Ein Gastbeitrag von Roland Wiesendanger
Die Frage nach dem Ursprung der Coronavirus-Pandemie ist wie kaum eine andere von zentraler Bedeutung, denn nur auf Basis ihrer Beantwortung können adäquate Vorkehrungen getroffen werden, um die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten ähnlicher Pandemien in Zukunft so klein wie möglich zu halten.
Vor genau vier Jahren wurde meine Studie zum Ursprung der Coronavirus-Pandemie durch eine Pressemitteilung der Universität Hamburg national und international publik gemacht. Wie dieser Pressemitteilung zu entnehmen ist, kam ich im Rahmen einer einjährigen Recherche aller relevanten Veröffentlichungen, Dokumente und Zeugenbefragungen „zu dem Ergebnis, dass sowohl die Zahl als auch die Qualität der Indizien für einen Laborunfall am virologischen Institut der Stadt Wuhan als Ursache der gegenwärtigen Pandemie sprechen“. Die Absicht, welche ich mit der Veröffentlichung meiner Studie damals verfolgte, war – wie bereits der Überschrift der Pressemitteilung zu entnehmen war – eine „breit angelegte Diskussion“ anzuregen, insbesondere im Hinblick auf die ethischen Aspekte der sogenannten Gain-of-Function-Forschung, welche Krankheitserreger für Menschen ansteckender, gefährlicher und tödlicher macht.
In der Pressemitteilung der Universität Hamburg hieß es hierzu: „Dies kann nicht länger nur Angelegenheit einer kleinen Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bleiben, sondern muss dringend Gegenstand einer öffentlichen Debatte werden.“
Positive Resonanz aus der Bevölkerung
Trotz der überwältigend positiven Resonanz aus der Bevölkerung, die in den meisten Fällen erst durch meine Studie auf die hochproblematische Gain-of-Function-Forschung mit pandemiefähigen Erregern aufmerksam wurde, sowie die große Zustimmung im Kollegenkreis an der Universität Hamburg, wurde die öffentliche Rezeption durch einen Sturm der Entrüstung seitens der Leitmedien geprägt: Von der Verbreitung einer „Verschwörungstheorie“ war die Rede, von „Schwurbelei“ sowie von „antiasiatischem Rassismus“.
Am 31. Januar dieses Jahres wurde nun vom Podium des Weißen Hauses in den USA verkündet, dass die Pandemie ihren Ursprung in einem Labor in Wuhan hatte („We now know that to be the confirmable truth“). Diese eindeutige Aussage basiert sowohl auf zahlreichen Auffälligkeiten des Erbguts von Sars-CoV-2, welche bei natürlich vorkommenden Sars-Viren nicht auftreten, als auch auf geheimdienstlichen Informationen. Diese virologischen und geheimdienstlichen Erkenntnisse sind zwar für Insider nicht neu, wurden jedoch bislang nicht in dieser klaren Form seitens einer Regierung gegenüber der Öffentlichkeit kommuniziert.
Was heißt dies nun konkret? Es bedeutet, dass hochrisikoreiche virologische Forschung, welche im Verbund zwischen chinesischen und US-amerikanischen Wissenschaftlern in Wuhan, unter Mitfinanzierung durch US-amerikanische Steuerzahler, zu einer weltweiten Katastrophe mit Millionen von Toten sowie wirtschaftlichen Schäden in Billionenhöhe geführt hat.
Wie ich in einer Pressemitteilung Anfang Mai 2020 sowie in meiner Studie vom Februar 2021 bereits ausführte, hat die kontroverse Diskussion um die problematische Gain-of-Function-Forschung mit pandemiefähigen Erregern in den Jahren 2011/12 einen vorläufigen Höhepunkt erreicht, als zwei Forschungsgruppen die erstmalige leichte Übertragbarkeit von Vogelgrippeerreger über Aerosole auf Säugetiere – und letztlich auf den Menschen – im Labor demonstrierten. Das einfache Überspringen der natürlichen Adaptionsbarriere beim Übergang von einer Spezies (Geflügel) auf eine andere (Säugetiere) wurde damit durch Genmanipulationen im Labor erst ermöglicht.
Ungeheuerliche Anmaßung
Während zahlreiche verantwortungsvolle Wissenschaftler diese hochgefährliche virologische Forschung als unmoralisch und unethisch brandmarkten, verteidigten einige Vertreter von Forschungsorganisationen sowie zahlreiche Virologen, die solche Experimente dem Erkenntnisgewinn wegen weiterführen wollten, diese umstrittene Forschungsrichtung. In einem Interview von 2012 argumentierte etwa Anthony Fauci, der langjährige Gesundheitsberater zahlreicher US-amerikanischer Präsidenten und Leiter einer Unterabteilung der US National Institutes of Health (NIH), dass der Erkenntnisgewinn aus der Gain-of-Function-Forschung das Risiko einer weltweiten Pandemie wert wäre. Christian Drosten erklärte gar in diesem Zusammenhang in einem FAZ-Interview vom 18. Februar 2012, gemeinsam mit zwei Koautoren, dass „wir die Risiken aushalten müssen“.
