Nein, ich bin wirklich kein Freund von Christian Lindner. Denn ich tue mir generell schwer mit Persönlichkeiten und Charakteren, die sich offenbar als unverzichtbar betrachten – und ähnlich wie Sahra Wagenknecht eine Partei zur One-Man-Show machen. Auch laste ich der FDP im Gesamten noch immer an, dass sie drei Jahre in der Ampel durchhielt, obwohl sie immer versprochen hatte, im Zweifel besser gar nicht zu regieren, als schlecht zu regieren.
Von Dennis Riehle
Doch es gehört ein Stück weit zur Fairness dazu, dass ich insbesondere mit Blick auf den Auftritt des Vorsitzenden der Liberalen bei Caren Miosga im Vergleich zur vorangegangenen Sendung mit Robert Habeck unmissverständlich feststelle: Da ging es letztlich nicht gerecht zu. Während die Talkmasterin hinsichtlich des ehemaligen Finanzministers das Interview zu einer Art Verhör umwandelte, waren gleichzeitig ihre Freudentränen noch immer nicht getrocknet, dass sie es beim letzten Mal geschafft hatte, ein eigentlich journalistisches Format zur Liebesschnulze zweier Protagonisten verkommen zu lassen – von denen sich zumindest ein Teilnehmer rhetorisch dem Kanzlerkandidaten der Grünen unprofessionell, ungebührlich und ungehalten an den Hals warf.
Manchmal weiß ich gar nicht mehr, wohin noch mit all meinem Scham darüber, dass es in meiner beruflichen Zunft immer mehr Vertreter gibt, die einigermaßen skrupellos ihre Tendenziösität ohne jegliche Zurückhaltung darbieten – und die wesentlichen Tugenden publizistischen Arbeitens nicht nur über Bord geworfen haben, sondern mit aller Kraft daran interessiert scheinen, dass der komplette Kahn unabhängiger Medien sinkt. Sie sind mittlerweile derart in ihrer ideologischen Welt gefangen, dass ihnen jegliche Besinnung verunmöglicht ist, auch nur einen Augenblick daran zu denken, welch fatalen Schaden politisch und weltanschaulich voreingenommene Repräsentanten der Presse an einer ohnehin massiv in ihrem Fundament erschütterten Demokratie anrichten. Man nennt uns nicht ganz ohne Grund die vierte Gewalt im System, weil wir Multiplikatoren von Information, Wahrheit und Fakten sein sollen – die schlussendlich auch dazu taugen, dem Souverän bei der Meinungsbildung und Wahlentscheidung unterstützend zur Seite zu stehen.
Wir besitzen also einen erheblichen Einfluss auf das Bewusstsein von Zuschauern und Lesern, welche man für individuelle Zwecke nur dann zu missbrauchen in der Lage sein dürfte, sollte man jeglichem Ethos entsagt haben, auf den wir wie einen Eid geschworen haben. Was denkt man sich also dabei, die Bühne eines zumindest in der Theorie seriösen Gesprächs für Demagogie und Agitation zweckzuentfremden? Es zeugt von einer erheblichen Schwäche in Integrität und Souveränität, notwendige Distanz, Skepsis und Kritik nur dann zu üben, wenn das Gegenüber einer Mentalität anhängt, die der eigenen Überzeugung zuwiderläuft. Wer sich zum Steigbügelhalter und Handlanger macht – und sich dabei wie ein Teenie-Girl umschwärmend und schmachtend einem Regierungsmitglied an den Lippen heftet, hat sämtliche Contenance preisgegeben. Gegebenenfalls könnte der Plausch am Küchentisch vorteilhafter sein, um sein Herz auszuschütten – und denjenigen anzuhimmeln, den nicht einmal ein Muckraker zu einem kühlen und kumpelhaften Bier einladen würde. Der Sonntagabend im Ersten ist nunmehr geeignet, ihn über die Toilettenspülung der Fernsehgeschichte zu entsorgen.
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Author: Gast Autor
Journalistenwatch