„Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar.“ (Bundeskanzlerin Angela Merkel/ Knesset)
Die Bildzeitung empört sich:
„Wirtschaftsminister Robert Habeck (56, Grüne) und Außenministerin Annalena Baerbock (43, Grüne) blockierten Waffenlieferungen an Israel. Und das, während der jüdische Staat an mehreren Fronten von Terroristen attackiert wird.“
Das erstaunt zunächst auch deshalb, weil es dazu eine erste UN-Resolution schon kurz nach dem Terroranschlag der Hamas und dem Beginn der Kriegshandlungen in Gaza gab, die explizit auf ein sofortiges Ende der israelischen Kampfhandlungen im Gaza drängte.
Die Resolution erreichte die notwendige Zweidrittelmehrheit. Deutschland hatte sich der Stimme enthalten mit folgender Begründung der grünen Außenministerin:
„Weil die Resolution den Hamas-Terror nicht klar beim Namen nennt, die Freilassung aller Geiseln nicht deutlich genug fordert und das Selbstverteidigungsrecht Israels nicht bekräftigt, haben wir mit vielen unserer europäischen Partner entschieden, der Resolution am Ende nicht zuzustimmen.“
Jüngst hatte die UN-Generalversammlung Israel aufgefordert, sich innerhalb eines Jahres aus Gaza und der Westbank zurückzuziehen.
Aktuell von hoher Relevanz auch für eine deutsche Einschätzung der Lage ist die Haltung der USA als engster Verbündeter Israels. Aus der Biden-Administration kommt heute die Meldung, dass die USA damit drohen, Waffenlieferungen an Israel einzufrieren bzw. eine Kürzung der US-Militärhilfe vorzunehmen.
Konkret begründet wird das mit einer katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass US-Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin in Schreiben an ihre jeweiligen israelischen Kollegen konkrete Maßnahmen gefordert haben, die sich verschlechternde Lage in dem palästinensischen Küstenstreifen anzugehen. Die USA setzten Israel in dem Brief eine Frist von 30 Tagen, um konkrete Schritte zur Verbesserung der humanitären Lage zu unternehmen.
In dem Schreiben wird laut Bayerischem Rundfunk auch auf US-Gesetze verwiesen, die Militärhilfe an Staaten verbieten, die US-Lieferungen von humanitärer Hilfe behinderten.
Was die Bundesregierung hier gemacht haben soll, ist demnach amerikanische und UN-Politik. Und alles andere als ein deutscher Alleingang. Sind die USA und die UN antisemitisch und ist es Deutschland deshalb auch?
Der prominente Anwalt und Bestseller-Nr.1-Autor Joachim Steinhöfel schrieb gestern:
„Wenn es stimmt, dass die Grünen-Minister Habeck und Baerbock Waffenexporte an Israel, wie von BILD geschildert, verhindert haben, wäre das lupenreiner Antisemitismus. Für Antisemiten ist ein einer Bundesregierung kein Platz.“
Heute früh legte Steinhöfel nach:
„Die Frage, woran man einen Antisemiten erkennt, ist keine akademische, man kann sie sehr einfach beantworten: Wer Juden etwas übel nimmt, das er Nichtjuden nicht übelnimmt, ist ein Antisemit“, Henryk M. Broder. – Als da wären: Wagenknecht, Habeck, Baerbock, Mützenich et al.“
Das ist mindestens kompliziert, denn es setzt zum einen Kritik an Israel mit Kritik an Juden gleich. Und es verpflichtet gleichermaßen jeden, der Kritik an Israel übt dazu, diese Kritik bitte an wirklich jeden zu richten, der ggf. zum selben Punkt kritisiert werden könnte oder müsste. Sonst macht er sich nach Steinhöfels Definition sofort verdächtig, Antisemit zu sein.
Bild zitierte heute das Magazin Cicero. Danach soll Israel tatsächlich eine verlangte Unterschrift geleistet haben, die bestellten Waffen völkerrechtskonform einzusetzen. Das wiederum, so Cicero, sei wohl nicht die Erwartung der Bundesregierung gewesen:
„Die grünen Minister haben wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass die israelische Regierung diese Unterschrift tatsächlich leisten würde.“ Es sei klar, „dass sie schlicht und einfach keine Waffen nach Israel liefern wollten und daher absurde Konditionen für Exportgenehmigungen aufgestellt haben“.