Allein schon die Tatsache, dass einzelne Wissenschaftler sich bereits zum damaligen Zeitpunkt anmaßten, beim Umgang mit dem Risiko für das Leben von Millionen Menschen in der Wir-Form zu sprechen, ist aus heutiger Sicht – nach dem schmerzlichen Verlust von Verwandten, Bekannten, Freunden und Mitbürgern – ungeheuerlich. Dies wird umso deutlicher, als Wissenschaftler im Jahr 2012 die Wahrscheinlichkeit einer weltweiten Pandemie, verursacht durch Gain-of-Function-Forschung, zu 80 Prozent innerhalb von zehn Jahren abgeschätzt haben.
Die heftige Debatte um die umstrittene Gain-of-Function-Forschung führte zwar zu einem Moratorium ihrer staatlichen Förderung in den USA in den Jahren 2014 bis 2017, allerdings wurde durch Anthony Fauci diese unter heftige Kritik geratene virologische Forschung zunehmend ins Ausland verlagert, u.a. nach Wuhan in China. Im Jahr 2015 wurden weitere hochproblematische Gain-of-Function-Experimente mit Corona-Hybridviren veröffentlicht, welche an menschliche Zellrezeptoren angepasst wurden und folglich ein „Pandemiepotenzial“ für den Menschen aufzeigten. Simon Wain-Hobson, ein bekannter Virologe des Pasteur Instituts in Paris, wies damals darauf hin, dass die US-amerikanischen und chinesischen Forscher ein neuartiges Virus geschaffen haben, das in menschlichen Zellen „bemerkenswert gut wächst“. „Wenn das Virus entkommen würde, könnte niemand die Ausbreitung vorhersagen.“
Trotz aller Mahnungen ging diese hochgefährliche Forschung, die irrsinnigerweise auch noch unter dem Aspekt der Pandemie-Vorsorge („pandemic preparedness“) von vielen Ländern – nicht nur von USA, sondern auch von Deutschland – staatlich gefördert wurde, ungebremst weiter.
Spiel mit dem Feuer
Im Jahr 2017 sagte Anthony Fauci einen überraschenden Ausbruch („surprise outbreak“) eines Krankheitserregers voraus. Auf den Widerspruch zwischen einer Vorhersage eines Ausbruchs und der Kennzeichnung als „überraschend“ möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Es musste jedenfalls allen Beteiligten – auch den involvierten Virologen – klar gewesen sein, dass sie buchstäblich mit dem Feuer spielten, um angeblich eine Brandvorsorge zu betreiben.
Befreit von jeglicher staatlicher Aufsicht wurden die virologischen Experimente immer waghalsiger und so wurde ein Forschungsantrag aus dem Jahr 2018 mit dem Kurztitel „DEFUSE“ bekannt, der quasi eine Konstruktionsanleitung für die künstliche Erzeugung eines Sars-CoV-2-artigen Virustyps beinhaltete. Neben dem verantwortlichen Projektleiter, der zugleich Präsident einer US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation ist, die über viele Jahre hinweg US-amerikanische Steuergelder für hochrisikoreiche virologische Forschung ins Ausland leitete, waren u.a. auch US-Forscher der University of North Carolina sowie Wissenschaftler des Wuhan Instituts für Virologie an diesem Forschungsantrag beteiligt. Dieser wurde zwar von der DARPA, einer Unterorganisation des US-amerikanischen Pentagons, zunächst abgelehnt, allerdings wurden diese Forschungsarbeiten letztlich durch die NIH-Unterabteilung von Anthony Fauci dann doch gefördert.
Man entschied sich seitens der Wissenschaftler für die Durchführung der Forschungsarbeiten in Wuhan, da dort niedrigere Sicherheitsstandards verglichen mit den USA herrschten. Dies, obwohl die Problematik der niedrigen Sicherheitsstandards am Wuhan-Institut für Virologie ein Jahr zuvor noch von US-Diplomaten vor Ort in Wuhan an die US-Regierung in Washington kommuniziert wurde. Im Sommer 2019 brach dann die Coronavirus-Pandemie als Folge der Infektion von Wissenschaftlern in Wuhan aus, wobei die Weltgemeinschaft monatelang uninformiert gehalten wurde.
Einmalige Vertuschungsaktion
Wie wir heute wissen, lagen bereits im Herbst 2019 geheimdienstliche Informationen über den Ausbruch eines neuartigen Erregers in Wuhan vor und schon zu Beginn des Jahres 2020 erkannten zahlreiche Virologen weltweit, u.a. auch drei Nobelpreisträger im Fachgebiet Virologie, dass die Gensequenz des neuen Sars-CoV-2-Virus eindeutige Hinweise auf einen nicht-natürlichen Ursprung aufwies. Doch wurde in einer für die Wissenschaft bislang einmaligen Vertuschungsaktion der Laborursprung des Sars-CoV-2-Virus bestritten und das Märchen von einem Wuhan-Fischmarkt als Ursprungsort der Pandemie erfunden und teilweise bis zum heutigen Tage weitererzählt.
