In Deutschland wird viel über „gefährliche Sekten“ gesprochen. Aber wer braucht noch eine Sekte, wenn man einen Fanatismus dieser Größenordnung in der Tagespolitik erleben kann? Ein offener Brief an Robert Habeck, der mittlerweile fast 20.000 Unterschriften gesammelt hat, liest sich wie ein Manifest glühender Ergebenheit – und zeigt eindrucksvoll, wie politische Ideologie zur Ersatzreligion werden kann.
Habeck als Lichtgestalt: Die Narrative der Verehrung
Besonders spannend an diesem Dokument ist nicht nur, dass Menschen sich organisieren, um einen Politiker zu unterstützen – das wäre völlig legitim. Sondern der Tonfall, die Wortwahl und die fast messianische Aufladung, mit der Habeck hier dargestellt wird.
„Du hörst zu, wägst ab, fühlst mit, suchst die Verantwortung und willst die Zukunft mit und für die Menschen gestalten.“
„Du bist für viele ein Hoffnungsträger.“
„Gerade in einer solchen Zeit braucht es Menschen – und noch wichtiger Führungspersönlichkeiten – wie dich.“
Doch damit nicht genug. Habeck wird nicht nur als charismatische Führungskraft beschrieben, sondern als moralisches Gewissen der Nation: „Er war oft der Einzige in der Regierung, der Krisen kommunikativ bewältigt hat, der die richtigen Worte fand, als Scholz sie suchte.“ Als hätte der Wirtschaftsminister ein Monopol auf Weitsicht und Ehrlichkeit – während seine Kritiker wahlweise als „rückwärtsgewandt“ oder „zynisch“ diffamiert werden.
Dass Habeck in Umfragen unter den unbeliebtesten Politikern Deutschlands rangiert, scheint die Verfasser nicht weiter zu irritieren. Auch dass seine Energiewende-Politik von einem Desaster ins nächste schlittert, dass sein Heizungsgesetz zum größten Rohrkrepierer der letzten Jahrzehnte wurde, dass Unternehmen in Scharen abwandern, weil die Strompreise explodieren – all das spielt in dieser alternativen Realität keine Rolle.
Wenn Ideologie über Realität triumphiert
Aufmerksam wurde ich auf diesen offenen Brief durch einen Leser, der ihn mir zugeschickt hat – und dazu noch einen Facebook-Post, der die gleiche Denkrichtung illustriert. Die Habeck-Fans schätzt mein Leser wie folgt ein:
„Ich habe ja den Eindruck, dass die heutigen Grünfans folgender Sozialisation entsprechen: Bürgerlich oder einfach aufgewachsen, Abi gemacht, studiert, irgendwann gelernt, dass es intellektuell gut kommt, die SZ zu abonnieren, guten Job bekommen, Wohnung, Familie, SUV, Urlaub, Hobbies – und dann war irgendwann auch noch Geld für Moral übrig. In dieser Zeit sind wir heute.“
Und tatsächlich: Ein Blick auf den Facebook-Kommentar der Habeck-Anhänger zeigt, dass diese Sozialisation eine Rolle spielt.
„Robert Habeck war eines der größten politischen Talente, das dieses Land je hatte. Ein kluger Kopf, ein brillanter Kommunikator, jemand, der Politik nicht als Machtspiel verstand, sondern als eine Aufgabe für die Gesellschaft.“
Der gesamte Text liest sich wie eine Heiligenverehrung – als wäre Habeck eine tragische Lichtgestalt, die für die Undankbarkeit der Deutschen geopfert wurde.
Dabei fehlt in dieser hagiografischen Erzählung jede kritische Reflexion über seine Bilanz. War es nicht Habeck, der – während mittelständische Unternehmen unter Rekordstrompreisen ächzten – behauptete, Betriebe würden gar nicht insolvent gehen, sondern „einfach aufhören zu produzieren“? War es nicht Habeck, der seine eigenen Beamten im Ministerium düpierte, indem er Gesetzesänderungen durchboxte, die juristisch kaum haltbar waren? In der Welt des Habeck-Kultes sind das keine Fehler, sondern Märtyrertum.
Wer sich genauer mit Habeck befasst, merkt schnell, dass seine angebliche Offenheit in Wahrheit wenig mit Selbstkritik zu tun hat. Besonders entlarvend war seine Reaktion auf die Wahlniederlagen der Grünen. Anstatt Fehler einzugestehen, gab er – ganz im Stil seiner treuesten Anhänger – einfach den Wählern die Schuld. Die Menschen hätten die Grünen nicht „verstanden“. Sie hätten nicht begriffen, dass die Grünen doch alles nur für sie tun würden. Diese Mischung aus Arroganz und Abgehobenheit ist kein Zufall – sie zieht sich durch Habecks gesamte politische Kommunikation.
