Von Kai Rebmann
Annalena Baerbock (Grüne) forderte Putin einst zur legendären 360-Grad-Wende in seiner Ukraine-Politik auf. Robert Bednarsky hat in der lokalen Verkehrspolitik zwar nur die 90-Grad-Wende ausgerufen, viel sinnvoller scheint die Idee des Ortsteil-Bürgermeisters im Erfurter Quartier Johannesplatz deshalb aber nicht zu sein. Der 75-Jährige setzt sich für die Drehung von Fußgängerüberwegen ein, die Zebrastreifen sollen künftig also quer zur Fahrtrichtung verlaufen.
Als praktisch einziger Experte steht Bednarsky dabei Stefan Peter Andres zur Seite. Der Mann ist jedoch alles andere als unabhängig, sondern Dozent für Stadt- und Raumplanung an der Fachhochschule Erfurt. In eben dieser Funktion leitet der Mann das Seminar „Spaziergangwissenschaften“ – ja, das gibt es wirklich – und hat dabei zusammen mit seinen Studenten die Idee entwickelt, die Fußgängerüberwege in Deutschland zu revolutionieren und diese gegen die Fahrtrichtung auszurichten.
Der Gedanke dahinter mag auf den ersten Blick zwar einleuchtend sein, aber halt wirklich nur beim allerersten und sehr flüchtigen Hinsehen. Quere Zebrastreifen sollen von Autofahrern als optische Barriere wahrgenommen werden und so die Verkehrssicherheit für Fußgänger und – kein Witz! – auch für Hunde erhöhen. So berichtet jedenfalls der „Berliner Kurier“. Demnach soll es Vierbeiner geben, die die in üblicher und seit Jahrzehnten bewährten Form aufgebrachten Streifen scheuen.
Oft erwogen, noch öfter wieder verworfen
Ganz neu ist die Vision von Andres und seinen Zöglingen freilich nicht. Über eine Neugestaltung von Zebrastreifen wurde immer mal wieder zumindest nachgedacht. Weshalb es bisher trotzdem nicht zum großen Umbruch bzw. Umdrehen gekommen ist, hat dann aber auch ganz handfeste Gründe.
Zu allererst steht dem natürlich die Straßenverkehrsordnung entgegen, die das Aufbringen von Zebrastreifen in Fahrtrichtung, sprich quer zur Laufrichtung von Fußgängern, seit Ende der 1950er-Jahre vorschreibt. Klar, das könnte man ändern und die Union könnte darüber auch im Bundestag abstimmen lassen – und je nachdem, welche Mehrheiten sie sich davon verspricht, wahlweise in alter oder neuer Zusammensetzung. Das scheint ja die neue Gangart in der bundesdeutschen Demokratie zu sein, wie ein Blick auf die aktuelle Debatte um die Schuldenbremse zeigt.
Dann gibt es allerdings auch noch solche Experten, die bei dieser Frage, anders als der Hochschul-Dozent, nicht persönlich befangen sind. Dazu gehört etwa Kirstin Zeidler. Die Leiterin der Unfallforschung der Versicherer (UDV) warnt davor, dass eine Änderung der Zebrastreifen zu Missverständnissen unter den Verkehrsteilnehmern führen und die Unfallgefahr in der Folge sogar noch erhöhen könnte.
Abgesehen von der Fachhochschule Erfurt gibt es keine belastbaren Daten, die eine 90-Grad-Wende bei den Zebrastreifen mit einer höheren Sicherheit für Fußgänger in Verbindung bringen. Bürgermeister Bednarsky zeigt sich davon aber unbeeindruckt und hofft, dass er in seinem Viertel wenigstens einen gedrehten Zebrastreifen in Längsrichtung aufbringen darf – „versuchsweise“, wie er sagt.
Der seit April 2021 zudem noch als Vorsitzender des BUND-Landesverbands Thüringen amtierende Bürgermeister will dazu das Tiefbauamt seiner Stadt einspannen und wünscht sich eine Zulassung der neuartigen Fußgängerüberwege im Rahmen eines Modellprojekts. Damit würde man in Erfurt gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – die Fachhochschule hätte den Nachweis erbracht, dass man den alltäglichen Spaziergang tatsächlich zur Wissenschaft erklären kann, und Bednarsky könnte die Zebrastreifen-Revolution bequem an der Straßenverkehrsordnung vorbei auf den Weg bringen.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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