Wie passt das in der Praxis zusammen, dass wir in Deutschland weit über einer Million Ukrainern Schutz gewähren, aber gleichzeitig jedem Ukrainer ein touristisches Aufenthaltsrecht von 90 Tagen einräumen? Wie hält man das vernünftig auseinander?
Fakt ist, dass die Arbeit der Bundespolizei bei der Sichtung der Ausweispapiere zusätzlich erschwert wird – zumindest dann, wenn es darum geht herauszufinden, wer hier Bürgergeld empfängt und regelmäßig in die Ukraine zurückreist. Also mutmaßlich nur für den Moment nach Deutschland kommt, den es braucht, um Bürgergeld zu beantragen und auszahlen zu lassen.
Wichtige Zwischenbemerkung: Es geht nicht darum, insbesondere wehrfähigen Ukrainern den Aufenthalt zu versagen, aber es muss ein Mindestmaß an Überblick gewährleistet sein, wenn wir die Kontrolle darüber behalten wollen, was in unserem Land eigentlich passiert und wer hier in Vollversorgung lebt.
Alexander-Wallasch.de hatte zuletzt darüber berichtet, dass ein privates Busunternehmen im großen Stil den Pendelverkehr mit der Ukraine organisiert – mittlerweile mit Fahrzeugen, die in der Ukraine zugelassen sind, jedenfalls mit ukrainischen Kennzeichen.
Wir haben daraufhin beim Bundesinnenministerium (BMI) angefragt, inwieweit hier überhaupt belastbare Statistiken geführt werden, die Auskunft darüber geben könnten, inwieweit der deutsche Staat noch kontrolliert, wer aus der Ukraine zu uns kommt und wer hier Bürgergeld kassiert.
Alexander-Wallasch.de wollte vom BMI wissen:
Ist das Bundesinnenministerium informiert über die Anzahl privatunternehmerischer Busfahrten und die Passagieranzahl in die Ukraine, etwa durch FlixBus?
Wie viele Fahrten sind das mit wie vielen Passagieren in welchem Zeitraum seit 2022?
Wie viele Menschen fahren privat in die Ukraine – ohne die Busfahrten? Also mit Privatautos, Zug oder Flügen nach Polen mit Weiterfahrt in die Ukraine?
Werden Passagiere namentlich registriert? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, findet ein Abgleich mit anderen Behörden statt?
Wenn es vom BMI dazu keine Zahlen gibt, geht das BMI davon aus, dass die Geheimdienste diese Zahlen sammeln?
Die Antwort des BMI war denkbar knapp, ein Sprecher teilte mit:
„Eine Statistik im Sinne der Fragestellung wird nicht geführt.“
Auf Nachfrage, ob das BMI weiß, ob ein anderes Ministerium oder eine andere Behörde solche Statistiken führt, hieß es in einer weiteren Antwort-E-Mail:
„Dem BMI ist nicht bekannt, dass eine andere Behörde entsprechende Statistiken führt.“
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Was bedeutet das für den Pendelverkehr zwischen der Ukraine und Deutschland? Hier laufen zwei Aufenthaltsarten nebeneinander, und niemand scheint bemüht, ein Durcheinander durch intensive, strukturierte Kontrollen verhindern zu wollen: Zum einen gibt es 1,25 Millionen quasi automatisch per EU-Massenzustrom-Richtlinie anerkannte ukrainische Flüchtlinge, und auf der anderen Seite kann sich jeder Ukrainer 90 Tage touristisch in Deutschland aufhalten:
„Ukrainische StaatsbürgerInnen mit biometrischem Pass dürfen weiter nach Deutschland einreisen und sich in Deutschland visumfrei für 90 Tage innerhalb eines 180-Tageszeitraumes aufhalten.“
Im Hintergrundgespräch mit Experten erfahren wir, dass die Bundespolizei regelmäßig auch Ukrainer zurückweist, wenn diese die 90-Tage-Regelung für Touristen überschritten haben. Und diese Zurückweisung wird – offenbar anders als der rege Busverkehr – statistisch erfasst. (Wir werden dazu erneut beim BMI anfragen.)
Unser Gesprächspartner mutmaßt, dass es sich wohl um etwa dreieinhalbtausend Fälle seit Ausbruch des Krieges oder pro Jahr handeln könnte – diese Zahl sei ihm bekannt.
Aber auch für diese Zurückweisungen soll es eine Umgehungsstraße geben: Der zunächst Abgewiesene kann darauf verweisen, dass er zwar die touristischen 90 Tage überschritten hat, aber jetzt unmittelbar vom Kriegsgeschehen betroffen sei. Und schon darf er als anerkannter Flüchtling einreisen und bleiben.
Zugespitzt ausgedrückt: Wer zunächst 90 Tage lang touristisch Land und Leute erkundet, kann anschließend auch als Flüchtling einreisen, wenn er das nur gegenüber den deutschen Behörden bzw. der kontrollierenden Bundespolizei geltend macht. Da für Ukrainer die individuelle Prüfung des Asylgrundes auf europäischer Ebene ausgesetzt wurde, dürfte es nicht schwerfallen, schnell ins Bürgergeld zu kommen.
Der Experte teilt mit, dass die Bundespolizei zudem unabhängig von der 90-Tage-Regelung anhand der Stempellage im Reisepass nachvollziehen kann, ob ein Betrugsverdacht besteht. Sollte der Verdacht bestehen, dass der Reisezweck nicht dem tatsächlichen Reiseziel entspricht, kann zurückgewiesen bzw. eine Weitermeldung an das Jobcenter oder die Arbeitsagentur erfolgen.
Noch ein paar grundsätzliche Fakten zum Bürgergeld für Ukrainer:
„In den ersten zwölf Monaten (Karenzzeit) des Bürgergeldbezugs gilt ein Freibetrag auf das Vermögen von 40.000 Euro für den Antragsteller sowie 15.000 Euro für jedes weitere Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Eine vierköpfige Familie hat also ein Schonvermögen von 85.000 Euro. Nach Ablauf der Karenzzeit gelten 15.000 Euro je Mitglied. Ein Auto bzw. Pkw gilt je erwerbsfähiges Mitglied (ab 15 Jahren) der Bedarfsgemeinschaft bis zu einem Wert von 15.000 Euro – nach Abzug von Kreditschulden – nicht als Vermögen. Erst der Betrag, der 15.000 Euro übersteigt, wird dem Schonvermögen zugerechnet.“
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Author:
Alexander Wallasch