Er trat auf den Balkon – schlicht, weiß, demütig. Kein Glanz, kein Pomp. Schon in diesem Bild lag der Umriss seiner Zeit: Nicht das Papsttum wurde verwandelt – es wurde entleert.
Jorge Mario Bergoglio war kein Prophet. Kein Mystiker. Er war Jesuit – das heißt: kein Hirte, sondern ein Ordenssoldat.
Der Jesuitenorden, geschmiedet aus dem Geist eines verwundeten Soldaten – Ignatius von Loyola – war nie ein Hort des Schweigens, sondern eine Eliteeinheit des Katholizismus. Strategen der Lehre. Infiltratoren der Höfe. Agenten des Sakralen. Ihr Eid: „Perinde ac cadaver“ – gehorchen wie ein Leichnam.
Sie waren keine Mönche – sie waren Exorzisten der Moderne. Ihr Ziel: die Eindämmung des Auflösungsprinzips. Keine Ekstase, sondern Kontrolle. Keine Kontemplation, sondern Disziplin.
Franziskus war das letzte Echo dieser Ordnung. Er kam aus der Peripherie, aber er brachte keinen Aufbruch – sondern ein letztes, müdes Management des Mythos.
Er sprach von Barmherzigkeit – doch sie wurde zur Strategie. Er beklagte den Kapitalismus – doch die Kirche blieb im Netz der Banken. Er umarmte die Armen – doch verlor die Armen der Seele.
Er wollte Brücken bauen – aber stand selbst auf keiner Seite. Er öffnete Räume – aber füllte sie nicht.
Franziskus war nicht der Hierophant. Er war der Schwellenwächter. Ein Mann zwischen zwei Welten: der sakralen Vergangenheit und der entkernten Zukunft.
Sein Pontifikat war kein Feuer. Es war das Licht der Glut – geordnet, geregelt, fast gelöscht.
Was mit ihm endet, ist mehr als ein Name. Es ist der letzte Versuch, das Sakrale mit den Mitteln der Verwaltung zu retten.
Die Liturgie wurde Kommunikation. Die Dogmatik: Gespräch. Die Kirche: eine NGO mit Erinnerungsdepot.
Er war der Letzte, der wusste, dass das Kreuz nicht symbolisiert, sondern getragen werden muss. Doch er sprach es nicht mehr aus.
Franziskus reichte die Asche weiter – nicht aus Schwäche, sondern aus der Unmöglichkeit, im toten Tempel das Feuer neu zu entzünden.
Und so endet nicht ein Papst – sondern der Auftrag, das Heilige durch Struktur zu bewahren.
Was nun kommt, wird nicht mehr moderieren – es wird entscheiden müssen. Der nächste Ruf wird nicht aus Rom kommen.
Er wird aus der Tiefe steigen – dort, wo keine Uniform mehr schützt, sondern nur noch innere Wahrheit trägt.
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Author:
Alexander Wallasch