Die Spirale der steigenden Sozialkosten müsse gestoppt werden und das Konnexitätsprinzip – wer bestellt, bezahlt – müsse stärker gelten, sagte der SPD-Politiker im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. Darin sei er sich mit seinen Länderkollegen einig. „Wir haben ein Konnexitätsproblem in Deutschland und das sitzt in Berlin.“
Weiter sagte Schweitzer: „Die Kommunen alleine sind damit überfordert. Und wenn der Bund nicht stärker hilft, als er es bisher tut, dann wird sich daran mittelfristig wenig ändern.“ Rheinland-Pfalz übernimmt im Oktober den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz von Sachsen für ein Jahr.
Landkreistag unterstützt Klage zweier Kreise gegen das Land
Deutlich höhere Kosten für Personal, Kitas, Sozial- und Jugendhilfe, als auch für die Schülerbeförderung sowie die Ausstattung und Mechanismus des kommunalen Finanzausgleichs (KFA): Die Kreise Cochem-Zell und Südwestpfalz haben angesichts ihrer finanziellen Lage unterdessen angekündigt, gegen das Land zu klagen.
Der Landkreistag unterstützt dies, da alle Kreishaushalte in einer „dramatischen Schieflage“ seien, wie der Geschäftsführende Direktor des kommunalen Spitzenverbands, Andreas Göbel, in Mainz sagte.
„Wir sind wehr- und schuldlos“, betonte Göbel. Selbst der eigentlich reiche Kreis Mainz-Bingen habe kein Geld mehr für freiwillige Leistungen, was vor allem Sprachkurse für die Integration und Musikschulen treffe.
Das Land habe das Problem zwar erkannt und steuere auch immer wieder nach, aber das reiche nicht, sagte Göbel. So sei die kürzlich von Schweitzer angekündigte Aufstockung des KFA um 600 Millionen Euro zwar ein positives Signal, beseitige aber die massive kommunale Unterfinanzierung nicht. „Wir benötigen weitere Schritte, insbesondere eine vollständige Übernahme der Altschulden, eine Reduzierung der Sozialkosten sowie ein Absenken der Standards, insbesondere im Kindertragessstättenwesen und im ÖPNV.“
Eine Reihe weiterer Kommunen klagt bereits
Die Stadt Pirmasens klagt bereits stellvertretend für den Städtetag gegen das Land, um eine bessere finanzielle Versorgung der Kommunen zu erreichen. Auch eine Reihe von Ortsgemeinden und anderen Kommunen hat Klage eingereicht.
Eines der größten Hilfsprogramme der Landesgeschichte
Die 600 Millionen Euro seien eines der größten Soforthilfe-Programme der Landesgeschichte, sagte Schweitzer. Er erinnerte zudem daran, dass das Land bereits 200 Millionen Euro in den vergangenen acht Monaten an die Kommunen gegeben und den kommunalen Finanzausgleich um rund 350 Millionen Euro erhöht habe. „Das ist etwas, was wir jetzt tun, um die kommunalen Haushalte zu stärken, damit die Kommunen imstande sind und bleiben, die enormen Zukunftsinvestitionen zu schultern, die durch das Infrastruktur-Sondervermögen möglich werden.“
Berlin muss helfen
„Aber das ist keine nachhaltige Lösung des Konnexitätsproblems. Das kann weder Düsseldorf noch Wiesbaden noch Mainz noch Saarbrücken lösen, wenn uns Berlin nicht hilft“, räumte Schweitzer ein. Seit vielen Jahren gebe es im Bund kluge Ideen, die in Gesetzte gefasst würden und am Ende müssten die Länder und Kommunen die Umsetzung bezahlen, ohne dafür finanziell kompensiert zu werden.
Kommunen werden finanziell oft überfordert
Er sehe aber, dass die Kommunen mit der Finanzierung ganz oft überfordert sind. „Ich habe in Rheinland-Pfalz den Sozialkostendialog mit den Kommunen gestartet und das in der Ministerpräsidentenkonferenz thematisiert“, sagte Schweitzer. „Wir brauchen einen starken und erfolgreichen Sozialstaat, aber er muss zielgerichteter werden, als er derzeit ist.“
Sozialstaat besser organisieren
Dies sage er auch, weil „manche schon mit der Motorsäge unterwegs sind und versuchen, den Sozialstaat zu kürzen und zu kappen“, mahnte Schweitzer. „Das ist ausdrücklich nicht mein Weg. Mein Weg ist, den Sozialstaat zu modernisieren, sodass Menschen ihre Ansprüche bekommen, unterstützt werden, Lebensperspektiven bekommen und wir gleichzeitig Ineffizienzen abbauen.“ Dies müssten Bund, Länder und Kommunen zusammen erreichen.
CDU-Landrätinnen sehen das Land stärker in der Pflicht
Es gehe nicht nur um Bundesgesetze, sagte die Landrätin des Kreises Südwestpfalz, Susanne Ganster (CDU), bei der Ankündigung ihrer Klage. Was an Finanzen am Ende für das Land übrig bleibe und was für die Kommunen, mache diese auch wütend. „Seit zwei Jahren rasen wir ungebremst in eine nie da gewesene Schuldenfalle“, sagte Ganster.
Der Landkreis mit dem bundesweit niedrigsten Bruttoinlandsprodukt pro Person bekomme seit der Neuaufstellung des KFA weniger Geld vom Land als vorher. Zugleich seien die Kosten für Sozial- und Jugendhilfe um mehr als 50 Prozent gestiegen. Seit 2023 müsse der Kreis mit seinen rund 95.500 Einwohnern erstmals in erheblichem Maße Liquiditätskredite aufnehmen. Dies werde bis 2027 voraussichtlich 100 Millionen Euro ausmachen. Die 84 Ortsgemeinden stünden „komplett an der Wand“.
Die Landrätin des Kreises Cochem-Zell, Anke Beilstein (CDU), sagte, vor allem die Kosten für die Schülerbeförderung in dem Kreis mit seinen 89 Orten und etwa 63.000 Menschen seien explodiert. Dies gleiche das Land finanziell aber nicht annähernd aus.
Entscheidung der Gerichte wird dauern
Die Klagen würden zwar mit ausführlicher Begründung eingereicht, eine Entscheidung werde aber voraussichtlich länger dauern als die für 2026 geplante Evaluierung des KFA, sagte der Kölner Anwalt Nico Herbst. Landrätin Ganster betonte: Sie erwarte aber, dass die Klage als Hilfeschrei ankomme.
Finanznot bringt Demokratie in Gefahr
Beilstein warnte vor den Folgen der finanziellen Misere: Gewerbe- und Grundsteuern müssten erhöht werden und Angebote von Musikschulen und Volkshochschulen kämen auf den Prüfstand. Immer weniger Gemeinderäte hätten zudem Lust, sich noch zu engagieren, wenn es nur noch um Schuldenverwaltung gehe. „Das ist eine große Gefahr für die Demokratie.“
Die Bürgerinnen und Bürger nähmen den Staat vor allem über seine Kommunalverwaltung war, ergänzte Göbel. Wenn notwendige Aufgaben zunehmend unmöglich würden, steige auch die Unzufriedenheit mit dem Staat.
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Author: [email protected]