Dazu passt auch das Urteil des Ökonomen und Journalisten Philip Plickert, der Habeck auf X als einen der „am meisten überschätzten Politiker“ bezeichnet. Von linksliberalen Medien gefeiert, sei er in der Realität nur ein „pseudo-nachdenklicher Schwätzer“, der sich in „wolkige Metaebenen“ flüchte, anstatt reale Probleme zu lösen. Habeck sei der Inbegriff des Politikers, der lieber bedeutungsschwere Phrasen drischt, als sich mit den Folgen seiner eigenen Politik auseinanderzusetzen.
Warum entsteht ein solcher Kult?
Doch all das ficht die Habeck-Jünger nicht an. Psychologisch betrachtet zeigt sich bei der Verehrung des Mannes, der sich für Gottes Geschenk an die weibliche Hälfte der Menschheit zu halten scheint, ein bekanntes Muster: Wenn sich eine Gruppe über eine bestimmte Überzeugung definiert, wird Kritik an dieser Überzeugung als Angriff auf die eigene Identität wahrgenommen. Habeck ist für viele nicht einfach ein Politiker. Er ist eine Projektionsfläche für ihr eigenes Selbstbild: vermeintlich modern, gebildet, moralisch überlegen. Wer ihn angreift, greift sie persönlich an.
Und hier kommen wir zum eigentlichen Problem solcher politischen Heiligenverehrung: Sie immunisiert gegen Realität. Es ist dasselbe Muster, das man in autoritären Regimen beobachten kann – in der Sowjetunion, in China oder auch in den USA bei bestimmten Strömungen. Politik wird nicht mehr rational analysiert, sondern emotional erlebt. Habeck ist dann nicht einfach ein Politiker mit guten oder schlechten Ideen – er ist ein Erlöser, ein Hoffnungsträger, jemand, der nicht scheitern darf, weil sonst das eigene Weltbild ins Wanken gerät.
Diese Psychodynamik erklärt auch, warum seine Anhänger in der Krise umso fester an ihm festhalten. Gerade weil Habeck unter Druck steht, muss er umso vehementer verteidigt werden – denn sein Fall wäre auch der Fall der eigenen moralischen Überlegenheit.
Mediale Schutzschilde für den Hoffnungsträger
Natürlich bleibt auch die mediale Schutztruppe nicht untätig. Die „Süddeutsche Zeitung“ warnte bereits, dass die Kritik an Habeck „die Demokratie gefährden“ könne. Der „Spiegel“ titelte, Deutschland habe ein „Habeck-Problem“, weil es keine visionären Politiker aushalte. Und die „Zeit“ dichtete gar, Habeck werde „kaputt gemacht“.
Man kennt dieses Muster: Wenn eine Politik scheitert, liegt es nie an den Akteuren selbst – sondern an einer „bösen“ Öffentlichkeit, an den Medien, an der Gesellschaft. Während man andere Politiker gnadenlos für jeden Fehler zerlegt, wird hier ein moralischer Schutzschild aufgebaut, der jede Kritik als illegitim brandmarkt.
Eine neue Dimension des Politikverständnisses
Der Habeck-Kult zeigt uns ein beunruhigendes Phänomen: Politik ist für viele längst keine rationale Auseinandersetzung mehr, sondern eine identitätsstiftende Glaubensfrage. In dieser Logik kann Habeck gar nicht scheitern – er kann nur Opfer sein.
Und das macht diese Form der politischen Verklärung so gefährlich. Denn wenn ein Politiker nicht mehr an der Realität gemessen wird, sondern an der Intensität seiner Verehrung, dann endet Demokratie in einer Echokammer.
PS: In meinen Artikeln möchte ich noch stärker als bisher weg vom bloßen Reagieren und Aufzählen politischer Absurditäten und den Fokus noch strikter auf fundierte Analysen und die Mechanismen hinter dem Vordergründigen legen. Kein reiner Nachrichtenticker mit anderen Vorzeichen – davon gibt es genug, und das kann einen in den Wahnsinn treiben – sondern Hintergründe und Erklärstücke mit echtem Mehrwert (siehe hier).
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Bild: Shuttesrtock
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