Dies ist umso verwerflicher, als bereits im Mai 2020 der Direktor der chinesischen CDC (Centers for Disease Control and Prevention) erklärt hatte, dass nach einer gründlichen Untersuchung von zahlreichen Proben, welche von diesem Fischmarkt entnommen wurden, dieser Markt nicht als Pandemie-Ursache infrage kommt, sondern lediglich bei der raschen Verbreitung des Sars-CoV-2-Erregers eine wichtige Rolle spielte.
In Wuhan wird weiterhin experimentiert
Welche notwendigen Konsequenzen ergeben sich nun aus dem offiziell von US-Regierungsseite bestätigten Laborursprung der Covid-19 Pandemie? Zunächst einmal muss es dringend eine umfassende Bestandsaufnahme der weltweiten Gain-of-Function-Forschungsaktivitäten mit pandemiefähigen Erregern geben. Allein in den USA werden über 60 davon vermutet. Auch in Wuhan laufen hochrisikoreiche Experimente mit gefährlichen Nipah-Viren weiter, welche von der US-Gesundheitsbehörde CDC als bioterroristische Erreger eingestuft wurden und das Potenzial haben, einen signifikanten Teil der Weltbevölkerung auszulöschen, wenn diese – wie im Falle der Sars-Viren – leicht auf den Menschen übertragbar gemacht werden.
Viele der weltweiten Gain-of-Function-Forschungsaktivitäten mit pandemiefähigen Erregern laufen unter der Flagge einer am reinen Erkenntnisgewinn interessierten Grundlagenforschung, so auch in Deutschland. In einigen Ländern ist man sich zwar bewusst, dass es sich hierbei um „Dual use“-Forschung handelt, welche nicht nur dem grundlegenden Erkenntnisgewinn dient, sondern auch für militärische Zwecke genutzt werden kann. Im Grunde genommen beinhalten jedoch all diese Forschungsaktivitäten ein Konterkarieren der internationalen Biowaffenkonvention aus den Siebzigerjahren und verletzen moralische sowie ethische Standards einer verantwortungsvollen Weltgemeinschaft.
Ich möchte daher nochmals – wie bereits vor vier Jahren – eine öffentliche Debatte über den weiteren Umgang mit der hochgefährlichen Gain-of-Function-Forschung mit pandemiefähigen Erregern stimulieren und gleichzeitig an unsere Hamburger Erklärung vom Februar 2022 zur weltweiten Ächtung und Beendigung dieser mit moralischen bzw. ethischen Grundsätzen und Werten nicht vereinbaren Forschung erinnern.
Dies ist ein Open-Source-Beitrag des Berliner Verlags. Er erschien zuerst auf www.berliner-zeitung.de.
Wähler-Wille ausgehebelt: Warum diese Wahl undemokratisch war – und wieder rot-grüne Grütze kommt
Wahl ohne Wahl: Warum das Ergebnis längst feststeht – und warum das so fatal ist für unser Land
Herr Merz, Herr Pistorius, hören Sie endlich auf uns zu belügen! Und auch sich selbst!
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Roland Wiesendanger ist Physik-Professor an der Universität Hamburg sowie Ehrendoktor der Technischen Universität Posen. Er ist Mitglied zahlreicher nationaler und internationaler Wissenschaftsakademien, darunter auch der beiden nationalen Akademien „Leopoldina“ und „acatech“. Er ist ferner Fellow mehrerer internationaler Wissenschaftsorganisationen und ist durch über sechshundert wissenschaftliche Publikationen sowie über sechshundert wissenschaftliche Vorträge in verschiedenen Wissenschaftsbereichen weltweit bekannt und vernetzt.
Bild: Shutterstock
mehr zum Thema auf reitschuster.de
Also doch! US-Ministerium geht von Laborunfall aus!
Das US-Energieministerium ändert seine Einschätzung zur Virus-Herkunft. Der „Spiegel“ kommt nicht umhin, das zu vermelden. Aber betreibt bis zum Umfallen weiter Framing: fast schon Realsatire.
Neue Indizien für Laborunfall in Wuhan?
Die politische Aufklärung über den Ursprung von Sars-Cov-2 wird offenbar aus Angst vor „außenpolitischen Verwerfungen“ zwischen Deutschland und China blockiert. Professor Wiesendanger hat nur eine plausible Erklärung. Von Kai Rebmann.
Seit wann wusste China vom Corona-Ausbruch in Wuhan?
Neue Zweifel an der Wildtiermarkt-Theorie. Im Sommer 2019 begann China damit, weltweite Bestände von OP-Kitteln, Masken und Handschuhen aufzukaufen. Gleichzeitig wurde der Export dieser Artikel stark eingeschränkt. Von Kai Rebmann.
Was geschah in Wuhan? WHO fordert neue Untersuchung
Nachdem sich mehrere Forscher für eine Überprüfung der Laborunfall-Theorie ausgesprochen haben, hat sich nun auch der Expertenrat der WHO dieser Forderung angeschlossen. China zeigt wenig Interesse und stellt sich weiter quer. Von Kai Rebmann