Im Sommer 2015 erreichte die Flüchtlingskrise in Europa ihren Höhepunkt. Hunderttausende Menschen, vor allem aus Syrien und Afghanistan, machten sich auf den Weg Richtung Europa. Zuvor war in den türkischen Flüchtlingslagern die ohnehin schmale Unterstützung der internationalen Organisationen noch einmal halbiert worden.
Deutschland wurde zum Hauptziel vieler Migranten, insbesondere nach Angela Merkels Entscheidung, Anfang September 2015 die Grenzen für Flüchtlinge aus Ungarn zu öffnen. Die Balkanroute explodierte in den Folgemonaten regelrecht unter dem Ansturm und „Mutti-Merkel-Rufen“. Manche Zuwanderer nannten ihre Kinder später aus Dankbarkeit „Angela“.
Unter der Leitung von Kai Diekmann (Chefredakteur der Printausgabe bis Ende 2015) und Julian Reichelt (damals Chefredakteur von Bild.de seit Februar 2014) positionierte sich die Bild-Zeitung als große Unterstützerin und einer Willkommenskultur.
Am 29. August 2015 startete die Bild-Zeitung die Kampagne „Wir helfen – #refugeeswelcome“. Ziel war es laut Selbstbeschreibung, ein „Zeichen der Menschlichkeit“ zu setzen und sich „gegen Fremdenhass“ zu stellen. Die Kampagne wurde mit einem Logo versehen, das als Aufkleber den Druckausgaben beilag und über soziale Medien verbreitet wurde.
Die Marketing Fachzeitschrift „Horizont“ zitierte damals Kai Diekmann mit den Worten:
„Die Menschen, die zu uns kommen, brauchen Wohnungen, Schulen, Perspektiven – sie brauchen uns. Diese riesige Aufgabe ist nicht von staatlichen Behörden allein zu bewältigen. Hier ist jeder Einzelne gefordert – mit Ideen, mit Engagement, mit Einsatz.“
In einer weiteren Ausgabe erhoben einhundert Prominente aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport ihre Stimme gegen Flüchtlingshass: „Die Zeit des Zuschauens und Abwartens ist vorbei, das hat auch die Kanzlerin eingesehen“, kommentierte Tom Drechsler, der stellvertretende Chefredakteur der Bild am Sonntag.
Zehn Jahre später wird der zwischenzeitlich untergetauchte Kai Diekmann folgende Frage an seine Follower bei X stellen:
„Ich muss mal – ernsthaft – eine ganz doofe und naive Frage stellen: Ist nicht jeder Migrant/Asylbewerber, der auf dem Landweg die deutsche Grenze erreicht, automatisch „illegal“? Ich meine, wo waren diejenigen denn vorher? #Dänemark #Polen #Tschechien #Österreich #Schweiz“
Passenderweise vergisst Diekmann den Hastag #Ungarn. Denn dann hätte er sich mit seiner Refugees-Welcome-Kampagne für die Kanzlerin auseinandersetzen müssen.
Was war die Rolle von Julian Reichelt? Als Online-Chef von Bild.de schrieb Reichelt emotional aufgeladene Flüchtlings-Kommentare, etwa als Reaktion auf Kritik von CDU-Politiker Philipp Lengsfeld, der die Kampagne als „Einladung zum Aufbruch nach Deutschland“ bezeichnete. Reichelt verteidigte die Aktion als Ausdruck „christlicher Werte“.
In einem offenen Brief an Phillip Lengsfeld (CDU) liefert Reichelt die Blaupause für Politiker wie Göring-Eckardt und Nancy Faeser, wie man Kritiker als Menschenfeinde framt und herunterbügelt, kritische Stimmen in einer pseudo-moralischen Grundhaltung ertränkt und obendrauf mit einem zur Schau gestellten eigenen Erleben als Kriegsreporter vor Ort abbügelt und den Gegenüber damit die Legitimation abspricht, sich überhaupt zum Thema äußern zu dürfen.
Kai Diekmann war als Chefredakteur der Printausgabe maßgeblich an der Ausarbeitung und Durchführung beteiligt. Seine Kampagnen-Maßnahmen gingen sogar so weit, Fußballvereine aufzufordern, mit „Refugees Welcome“-Buttons aufzulaufen.