Standen zunächst die Minister Baerbock und Habeck im Focus der Kritik, soll die behauptete absichtsvolle Verzögerung allerdings im Bundessicherheitsrat getroffen worden sein. Und dort herrsche das Einstimmigkeitsprinzip.
Auch in den sozialen Medien, wo die Diskussion längst angekommen ist, werden vielfach die Waffenlieferungen an Israel mit jenen in die Ukraine verglichen, die ohne Theater durchgeführt werden. Das allerdings wird den Tatsachen nicht wirklich gerecht. Unabhängig davon, ob man geliefert hat, wurde ab dem Moment, wo Deutschland die ersten 5.000 Helme in die Ukraine lieferte, jede weitere Waffenlieferung debattiert und vielfach auch verzögert.
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Mit allerdings einem Unterschied: Niemals wurde dafür offiziell von Präsident Selenskyj eine Garantie eingeholt, dass Völkerrecht einzuhalten. Jüngst wurde dazu eine bisher nicht beantwortete schriftliche Frage eines Bundestagsabgeordneten an die Bundesregierung veröffentlicht:
„Welche Bedingungen wurden an die Waffenlieferungen an die ukrainische Regierung geknüpft, um auszuschließen, dass deutsche Waffen verkauft, verschenkt oder in andere Krisengebiete exportiert werden?“
Auch wurde in der Debatte um die verzögerten Lieferungen an Israel mehrfach geäußert, Deutschland liefere gleichzeitig auch Waffen an die Türkei, ohne diese Lieferungen mit Bedingungen zu verknüpfen. Allerdings einigten sich die EU-Länder im Fall der türkischen Militäroffensive darauf, bestimmte Waffenlieferungen nicht mehr zu genehmigen. Demgegenüber steht die Argumentation Erdogans, man bekämpfe mit dem Einmarsch in Syrien den Terror gegen die Türkei. Das juristische Fachmagazin LTO hat sich dazu ausführlich geäußert.
Aber auch hier gilt: Eine Gleichsetzung mit den Terroranschlägen der Hamas auf Israel ist nicht staathaft und auch gar nicht möglich. Oppositionsführer Friedrich Merz will wissen:
„Die neuen Erkenntnisse über die offensichtlich verhinderte oder zumindest verzögerte Genehmigung von Verteidigungsgütern an Israel überraschen mich nicht. Es muss jetzt lückenlos aufgeklärt werden, welche Rolle Bundeswirtschaftsminister Habeck und Außenministerin Baerbock dabei gespielt haben.“
Jetzt soll Israel die Unterschrift geleistet haben, das Völkerrecht zu achten, die Waffen sind demnach freigegeben:
Der jüdische Staat, der derzeit von der Hamas (Gaza), der Hisbollah (Libanon), den Huthi (Jemen) und dem Iran angegriffen wird, leistete vor wenigen Tagen die nötige Unterschrift. Nach BILD-Informationen traf am Donnerstag die Zusicherung in Berlin ein.
Aber wie soll so eine Forderung nach Einhaltung des Völkerrechts, wenn sie ernst gemeint ist, überhaupt überwacht werden? Wie überall in der Welt, in Syrien, in Afghanistan oder anderswo gibt es keine offizielle Völkerrechtspolizei.
Welches Verfahren will die Bundesregierung hier einleiten, wer sollen die Wächter sein und wie soll es bei Verstoß sanktioniert werden? Mit dem sofortigen Stopp aller Waffenlieferungen an Israel sollte sich herausstellen, dass Israel im Gaza und anderswo das Völkerrecht gebrochen hat? Zehntausende Tote sollen es im Gaza sein. Darunter viele Kinder. Wie führt man einen mit dem Völkerrecht zu vereinbaren Krieg?
Laut LTO gibt es nur drei anerkannte Ausnahmen, in denen Gewalt gerechtfertigt sein könnte: „Eine Resolution des UN-Sicherheitsrates, Selbstverteidigung und der Konsens des Staates gegen den oder auf dessen Gebiet Gewalt angewendet wird.“ Aber auch diese Feststellung hilft nicht weiter.
Heute Nachmittag ab 15 Uhr muss die Außenministerin im Bundestag Rede und Antwort stehen. Auf ihre Antworten darf man gespannt sein.
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Author:
Alexander Wallasch