Deutschen also nur noch Sachen, die die Welt – oder zumindest die Wirtschaft – nicht braucht? Ruht sich die Generation Z in der sozialen Hängematte aus und zehrt nur noch von dem, was ihre Eltern und Großeltern einst im Schweiße ihres Angesichts erschaffen haben?
Ja, das sind steile Thesen. Sie mögen auch etwas überspitzt formuliert sein und treffen sicher bei weitem nicht auf jeden Studenten zu. Aber wie das in solchen Fällen meistens ist, wohnt ihnen im Kern auch ein wenig Wahrheit inne. Experten wie Ludger Wößmann bezeichnen das vollfinanzierte Studium in Deutschland als „ungerecht und ineffizient“. In der „Welt“ begründet der Bildungsökonom das damit, dass Akademiker später besser verdienten und – im Gegensatz zu den meisten Handwerkern etwa – dennoch steuerlich gefördert würden.
Folge: Das Leistungsprinzip wird außer Kraft gesetzt und liefert damit eine wichtige Erklärung für die hohe Zahl an Studienabbrechern an deutschen Unis. Ein besseres Modell sei es, so Wößmann, die Studiengebühren gegebenenfalls im Nachgang zu bezahlen und auch nur dann zu fördern, wenn die Familien die akademische Ausbildung ihrer Sprösslinge nicht aus eigenen Mitteln finanzieren können.
Nur noch Masse statt Klasse an deutschen Unis?
Im Vergleich zur Situation vor 20 Jahren ist die Zahl der Studenten in Deutschland um 50 Prozent gestiegen. Was grundsätzlich eine positive Nachricht sein sollte, relativiert sich schnell beim Blick auf die Details. So gibt es etwa Leute wie die Wirtschaftsprofessorin Zümrüt Gülbay-Peischard, die über ein seit Jahren nachlassendes Niveau an den Hochschulen beklagt.
Mehr Masse statt Klasse also? Das kann man durchaus so sehen und scheint politisch auch gewollt zu sein. So verzeichnete etwa allein das Margherita-von-Brentano-Zentrum der Freien Universität Berlin im vergangenen Jahr bundesweit mehr als 160 Professuren für Gender Studies, einem erklärten Steckenpferd unserer Bundesregierung – und übrigens nicht nur der vorzeitig abgeschalteten Ampel.
Schon seit 2007, also bereits zu Beginn der Ära Merkel, seien in diesen Bereich mindestens 37 Millionen Euro an Steuergeldern investiert worden, wie die „Welt“ vorrechnet. Die klassischen und in der Wirtschaft besonders stark nachgefragten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) haben im selben Zeitraum den Rückzug angetreten, sowohl was die Anzahl der Einschreibungen als auch die der Abschlüsse angeht.
Ähnlich triste Zahlen kommen aus dem Bereich der Betriebswirtschaftslehre. Zwar liegt die Zahl der Studenten an deutschen Unis in diesem Fach seit einigen Jahren mehr oder weniger konstant auf einem Niveau von rund 200.000. Aber: Die Statistik wird durch Studenten aus dem Ausland ganz maßgeblich aufgehübscht und täuscht damit über die tatsächliche Entwicklung hinweg.
Langfristiger Nutzen von ausländischen Studenten fraglich
Zählt man nur die Deutschen, so ist die Zahl der BWLer innerhalb von nur drei Jahren um 20.000 auf zuletzt 197.000 Studenten im Wintersemester 2023/24 zurückgegangen. Dieses Minus wird durch Ausländer teilweise kompensiert, da deren Zahl im selben Zeitraum von 28.000 auf 35.000 gestiegen ist. Axel Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) versucht es positiv zu sehen: „Die internationalen Studierenden belegen oft Mint-Fächer und stärken damit die Innovationskraft in Deutschland. Starten jedes Jahr weiterhin rund 79.000 internationale Studienanfänger mit Abschlussaussicht in Deutschland, so stärken diese mittelfristig die Wachstumsrate des BIP um etwa 0,1 Prozentpunkte – ein sehr großer Beitrag.“
Zu den mindestens zwei Hätte und Wenn, die sich in dieser Aussage verstecken, kommt noch ein weiterer Punkt hinzu, den der Experte entweder nicht sieht oder zumindest nicht sagt: diese Annahme gilt auch nur dann, wenn die Studenten aus dem Ausland nach ihrem Studium auch wirklich in Deutschland bleiben, sprich die dringend benötigte Zuwanderung von echten Fachkräften auch einen effektiven Nutzen für die hiesige Wirtschaft und nicht zuletzt den deutschen Steuerzahler mit sich bringt.
Die aktuellen Zahlen von deutschen Unis liefern der Politik also zwei klare Handlungsaufträge. Erstens, dass Leistungsprinzip an deutschen Universitäten wieder zu stären und, zweitens, den Fokus dabei wieder auf wirklich benötigte Fächer zu richten. Eine ganz wesentliche Stellschraube liegt dabei in der Art und Weise der staatlichen Finanzierung von akademischen Ausbildungen durch Steuergelder. Der Mittelweg könnte dabei auch so aussehen, dass ein abgebrochenes Studium in den sogenannten Gender Studies im Nachgang selbst zu finanzieren ist – nur mit dem Status quo wird es im Interesse von Wirtschaft und Steuerzahlern sicher nicht weitergehen können.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: Screenshot Youtube
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