Schlimmer noch: Als sich – ausgerechnet der politisch links verortete – Hamburger Fußballverein St. Pauli weigerte, der Bild-Kampagne zu folgen, inszenierte Kai Diekmann einen Shitstorm gegen St. Pauli und im selben Atemzug gegen die AfD:
„Darüber wird sich die @AfD_Bund freuen: Beim @fcstpauli sind #refugeesnotwelcome“
Nach dem Tod des syrischen Jungen Aylan Kurdi Anfang September 2015, dessen Foto weltweit Schlagzeilen machte, intensivierte „Bild“ seine Berichterstattung noch einmal. Die Zeitung druckte am 3. September 2015 eine emotionale Ausgabe und unterstützte Merkels „Wir schaffen das“-Haltung.
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Eine Schlagzeile lautete: „Ist doch klar, wir helfen Flüchtlingen!“ Dass es sich im Wesentlichen um junge muslimisch geprägte Männer und nicht um Flüchtlinge, sondern entlang der Regelungen von Schengen bzw. Dublin um illegale Zuwanderer handelt, war für die Macher der Bildzeitung letztlich Nazi-Kram.
Tatsächlich wurden hier von Julian Reichelt und Kai Diekmann wesentliche Narrative zur Ausgrenzung der Kritiker gesetzt. Am 9. September 2015 trug Vizekanzler Sigmar Gabriel im Bundestag einen „Refugees Welcome“-Button von Bild durch das Plenum und verdeutlichte damit die enge Verbindung zwischen medialer und politischer Kampagne.
Heute ist Sigmar Gabriel auf dem Sprung zum Lobbyisten für Rheinmetall und einer wie Welt-Herausgeber Ulf Poschardt erhält einen Verdienstorden der Ukraine für seine Kampagnenarbeit für Waffenlieferungen. Journalismus am Abgrund.
„Bild“ veröffentlichte am 8. Oktober eine Sonderausgabe auf Arabisch, die an Flüchtlinge verteilt wurde, um die Welcome-Refugees-Kampagne zu unterstreichen. Dazu schreibt die Zeitung:
„„Super auf arabisch. Das hilft uns sehr“, sagt Mohamd (45), Elektriker aus Damaskus. Auch Tochter Lana (3) und Ehefrau Tahini (37) gefiel die Ausgabe“.
Nach der Silvesternacht in Köln (2015/16), in der es zu massenhaften Vergewaltigungen (über eintausend Anzeigen), sexuellen Belästigungen und Diebstählen zum Nachteil deutscher Frauen durch Migranten kam, begann die öffentliche Stimmung zu kippen.
Was machte die „Bild“? Die Zeitung ließ die Kampagne still und leise auslaufen, ohne ein offizielles Ende zu verkünden. Ende 2016 räumte Julian Reichelt ein, dass die Kampagne der „Bild“ wirtschaftlich geschadet habe, insbesondere in Bezug auf Reichweite und Auflage. Inhaltlich stand er eisern weiter hinter der Zusammenarbeit mit Angela Merkel: Die Zeitung habe eine „klare, menschliche, empathische Haltung in der Flüchtlingskrise“ gezeigt.
Im Januar 2017 verlässt Kai Diekmann den Springer-Verlag. Julian Reichelt übernahm den Vorsitz der Chefredaktionen und später (März 2018) die alleinige Leitung der Printausgabe. Die Bild schlug einen schärferen Ton an, stellte Flüchtlinge zunehmend als Bedrohung dar und wandte sich gegen Merkels Politik.
Die fehlende Auseinandersetzung mit der politischen Kampagne aus dem eigenen Hause dokumentiert allerdings die grundsätzlich opportunistische Haltung. Mit Journalismus hatte all das wenig zu tun. Aber da ist die „Welcome-Refugees“-Kampagne bei „Bild“ keine Einzelfall. Die Vierte Gewalt hat sich in der Folgezeit immer wieder vereinnahmen lassen oder selbst die Politik vor sich hergetrieben mit Kampagnen Pro-Impfung, Pro-Ukraine und Pro-Merz.
Welche Folgen hatte die „Refugees-Welcome-Bewegung“ von Reichelt und Diekmann? Die Kampagne verstärkte die öffentliche Wahrnehmung von Merkels „Wir schaffen das“-Politik und legitimierte die Aufnahme von über einer Million Flüchtlingen im Jahr 2015. Sie trug wesentlich zur Mobilisierung von Hass und Hetze gegen Kritiker bei. Und sie wurde zum mächtigen Pull-Faktor einer bis ungebrochen anhaltenden Massenzuwanderung.
Die Kampagne der „Bildzeitung“ trug wesentlich zur Spaltung der Gesellschaft bei. Später nutzte ausgerechnet Julian Reichelt diese Stimmung, um sich als Kritiker der Flüchtlingspolitik zu positionieren.
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Author:
Alexander Wallasch